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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Einführung

In der Pädagogischen und der Klinischen Psychologie ist ein zunehmendes In­teresse an effektiven Programmen zur sozial-kognitiven Entwicklungsförderung bei Kindern zu verzeichnen, wobei ins­besondere die Ausbildung von Denk­sowie Problemlösekompetenzen ange­strebt wird. Diese Förderprogramme wollen zentrale Momente zur kognitiven Weiterentwicklung vermitteln und ver­suchen deshalb, generalisierbare sowie selbständig ausgestaltbare Denkprozedu­ren auszubilden. Konstituierend für eine derartige Entwicklungsförderung sind vor allen Dingen drei Momente(vgl. Abb. 1):

eine zentrale Störungskonzeption über die Bedingungsmomente sozial­kognitiver Retardierung;

eine Ziel- und Förderkonzeption, die entwicklungsrelevante Ziele und In­halte eines solchen Förderprogramms festlegt;

die Entwicklung eines kindgemäßen Förderprogrammes selbst mit der Darstellung seiner zeitlich-organisato­rischen Umsetzung und der thera­peutischen Mittel.

Retardierungen bezeichnen Entwick­lungsverzögerungen und Entwicklungs­rückstände, die in verschiedenen mensch­lichen Verhaltensbereichen(z.B. Spre­chen, Denken, Motorik) auftreten kön­nen. Im Bereich der Intelligenz und kog­nitiven Entwicklung geht man(im deut­schen Sprachraum) von einer Retardie­rung aus, wenn die Intelligenzquotien­ten der Kinder zwischen IQ 60 und 85 liegen. Mit dem Begriff Retardierung ver­bindet sich die Vorstellung, daß die Entwicklungsrückstände zumindest teil­weise aufgehoben werden können.

Bedingungsmomente sozial­kognitiver Retardierung

Vor dem Hintergrund eines hand­lungs- und kognitionstheoretischen Zu­gangs sind bei retardierten Kindern folgende charakteristische Besonderhei­ten zu beobachten:

Gerhard W. Lauth*

‚Störungskonzeption:

Bedingungsmomente sozial-kognitiver Retardierung

Ziel- und Förderkonzeption: Förderungsinhalte

Förderprogramm:

zeitlich-organisatorische Umsetzung therapeutische Mittel/Technologie...

Abb. 1: Triadisches Grundkonzept zur sozial­kognitiven Entwicklungsförderung.

Sie wissen oft nicht,wie sie an ein Problem oder eine Aufgabe her­angehen sollen.

Sie entnehmen den Lernerfahrungen oft nicht die generalisierbaren, situa­tionsübergreifenden Momente,

Sie verfügen oft nicht über relativ prinzipielle Basisfertigkeiten,

Für die inhaltliche Einordnung von Er­eignissen in den eigenen Erfahrungs­bereich fehlen oftmals die notwendi­gen Konzepte und Ankerbegriffe.

Kognitiv-schulrelevante Inhalte sind oftmals mit negativen Vorstellungen und Emotionen besetzt.

Diese voneinander abhängigen, sich überschneidenden Elemente sollen im folgenden einzeln diskutiert werden.

Defizite im Bereich der Strategiebefolgung

Defizite im Bereich der Strategiebefol­gung äußern sich vor allem im Bereich sogenannter Metakognitionen. Metakog­nition bezeichnet die Bewußtheit der eigenen kognitiven Prozesse, die sich insbesondere in der Handlungskontrolle (Steuerung und Überwachung des eige­nen Handelns) und der Handlungsorga­nisation(Planung und Ableitung kom­plexen Verhaltens) äußern.

Metakognition kann damit als eine Art innerer Dialog gesehen werden, den der

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVII, Heft 4, 1991

Entwicklungsförderung bei sozial-kognitiver Retardierung

Handelnde mit sich selbst führt und über den er sein Verhalten ableitet bzw. selbst steuert. Der Handelnde führt also einzelne(kognitive) Operationen aus und überblickt dabei gleichzeitig den Stand seiner Tätigkeit(Meichenbaum, Burland, Gruson& Cameron, 1979). Angesichts dieser Konzeption stellen metakognitive Denkakte folglich ein wesentliches Moment der kognitiven Entwicklung dar.

Beeinträchtigungen in diesem Bereich wirken sich recht weitreichend im Ver­halten aus und führen zu einem insge­samt wenig bedacht-planvollem Handeln sowie zu einer verringerten Selbstre­flexion. Durch diesen eher unsystemati­schen Erfahrungserwerb bzw. die unzu­reichende Erfahrungsverwertung gerät auch die kognitive Entwicklung der betroffenen Personen in Verzug. Pro­blemlösungen und Lernen gelingen auf Dauer in geringerem Maße.

Gerade in diesem wichtigen Bereich der Metakognition werden für Lernbehin­derte häufig Defizite belegt(z.B. Mc­Leskey, Rieht& Polsgrove, 1980; Tor­gesen, 1977; Borkovski& Cavanaugh, 1978; Brown, Campione& Murphy, 1977). So beherrschen sie in geringe­rem Maße

Strategien der Informationsentnahme und-verarbeitung(z.B. bei der Spei­cherung von Wissen, der Bildung von Bedeutungsassoziationen, beim Rück­griff auf Vorerfahrungen);

Strategien der Handlungsorganisation (z.B. Zeitplanung, Anordnung der Handlungsschritte im Lernverlauf, Vorausplanen von Tätigkeiten, Anti­zipation problematischer Handlungs­schritte);

verbale Handlungsanleitung(z.B. Nut­zung verbaler Vermittler, an sich selbst gerichtete metakognitive Fragen);

Strategien der MHandlungskontrolle (z.B. handlungsbegleitende Prüfpro­zesse, emotionale bzw. motivationale Selbstregulation).

Dieses strategische Verhalten und hier­bei insbesondere die Organisation und Steuerung komplexer Abläufe kann unter dem Begriff metakognitive Kom­

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