liche untersucht(Anita, Paul, Martin und Jens), von November 1990 bis 1991 wurde mit drei weiteren Jugendlichen (Horst, Peter, Albert) gearbeitet. Alle Jugendlichen waren zwischen 16 und 19 Jahren alt, sie stammten aus berufsvorbereitenden Maßnahmen und einem überbetrieblichen Ausbildungsangebot nach dem Benachteiligten-Programm.
Erhebung der Daten und weiteres methodisches Vorgehen. Im Rahmen der Fallstudien wurden Daten zu Wissensvoraussetzungen, zum Lernprozeß und Daten zu den Lerneffekten erhoben. Vor Beginn des Unterrichts, der in der Ausbildungsinstitution während der Arbeitszeit stattfand, wurde mit jedem der ausgewählten Teilnehmer eine ausführliche Lernstandserhebung durchgeführt. Sie beinhaltete ein informelles Gespräch mit den Lehrgangsbetreuern, ein Eingangsgespräch mit den Teilnehmern, einen Rechtschreibtest(LiR/Probst, 1988), ein Diktat und das Niederschreiben eines freien Textes von zwei bis drei Sätzen.
Der darauffolgende Unterricht, der 10 bzw. 20 Unterrichtsstunden umfaßte, war vom Ablaufrahmen stets gleich: Zunächst erfolgte jeweils eine kurze Orientierung über den Lernstand der Teilnehmer, danach die Erhebungsphase, in der die Teilnehmer nach der Niederschrift eines Diktats oder eines freien Textes zu ausgewählten Fehlern und richtigen Verschriftungen befragt wurden. Hierzu wurde auf_Verbalisationsverfahren (Nachträgliches lautes Denken sensu Weidle& Wagner, 1982 sowie problemzentrierte Nachfragen sensu Lamnek, 1989) zurückgegriffen. Die Verschriftungen wurden anschließend korrigiert, wenn es nach den inhaltlichen Arbeitsschwerpunkten angemessen war und/ oder Schreiber dies wünschten. Nach der Korrektur der Verschriftungen, bei der viel Wert auf analoges Denken gelegt wurde(weißt du, woher das Wort kommt; wenn du weißt, x wird so geschrieben, wie schreibt man dann wohl y), folgte ein Übungsteil. Es wurde vom Ablauf her streng darauf geachtet, daß sich Erhebungs- und Interventionsphase nicht vermischten. Die Inhalte bzgl. Rückmeldung, Schreibanlaß, Auswahl
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Anne Börner* Wege funktionaler Analphabeten zur Normschrift
der Verschriftungen für die Befragung, Korrekturen sowie Intervention(en) waren individualisiert.
Nach jeder Unterrichtsstunde wurden die Schreibprodukte post hoc analysiert (Börner, 1988/1990) und anhand der Äußerungen zu den Verschriftungen jeweils ausgewertet, welches Wissen/welche Strategien die Schreiber bei der Verschriftung eingesetzt haben und welche Möglichkeiten und Grenzen dieses Wissen/diese Strategien beinhalten. Auf der Basis des von den Schreibern aktuell genutzten Wissen/Strategien wurden die nächsten Interventionen geplant. Ziel war, die aktuellen Grenzen der Teilnehmer zu überschreiten. Dabei wurden auch die gesondert in einem Postskript festgehaltenen Beobachtungen über das Verhalten in der Lernsituation berücksichtigt. Nach je 5 Unterrichtsstunden wurden die Einzelauswertungen pro Einzelfall noch einmal in einem Überblick über die bisherige Lernentwicklung zusammengefaßt. Dies sollte verhindern, daß der Blick für die Lernentwicklung bei der Analyse von Stunde zu Stunde verloren geht.
Nach Ablauf der gesamten Unterrichtsstunden wurde pro Teilnehmer eine Kontrolle der Lerneffekte in Form einer Abschlußerhebung durchgeführt. Sie beinhaltete ein informelles Gespräch mit den Lehrgangsbetreuern, ein Abschlußgespräch mit den Teilnehmern, die Wiederholung des Rechtschreibtests, die Wiederholung des Diktats sowie die Aufgabe, einen freien Text von zwei bis drei Sätzen niederzuschreiben,
Erläuterung der Untersuchungsverfahren. Als Rechtschreibtest wurde das Inventar impliziter Rechtschreibregeln (HR/Probst, 1988) verwandt. Dieser Test dient zur Erfassung basaler Rechtschreibkompetenz. Er erfaßt die Fähigkeit von Schreibern, die korrekte Schreibung ungeübter Wörter aus ihrem Wissen über Schriftsprache zu konstruieren. Von den 12 Untertests des HR wurden alle Untertests bis auf UT 1„Sichtwortschatz‘“ und UT7„Silbentrennung“ verwandt. Für die Frage des Übergangs von der Lautorientierung zur Normschrift wurden besonders die Untertests
HEILPÄDAGOGISCHE
als aussagekräftig angesehen, die para
digmatische Strukturierungen abprüfen.
Neben UT 2„Entdecke den Wortbau
stein‘‘, bei dem es um das visuelle Er
kennen gleicher Wortteile geht, waren dies vor allem UT 8„Höre den Wortbaustein heraus‘“, UT 12„Mache aus
Wortbausteinen neue Wörter“ und UT 4
„Nachnamendiktat‘“, bei dem Struktur
wissen anhand von Pseudowörtern über
prüft wird.
Das Diktat bestand aus 8 Sätzen mit
insgesamt 56 ein- bis mehrsilbigen Wör
tern. Die Sätze bestanden vorwiegend aus kurzen Hauptsätzen sowie einer Parataxe und einer einfachen Hypotaxe. Das
Wortmaterial aus Grundwortschatzwör
tern überprüfte(Recht)Schreibkennt
nisse, die zum Teil schon im HR in isolierter Präsentation inventarisiert wurden:
— Verschriftung von Signalgruppen;
— Verschriftung von Anlautgruppen;
— Ableitung und Verlängerung;
— Morphemkenntnisse anhand eines bekannten Stamm-Morphems in Kombination mit unterschiedlichen Affixen;
— Verwendung von Längen- und Kürzezeichen;
— Groß- und Kleinschreibung an Satzanfängen sowie die Kenntnis der Wortarten Adjektiv, Verb, Nomen und deren Verschriftung in unterschiedlichen Positionen.
Darüber hinaus wurden die Kenntnisse
der Graphemkonventionen(z.B. sp) so
wie von Umlauten und Diphtongen überprüft.
Das Verbalisationsverfahren des nach
träglichen lauten Denkens mit problem
zentrierten Nachfragen(Weidle& Wagner, 1982; Lamnek, 1989) wurde postaktional, d.h. unmittelbar im Anschluß an die Niederschrift eines Textes bei ausgewählten Fehlern und richtigen Verschriftungen angewandt, um die metasprachlichen Äußerungen zu erheben.
Nach der Eingangsfrage(Wie bist du
darauf gekommen, das Wort so zu
schreiben) wurden ggfs. Präzisierungen
(Was heißt das genau; kannst du das bitte
vormachen etc.) und Begründungen er
beten. Wenn Teilnehmer verbalisierten, daß das Wort für sie schwer gewesen ist,
FORSCHUNG Band XVII, Heft 4, 1991