Marcus Hasselhorn& Claudia Mähler*
Lernkompetenzförderung bei„„lernbehinderten‘ Kindern
gen und eine inflexible Handlungsausführung und(d) die mangelnde Beherrschung oder das Fehlen basaler Fertigkeiten(vgl. Lauth, 1988, S. 10 f.). Problemlösefertigkeiten bei retardierten Kindern. In Anlehnung an Dörner(1976) geht Lauth davon aus, daß der Handelnde zum Problemlösen als einer Form erfolgreichen Handelns zwei Instanzen benötigt, eine zur Informationsspeicherung(epistemische oder Wissensstruktur) und eine zur Informationsverarbeitung(heuristische oder Problemlösestruktur). In der epistemischen Struktur sind das Wissen über den Realitätsbereich des Problems und Kenntnisse über geeignete Lösungsmöglichkeiten repräsentiert, während die heuristische Struktur einer„Verfahrensbibliothek“(Lauth, 1988, S. 33) gleicht, die Konstruktionsverfahren(Heurismen) für die Entwicklung von Handlungsplänen enthält. Darüber hinaus wird die Bedeutung der Fähigkeit des einzelnen zur metakognitiven Vermittlung seines Handelns herausgestellt. In ähnlicher Weise wie Brown& Palincsar(1987, im Druck) greift Lauth(1987, S. 275; 1988, S. 34) damit auf das Konzept der Metakognition zurück und versteht darunter zum einen die„Bewußtheit der eigenen kognitiven Fähigkeiten und Prozesse“ und zum anderen die„Kontrolle und Steuerung der eigenen kognitiven Tätigkeit“. Ausgehend von diesen kognitionspsychologischen Modellen kommt Lauth (1988) zu folgender Beschreibung prävalenter Verhaltensdefizite retardierter Kinder bei der Bewältigung kognitiver und sozialer Probleme:
a. Retardierte weisen Defizite im Bereich metakognitiver Verhaltenssteuerung(z.B. Zeitplanung, Prüfprozesse) und Strategiebefolgung auf.
b. Retardierte sind gegenüber anderen Kindern weniger gut in der Lage, den Lernsituationen verallgemeinerbare Informationen und Erfahrungen zu entnehmen, die für einen Transfer in andere Kontexte bedeutungsvoll sind(mangelndes Generalisierungsvermögen).
c. Retardierte beherrschen auch einfache Basisfertigkeiten nur mangelhaft oder gar nicht.
d. Retardierte verfügen nicht über aus
reichende bereichsspezifische Vorkenntnisse, um ein Problem richtig einordnen und geeignete Lösungswege aufsuchen zu können.
e. Retardierte nehmen aufgrund permanenter Mißerfolgserlebnisse eine negative emotionale Besetzung von kognitivintellektuellen Handlungen vor; dies führt zur Vermeidung von Lernanforderungen, was den Abbau der für das Leistungsversagen verantwortlichen Defizite behindert.
Verbale Selbstinstruktion. Instruktionsmethodische Grundlage des zum Abbau der beschriebenen Defizite entwickelten Interventionsprogrammes von Lauth stellt die von Meichenbaum& Goodman (1971) eingeführte Methode der verbalen Selbstinstruktion dar. Sie enthält drei Vermittlungselemente:(a) das kognitive Modellieren,(b) die Anleitung zur verbalen Handlungsregulation und (c) die Bearbeitung divergenter Anforderungen innerhalb des Trainingsablaufs (vgl. Lauth, 1987, S. 276).
Praktische Vorgehensweise
Aus dem Mehrebenenansatz zur Erklärung defizitärer Problemlösefertigkeiten retardierter Kinder folgert Lauth(1987), daß auch Interventionsmaßnahmen auf verschiedenen Ebenen ansetzen müssen. Er bezeichnet sein Trainingskonzept als integriertes‘Vermittlungsmodell, bei dem den Kindern sowohl bereichsspezifisches Wissen und prinzipielle Basisfertigkeiten als auch metakognitive Steuerund Kontrollfertigkeiten vermittelt werden sollen. Darüber hinaus ist die Veränderung der emotional negativen Besetzung von Problemlöseaufgaben im Sinne einer„positiven Attribuierung‘ wichtiger Bestandteil. Im einzelnen strebt das Programm folgende Ziele an(vgl. Lauth, 1988, 5. 29):
a. Es soll eine allgemeine Problemlösestrategie vermittelt werden.
b. Die Kinder sollen Steuerungs- und Kontrollfertigkeiten zur selbständigen Anwendung der Problemlösestrategie erwerben.
c. Metakognitive Regulationsmechanis
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVI, Heft 1, 1990
men der Reflexivität und Flexibilität sollen gefördert werden.
d. Affektive Bewältigungsaussagen und positive Attribuierungen sollen vermittelt werden.
Die Realisierung dieser Ziele wird über die Methode der verbalen Selbstinstruktion in einem fünfstufigen Prozeß angestrebt. Im ersten Schritt demonstriert der Trainer den Verlauf eines Problemlösevorganges und geht dabei folgenden Weg(vgl. Lauth, 1988, S.43):(a) Er fragt sich, was er tun soll(Problemdefinition),(b) er beantwortet sich seine Frage und malt sich ein mögliches Vorgehen aus(Annäherung an das Problem), (c) er nennt Strategien zur Angst- und Frustrationsminderung(affektives Bewältigungsverhalten),(d) er kommentiert seinen Lösungsweg(inhaltsspezifische Lösungsschritte),(e) er prüft die Richtigkeit des Lösungsweges und des Ergebnisss(Prüfprozesse) und(f) lobt sich schließlich selbst dafür(Kompetenzzuschreibung). Anschließend sollen die Kinder die gleiche Vorgehensweise übernehmen. Anfänglich wird dabei ihr Verhalten durch die verbalen Äußerungen des Trainers extern gesteuert(2. Schritt), später regulieren sie ihr Verhalten selbst (bei Gruppentraining auch gegenseitig) durch laute(3. Schritt), leise(4. Schritt) und schließlich verdeckte, nur noch innere Selbstinstruktion(5. Schritt).
Um den Transfer der vermittelten Fertigkeiten in Alltagskontexte zu unter-. stützen, werden die Kinder im Trainingsverlauf mit divergenten Anforderungen konfrontiert, anhand derer die Bedeutung allgemeiner, situationsübergreifender Vorgehensweisen herausgearbeitet wird. Zusätzlich diskutiert der Trainer mit den Kindern über Gemeinsamkeiten von Trainings- und Alltagssituationen und über die Übertragbarkeit des Gelernten. Die Anforderungen an die Kinder werden im Verlauf des Trainings nach und nach komplexer und erfordern zunehmende Eigenständigkeit, wobei die vermittelten Problemlösefertigkeiten stets beibehalten werden.
Das Training findet in Gruppen zu drei bis vier Kindern oder als Einzeltraining statt und umfaßt insgesamt acht Sitzungen von jeweils 30—60 Minuten Dauer.
9