Persönlichkeitsentwicklung machen. Als vorläufiger Maßstab der individuellen Möglichkeiten sollen dabei die Fortschritte vergleichbar geschädigter und beeinträchtigter Kinder gelten, die Sonderkindergärten mit schädigungsspezifischer Ausrichtung besuchen. Mit der Verwendung dieses Maßstabs ist jedoch primär kein Effizienz-Vergleich intendiert. Vielmehr geht es in erster Linie darum, den Lern- und Entwicklungsprozeß vor allem der als behindert geltenden Kinder im Sinne einer formativen Evaluation zu verfolgen. Dabei soll immer dann interveniert werden, wenn sich bei einem bestimmten Kind Hinweise auf Prozesse feststellen lassen, die den pädagogischen Intentionen zuwiderlaufen. Diese pädagogischen Intentionen entsprechen den Präskriptionen von Feuser(1984). Zu ihrer Kontrolle wurde ein Kriterien-Inventar erstellt(Kornmann, 1989). Dieses berücksichtigt neben den Aspekten der Kooperation und der Ausrichtung auf gemeinsame Themen und Inhalte auch das Niveau der Tätigkeit, auf dem die Kinder agieren. Auf einzelne Inhalte dieses Inventars und seine theoretische Fundierung ist noch einzugehen. Die Interventionen beginnen mit gemeinsamen Beratungen zwischen den pädagogischen, therapeutischen und pflegerischen Kräften, die für das jeweilige Kind verantwortlich sind, und den Mitgliedern der wissenschaftlichen Begleitung. Diese Beratungen zielen darauf ab, die Lernbedingungen des betreffenden Kindes so zu ändern, daß hieraus Lern- und Entwicklungsprozesse resultieren, die den pädagogischen Intentionen entsprechen. Die aus diesen Beratungen resultierenden Pläne werden in der darauffolgenden Zeit umgesetzt. Dabei wird laufend überprüft, ob weitere Interventionen erforderlich sind oder nicht.
Methodologische Einordnung
Somit entspricht das Konzept der wissenschaftlichen Begleitung eher der Aktions- oder Handlungsforschung als der empirisch-analytisch orientierten For
Reimer Kornmann*
schung. Zu seiner Charakterisierung lassen sich gut einige Merkmale heranziehen, die Guba& Lincoln(1981) dem„naturalistischen Paradigma‘‘ im Unterschied zum„scientifischen Paradigma‘ zuordnen. Wesentlich für die hier darzustellende Thematik sind dabei folgende Merkmale:
— Es sollen Erkenntnisse gewonnen werden, ohne daß hierfür künstliche LaborBedingungen hergestellt werden. Allerdings soll in kontrollierter Weise Einfluß auf die ‚natürlichen‘ Situationen genommen werden, jedoch so, daß diese Einflüsse unter Umständen integrierter Bestandteil der natürlichen Situation werden.
— Somit sollen die zu erhebenden Daten keine Reaktion auf experimentell kontrollierte Untersuchungsbedingungen darstellen, die von dem konkreten Geschehen in den Kindergärten isoliert werden.
— Die Erhebungsmethodik ist also nichtreaktiv; dennoch sollen die beteiligten pädagogischen, therapeutischen und pflegerischen Kräfte stets wissen, auf welche inhaltlichen Aspekte die Datenerhebung abzielt.
— Als Erhebungsmethoden kommen vor allem Selbstauskünfte der schon genannten Personen in Betracht, wobei diese Selbstauskünfte durch die Ergebnisse stichprobenartiger Fremdbeobachtungen und durch Videoaufzeichnungen ergänzt und kontrolliert werden sollen.
— Die Daten sollen allein auf der Grundlage intraindividueller Vergleiche ausgewertet werden. Da direkte interindividuelle Vergleiche nicht notwendig sind, kann auch auf die dazu erforderlichen, in natürlichen settings ohnehin schwer realisierbaren methodischen Standards — z.B. interindividuelle Vergleichbarkeit der Beobachtungsgrundlage— verzichtet werden.
All diese Merkmale dürften den wiederholt vorgebrachten Forderungen nach mehr Lebensnähe und ökologischer Orientierung der entwicklungspsychologischen Forschung(Eckensberger, 1982; Montada, 1987) entgegenkommen.
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVII, Heft 4, 1991
Veränderungen des Gegenstandsbezugs
Inhaltliche Einordnung
Allgemein akzeptierte Aufgaben der Elementarerziehung ist es, Entwicklungsprozesse der Kinder zu unterstützen bzw. zu fördern. In diesem Sinne kann mit Feuser(1984) der Aufgabenbereich nichtaussondernder Erziehung dahingehend präzisiert werden, daß
— allen Kindern mit ihren je unterschiedlichen physischen und psychischen Voraussetzungen
— gemeinsame Themen und Inhalte zu bieten sind,
— an denen sie in Kooperation miteinander
— spielend und lernend tätig sein
— und dabei ihr höchstmögliches Tätigkeitsniveau entfalten sollen.
Ein solcher Entwicklungsbegriff impliziert also„gerichtete Veränderungen‘‘ (Ulich, 1986)— beispielsweise hin zu mehr Gemeinsamkeit, zu besserer Kooperation, zu höheren Tätigkeitsniveaus. In dem hier dargestellten Ansatz gründet er sich auf tätigkeitstheoretische Konzepte, die von Vertretern der Kulturhistorischen Schule sowjetischer Psychologen, insbesondere von A.N. Leontjew(1973, 1982), entwickelt und vor allem von Jantzen(1980) aufgegriffen und im Rahmen seiner Theorie zur Behindertenpädagogik weitergeführt wurden. Dem besseren Verständnis der weiteren Überlegungen dürfte nun ein kurzer Exkurs zum Begriff der Tätigkeit dienlich sein.
Der Begriff der Tätigkeit wird in der Literatur nicht einheitlich verwendet. Für die der sowjetischen Psychologie verpflichteten Autoren hat er eine umfassendere Bedeutung als der Begriff der Handlung, wie ihn westliche Autoren verwenden. Aber auch innerhalb der marxistisch-leninistischen Wissenschaften ist zwischen einer weiten und einer engen Fassung des Begriffs zu unterscheiden(Klaus& Buhr, 1972). In der weiten Fassung bedeutet er den Austausch von Organismen mit ihrer belebten oder unbelebten Umwelt als Grundlage und Indikator ihres Lebens.(Im metaphorischen Sinne wird diese Definition dann auch auf Maschinen ange
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