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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Spezifische Indikation von Psychomotorischer Ubungsbehandlung

Von Maria Ippen und Ursula Hebborn-Brass

Die gesamte Klientel eines heilpädagogisch-psycho­therapeutischen Kinderheimes(n= 238, 19681987) wird hinsichtlich der psychomotorischen Behand­lungsmaßnahmen untersucht. Die Ergebnisse zeigen, daß entwicklungsabhängige und autistische Störun­gen sowie Teilleistungsschwächen und ZNS-Störun­gen spezifische Indikatoren für Psychomotorische Übungsbehandlung darstellen. Alter und Geschlecht wurden als intervenierende Variablen kontrolliert. Dabei konnte ein zusätzlicher Alterseffekt aufgewie­sen werden.

Die Ergebnisse werden im Hinblick auf die in der Fachliteratur beschriebenen Indikationsrichtlinien für psychomotorische Therapie diskutiert.

The whole clientele of a therapeutic home for chil­dren(n= 238, 19681987) is examined in regard to the psychomotoric treatment.

The results show that developmental retardations, autistic syndroms, learning disabilities and cerebral dysfunctions can be seen as specific indicators for this treatment. Age and sex are controlled being in­tervening variables. An additional effect of age could be found.

The findings were discussed regarding the indication rules for mototherapy as described in relevant litera­ture,

Einleitung

Der Begriff der Psychomotorischen Übungsbehandlung wurde maßgeblich von Kiphard Ende der 50er Jahre ent­wickelt und setzte sich im deutschspra­chigen Raum vor allem in der Heilpäd­agogik und der Kinderpsychiatrie durch. Kiphard(1976) bezeichnete sie als kli­nisch-heilpädagogische Arbeitsweise für entwicklungsgestörte Kinder und setzte sie mitpsychomotorischer Therapie gleich.

Mit dem Begriff Psychomotorik soll der enge, wechselseitige Zusammenhang von motorischen und psychischen Funktio­nen aufgezeigt werden. Psychomotorik wird verstandenals Funktionseinheit von Wahrnehmen, Erleben, Denken und Handeln, als Zusammenwirken von Mo­tivation, stato- und handlungsmotori­scher Koordinationsfähigkeit, mit emo­tionaler und kognitiver Steuerung(Gris­semann, S. 303, 1982).

Vom entwicklungspsy chologischen Aspekt her gesehen, nimmt die Motorik

eine Schlüsselstellung in der menschli­chen Entwicklung ein. Piaget bezeichnet den ersten Entwicklungsabschnitt(bis zweites Lebensjahr) der Intelligenz des Kindes als das Stadium der sensomotori­schen Intelligenz, welche sich in zuneh­mender Erweiterung und Verbindung einfacher motorischer Reaktionen und ihrer Koordination mit verschiedenen Wahrnehmungseindrücken ausbildet (Piaget, 1969). Eine Störung oder Be­hinderung der körperlichen Entwicklung wirkt sich in vielen Fällen auf die intel­lektuelle und/oder Sprach-Entwicklung und nicht zuletzt auf das Selbstwertge­fühl aus. Ein durch mangelhafte Moto­rik verunsichertes Kind, das nichts Neues wagt, kann in seiner eigenen motori­schen Entwicklung und in der Bewälti­gung seiner Umwelt gehemmt werden (Rieder, 1971; Sander, 1981; Janko, 1985).

Aus der unterschiedlichen Betonung der Verflochtenheit von Erleben und Ver­halten heraus entwickelten sich verschie ­dene Ansätze der psyclıomotorischen

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVI, Heft 1, 1990

Behandlung mit sehr unterschiedlichen Ansprüchen. Sie reichten von rein sym­ptomorientierter motorischer Förderung über die Annahme von Auswirkungen der Bewegungsübungen auch auf andere Entwicklungsbereiche Klauer(1975) wies z.B. nach, daß sich psychomotori­sche Förderung auf die kognitive Ent­wicklung bei Kindern auswirkt bis hin zum Verständnis von Bewegung als Me­dium, mit der die Persönlichkeitsent­wicklung allgemein gefördert werden soll(Decker, 1972; Grissemann, 1982).

Die bereits bestehenden Unklarheiten in den Begriffsdefinitionen und das Dilem­ma der verschiedenen Ansätze vermoch­ten auch die sich in den 70er Jahren ent­wickelnden TerminiMotopädagogik undMototherapie, die den psychi­schen Aspekt eher vernachlässigten ‚nicht aufzulösen.Aufgabe der Motopädago­gik sei(es), den normalen motorischen Entwicklungsverlauf vorbeugend und ausgleichend zu unterstützen, während es Aufgabe der Mototherapie sein müsse, pathologische motorische Entwicklun­

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