Maria Ippen& Ursula Hebborn-Brass*
Spezifische Indikation von Psychomotorischer Übungsbehandlung
Tabelle 2: Häufigkeit der Psychomotorischen Übungsbehandlung bei unterschiedlichen Störungsdiagnosen(MAS-Achse 1).(Die Prozentangaben beziehen sich auf die jeweilige nach Hauptkategorie differenzierte Teilstichprobe; Gesamtstichprobe n= 237)
Hauptkategorie mit PÜ Behandelte Gesamt-N N%
Syndromgruppe 1:
Neurotisch-emotionale Spezifisch-emotionale.
Störungen Störungen(MAS 313) 56 25 45 Neurotische Störungen(MAS 300) 33 8 24 Sonstige 5 1
Syndromgruppe 2:
Entwicklungsabhängige Hyperkinetische
Störungen Syndrome(MAS 314) 40 27 68 Störungen nach Hirnschädigungen(MAS 310) 12 12 100 Sonstige 4 2
Syndromgruppe 3:
Dissoziale Störungen des Sozialver
Störungen haltens(MAS 312) 71 35 49
Syndromgruppe 4:
Autistische Schizoide Persönlich
Störungen keitsstörung(MAS 301.2) 12 7 58 Autismus Kanner(MAS 299) 4 4
ten bzw. 74% der Kinder mit multipler Teilleistungsschwäche erhielten eine PÜ, von den Kindern ohne Teilleistungsschwäche dagegen nur 27%.
Als weiterer möglicher differenzierender Faktor für eine PÜ wurde das Symptom „Störungen des Zentralnervensystems“‘ untersucht. Bei 44 Kindern(19%) der Heimstichprobe waren Anzeichen einer Hirnfunktionsstörung und/oder eine generalisierte Epilepsie festgestellt worden. Auch hier zeigten die Analysen einen signifikanten Zusammenhang mit PU. Kinder mit Störungen des ZNS waren mit 86% in der PÜ-Gruppe vertreten, Kinder ohne ZNS-Störungen nur zu 43%.
Kontrollanalysen
Die Kontrollvariablen(Geschlecht und Alter) kovariierten jeweils signifikant mit PU: 56% der Jungen wurden mit PÜ behandelt und nur 36% der Mädchen. Mit steigendem Aufnahmealter nahm
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die PÜ ab(rs=-0.260, n= 237, p< 0.1): in der Gruppe der Jüngsten wurden 64% mit PU behandelt, bei den 8— 10jährigen 58%, bei den über 10jährigen nur noch 36%.
Geschlecht und Alter kovariierten außerdem auch mit der Art der Störung(z.B. haben 62% der Jungen und nur 39% der Mädchen eine Teilleistungsschwäche; bei zunehmendem Alter werden Teilleistungsschwächen auch immer seltener diagnostiziert).
Daher stellte sich die Frage, ob die vorgefundenen bedeutsamen Zusammenhänge von PÜ und störungsbezogenen Variablen durch geschlechts- bzw. altersspezifische Effekte evtl.nur vorgetäuscht wurden.
Eine geschlechtsspezifische Behandlung konnte weder in bezug auf Störungsgruppe noch auf Teilleistungsschwäche noch auf Störungen des ZNS nachgewiesen werden. Der in der 2-dimensionalen Analyse vorgefundene bedeutsame Zusammenhang von PÜ und Geschlecht läßt sich eher durch die unterschiedli
HEILPÄDAGOGISCHE
che Verteilung von Jungen und Mädchen innerhalb der verschiedenen Syndromgruppen(bzw. bei Kindern mit und ohne Teilleistungsschwäche, mit und ohne ZNS-Störung) erklären.
Die Kontrollanalysen der verschiedenen Interaktionen unter Einbeziehung des Alters bestätigten alle vorgefundenen signifikanten Zusammenhänge zwischen PÜ und Störungsaspekten. Eine störungsbezogene PÜ-Behandlung kann also angenommen werden.
Bei den Kontrollanalysen der Interaktion zwischen PU und Alter unter Einbeziehung der Störungsaspekte bestätigt das Ergebnis den bereits vorgefundenen bedeutsamen Zusammenhang von PU und Alter sowohl wenn man das klinische Störungsbild einbezieht, als auch wenn man die Variable„Störungen des ZNS“ kontrolliert. Abb. 1 stellt auf der einen Seite die Bevorzugung der entwicklungsabhängigen und autistischen Störungen über alle Altersstufen hinweg dar, andererseits aber auch die Konzentration der Behandlung auf die jüngeren Kinder.
Auch in Abb.2 wird die Alters- und Störungsorientiertheit der PU-Behandlung deutlich sichtbar. Kinder mit Störungen des ZNS wurden— in jeder Altersstufe ansteigend— signifikant häufiger behandelt als Kinder ohne Störungen des ZNS, wobei sich in der letzten Gruppe der auch in Abb. 1 nachgewiesene Alterstrend wiederholte: je jünger das Kind desto häufiger wurde PÜ als heilpädagogische Maßnahme angewandt. Die Tatsache, daß sich im Gesamtergebnis der Trend der Gruppe 1(ohne Störungen des ZNS) durchsetzt, liegt an der unterschiedlichen Gruppengröße. Gruppe 1(ohne Störungen des ZNS) umfaßt ein n von 193, Gruppe 2(mit Störungen des ZNS) ein n von 44.
Bei der Prüfung der Interaktion von PÜ und Alter unter Berücksichtigung der Teilleistungsschwäche ist allerdings kein signifikanter Zusammenhang mehr zwischen PÜ und Alter nachzuweisen. Dies zeigt, daß die dominierende Indikation das Vorliegen von Teilleistungsschwächen ist.
FORSCHUNG Band XVI, Heft 1, 1990