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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Reimer Kornmann*

Veränderungen des Gegenstandsbezugs

Tab. 3.: Gegenständliche Tätigkeit Beschreibung

Gegenstände werden spezifisch, zweckmäßig und funktionsgerecht, d.h. ganz im Sinne ihrer Erfindung, benutzt: DieDinge an sich werden für das Kind zu Dingen für mich, Dies gilt auch für die Ver­wendung der eigenen Sprache.

den.

Die basalen Lernformen des klassischen und ope­ranten Konditionierens (siehe oben) bleiben wirksam, die Lernpro­zesse werden aber durch den Vorgang des Imita­tionslernens(soziales Ler­nen, Lernen am Modell) ganz enorm beschleunigt. Objekte werden nun nicht mehr nur aufgrund ihrer äußeren Merkmale, sondern aufgrund ihrer Funktionen unterschie­

Ein intakter Gesichts­sinn ist für die selb­ständige Tätigkeit in diesem Stadium unver­zichtbar. Die gegen­standsspezifischen Tätig­keiten erfordern in der Regel fein abgestimmte visuo-motorische Ko­ordinationsleistungen, deren Einübung schon bei leichten Funktions­störungen der Sinnes­und Erfolgsorgane sowie des Zentralnervensystems sehr schwer fallen kann.

Das Kind muß ausrei­chend Gelegenheit haben zu sehen, wie andere Menschen Dinge benut­zen, und es muß Gelegen­heit haben, diese Tätig­keiten zu imitieren und sie bei Erfolg so lange zu wiederholen, wie es dies will. Begünstigend wirken Hilfen beim Erwerb die­ser Tätigkeiten und für den Spracherwerb sprachliche Begleitungen seines Tuns durch kom­petente Sprecher.

Erfahrungsbildung Organische Soziale Schädliche Folgen Voraussetzungen Voraussetzungen

Bei nicht erfolgreich ausgeführten Tätigkeiten können Abneigungen gegen entsprechende Objekte und Tätigkeitsformen entste­hen, die zu Erfahrungsdefi­ziten führen. Diese lassen sich auch auf mangelnde Betätigungsmöglichkeiten zurückführen, die zu einem sprachlichen Defizit führen können. Das Bewußtsein mangelnder Kompetenz kann hier entstehen.

Reaktionen zu vermitteln und die mani­pulierende Tätigkeit vorzubereiten.

2. Die manipulierende Tätigkeit(vgl. Tab. 2) setzt das Beherrschen der Greif­handlung voraus. Diese richtet sich an­ders als der ursprünglich zur Sicherung ausgebildete Greifreflex willkürlich auf Objekte. Die Tätigkeit ist also schwerpunktmäßig aktiv, nicht mehr reaktiv und richtet sich auf die Objekte als solche.

Die manipulierende Tätigkeit ist aber an zwei Voraussetzungen gebunden:

Vvitale Bedürfnisse müssen in der ak­tuellen Situation befriedigt sein,

mit den wahrgenommenen Qualitä­ten der Objekte müssen positive Erfah­rungen verbunden sein, d.h. die Quali­täten der entsprechenden Objekte müs­sen auf der Stufe der Wahrnehmungstä­tigkeit positive Reaktionen ausgelöst ha­ben.

Bei der manipulierenden Tätigkeit wer­den die verschiedenen Schemata ange­wendet, ausgebildet und auch flexibili­siert. Der Sinn dieser Tätigkeitsform liegt darin,

sich zum einen die verschiedenen Qualitäten des gleichen Objekts zu er­schließen,

zum anderen das Repertoire der ei­genen Tätigkeitsformen mit diesen Ob­jekten zu erweitern: Tätigkeiten, die zumErfolg führen, die also neue Sin­neseindrücke von dem jeweiligen Gegen­stand vermitteln, werdenverstärkt,

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d.h. sie wiederholen sich am gleichen Objekt, womit die Zirkulärreaktionen zu erklären sind, und sie werden in ähnlichen Situationen bei anderen Ob­jekten ebenfalls angewendet, womit die Assimilation und Akkomodation von Schemata zu erklären sind. Grundlage der Erfahrungsbildung ist hier also nicht mehr wie bei der Wahrnehmungstä­tigkeit die Ausbildung bedingter Re­aktionen, sondern dasoperante Ler­nen. Mit der Erschließung der verschiedenen Qualitäten eines Objekts und der eigenen objektspezifischen Betätigungsmöglich­keiten wird die gegenständliche Tätig­keit mit diesen Objekten vorbereitet.

3. Bei der gegenständlichen Tätigkeit (vgl. Tab. 3) werden bestimmte Ob­jekte in ganz spezifischer Weise betätigt, und zwar so, daß dadurch in kulturell festgelegter Form bestimmte Ziele er­reicht oder Zwecke erfüllt werden. Dies gilt in gleicher Weise für

Objekte der belebten und unbelebten Natur(z.B. einen Stein oder einen Apfel),

artifizielle Objekte, also für spezielle Zwecke hergestellte Werkzeuge(vgl. Keiler, 1988).

Die Fähigkeit zu gegenständlicher Tätig­

keit mit einem bestimmten Objekt

dürfte an folgende Bedingungen gebun­den sein:

das Kind muß die Qualitäten des be­

treffenden Objekts soweit kennen, daß

es diese nicht mehr im Sinne der mani­pulierenden Tätigkeit erkunden möchte, das Kind muß das Bedürfnis haben, das Ziel zu erreichen oder den Zweck zu erfüllen, für welche das entsprechende Objekt geeignet ist: Hieraus ergibt sich das Motiv für die gegenständliche Tätig­keit,

das Kind muß die spezifische Hand­habung des Objekts beherrschen: Hier­zu sind neben den sensumotorischen Fertigkeiten und kognitiven Fähigkei­ten, die vor allem bei der manipulieren­den Tätigkeit ausgebildet werden, Mo­delle und Hilfestellungen durch diejeni­gen Personen erforderlich, die das Ob­jekt im Sinne der gegenständlichen Tä­tigkeit handhaben.

Das Lernen am Erfolg, das auch auf dieser Tätigkeitsstufe wichtig ist, wird also vorbereitet und unterstützt durch das Imitations-Lernen oder Lernen am Modell.

Mit der gegenständlichen Tätigkeit er­halten die Objekte, die mit den Objek­ten verbundenen Aktionen sowie deren Akteure, Formen und Ergebnisse eine spezifische Bedeutung für das Kind. Diese Bedeutung ist zugleich auch Er­gebnis kulturell tradierter, vergesell­schafteter und somit sozial standardi­sierter Erfahrungen.

Bedeutungsinhalte, die sozial eindeutig festgelegt sind, lassen sich von Men­schen der gleichen Lebens- und Erfah­rungsräume encodieren, also in symbo­lischer Form verschlüsseln. Der grund­

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVII, Heft 4, 1991