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Gerhard W. Lauth*
Entwicklungsförderung bei sozial-kognitiver Retardierung
sucht, den internen Dialog der Kinder umzustrukturieren und dabei auch affektive Bewältigungsaussagen sowie positive Attribuierungen auszubilden. Dadurch sollen angemessene kognitive Bewältigungsfertigkeiten im Sinne einer konstruktiven Auseinandersetzung mit Schwierigkeiten freigesetzt und zielgerichtete Handlungen erleichtert werden.
Diesen Vorgaben entsprechend bestehen die direkten Ziele der kognitiven Interventionsmethoden darin,
— den Kindern eine allgemeine Handlungsstruktur(in Form der obigen Problemlösestrategie) zu vermitteln, an der sie ihr Handeln auch bei nicht vertrauten Anforderungen ausrichten können.
— Den Kindern Steuerungs- und Kontrollprozesse zu vermitteln, die es ihnen ermöglichen, organisiert zu handeln und den jeweiligen Stand ihres Tuns zu erfassen. Dies wird durch die Anregung metakognitiver Aktivitäten angestrebt.
— die Kinder zu einem zielgerichtet-aktiven Verhalten zu befähigen und ihnen die Bewältigung von Handlungsschwierigkeiten zu erleichtern(z.B.: „Ich komme damit im Moment zwar nicht zurecht, aber ich lasse mich nicht nervös machen. Ich beginne nochmals von vorne“‘).
— den Kindern innerhalb eines Trainings die Gelegenheit zu geben, diese einzelnen Momente an unterschiedlichen Materialien einzuüben.
Förderprogramm kognitiver Kompetenzen
Derzeit liegt mit dem„„Trainingsmanual zur Vermittlung kognitiver Fertigkeiten bei retardierten Kindern“ ein Förderprogramm für retardierte(IQ 65—85) sowie lernbehinderte Kinder vor; es verfolgt die dargestellten Förderziele und stellt sowohl die therapeutischen Vorgehensweisen als auch die entsprechenden Übungsmaterialien bereit(Lauth, 1988). Dabei arbeiten zwei bis vier Kinder mit einem Erwachsenen als Trainer zusammen.
Zeitlich-organisatorische Umsetzung
Die Umsetzung des Förderprogrammes muß zunächst in seiner zeitlich-organisatorischen Gestaltung der Problematik der Kinder gerecht werden. Dazu wird folgende Interventionsgestaltung verwirklicht:
— Beziehungsaufnahme zu den Kindern innerhalb von zwei Terminen, wobei zunächst eine Kontaktaufnahme und Vorbesprechung sowie ein Hausbesuch stattfindet;
— den Hauptteil bildet das eigentliche vierwöchige Strategietraining(mit Elternanleitung), deren 8 Sitzungen nachfolgend in ihrem Ablauf dargestellt werden;
— die Ablösung findet in Form einer Abschlußgestaltung statt, die frei nach den Bedürfnissen der Kinder gestaltet wird.
Das Training umfaßt insgesamt 8 Sitzungen mit einer Zeitdauer von etwa 45 bis 60 Minuten. Die Sitzungen werden wöchentlich bzw. zweimal in der Woche durchgeführt. Jede einzelne Trainingssitzung besteht aus:
1. allgemeinen einleitenden Erläuterungen, die den Kindern das allgemeine Ziel der Sitzung und die Bedeutung ihrer Inhalte möglichst erfahrungsnah mit Beispielen aus ihrem Erlebnisbereich nahebringen.
2. der Modelldemonstration des Trainers, die den Kindern förderliche Herangehensweisen quasi durch„vormachen“ vermittelt.
3. der Übungsphase der Kinder, wobei die beobachteten Vorgehensweisen an inhaltsähnlichen Aufgaben umgesetzt werden.
4. der abschließenden Spielphase, in der das Sitzungsziel innerhalb einer spielerischen Begegnung nochmals aufgegriffen wird(z.B. Planungen beim Basteln).
Ferner wird ein sogeannntes Mediatorentraining als Elternanleitung durchgeführt, das in 4—6 eineinhalbstündigen Sitzungen begleitend zur Förderung der Kinder stattfindet. Hier soll den Eltern
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVII, Heft 4, 1991
zunächst ein verständlicher Einblick in die wesentlichen Zusammenhänge der Lernstörung und besonders ihrer Therapieprinzipien vermittelt werden. Dann werden ausgewählte Aufgaben aus dem Trainingsprogramm ihrer Kinder mit den Eltern auch unter Zuhilfenahme von Rollenspielen bearbeitet. Die Eltern lernen dabei, welche Anforderungen in einer Aufgabe enthalten sind und wie sie die Entwicklung ihrer Kinder im Alltag fördern können.
Vor allem aber wird mit den Eltern erarbeitet, daß es oft darauf ankommt, „die Kinder auf den richtigen Weg zu schicken“(z.B. heuristische Fragen stellen, das eigene Vorgehen an einer Problemlösestruktur orientieren). D.h. ihnen Lösungen nicht vorzugeben, sondern durch prozessorientierte Hilfen selbst erarbeiten zu lassen. Als Orientierungspunkte hierfür werden die Signalkarten, die den Kindern mit nach Hause gegeben werden, vorgestellt und in Rollenspielen erprobt. Damit werden die Eltern dazu befähigt, ihren Kindern geeignete Unterstützung geben zu können(z.B. bei den Hausaufgaben, in Alltagssituationen). Letztlich wird über die Wirksamkeit sozialer Verstärkung sowie über die Arbeitsplatz- und-zeitgestaltung beim Hausaufgabenmachen gesprochen.
Therapeutisches Mittel
Modellierungsdialog: Die allgemeine Problemlösestrategie wird den Kindern durch sogenannte Signalkarten(vgl. Abb. 2) vermittelt. Sie veranschaulichen die einzelnen Stadien des Problemlöseprozesses verkürzt und formelhaft in einem Bild. Der Vorteil dieser Visualisierungen besteht darin, daß sie die Handlung„superieren‘“— d.h. sie fassen einzelne Problemlöseschritte als Schlagwort oder Bild zusammen.
Auf den Signalkarten ist die Comic-Figur Daniel Düsentrieb dargestellt. Diese Figur wurde deshalb ausgewählt, weil sie den Kindern zumeist bereits bekannt ist (anderenfalls kann der Therapeut mit den Kindern zuvor eine Geschichte lesen und besprechen), die Figur positiv besetzt ist und Daniel Düsentrieb von der
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