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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Verhaltensauffälligkeiten bei Vorschulkindern mit unterschiedlich schweren Sprech-, Sprach­und Kommunikationsstörungen

eine epidemiologische Studie

Von Toni Mayr

In einer epidemiologischen Studie an Kindergarten­kindern(N=501) wurde der Zusammenhang von Sprech-, Sprach- und Kommunikationsstörungen einerseits und Verhaltensauffälligkeiten andererseits untersucht. Drei Gruppen von Kindern mit unter­schiedlich schweren Sprech- und Sprachstörungen und eine Gruppe mit Kommunikationsstörungen (elektiver Mutismus, Stottern) und z.T. auch Sprech­und Sprachstörungen wurden im Hinblick auf acht Dimensionen der Verhaltensauffälligkeit mit einer un­auffälligen Kontrollgruppe verglichen. Die vier Grup­pen unterschieden sich signifikant auf den Skalen Auf­merksamkeitsstörung(1), Hyperaktivität(2), Grob­und Feinmotorische Störungen(3), Schüchternheit/ Gehemmtheit(4), Überempfindlichkeit(5) und Ab­hängigkeit(6). Das Risiko einer nichtsprachlichen Störung erwies sich als abhängig vom Auftreten einer kommunikativen Störung und von der Schwere der Sprech-Sprachbeeinträchtigung. Multivariat ließen sich etwa 16% der Varianz der Verhaltensauffällig­keitsskalen aus dem Merkmal Sprech-/Sprachauffäl­ligkeit erklären.

This study of kindergarten children(N=501) exam­ined the association between speech, language and communication disorders and behavior problems. Three groups of children with varying severe speech and language disorders, and one group with com­munication disorders(elective mutism, stuttering) and to some extent speech and language disorders were compared with a non-defective control group with regard to eight dimensions of problem behavior. The four groups differed significantly on the scales: attention problems(1), hyperactivity(2), gross and fine motor anomalies(3), social withdrawal/inhibi­tion(4), oversensitivity(5), and dependency(6). It was demonstrated that the risk of a behavior problem correlated with communication disorders and with the severity of speech/language disorders. Multivariate analysis indicates that about 16% of the variance of behavior problem scales can be explained by the variablespeech/language disorder.

Einleitung

Sprachliche Auffälligkeiten sind bei Kindern insbesondere im Vorschul­alter außerordentlich weit verbreitet. Die in verschiedenen epidemiologischen Untersuchungen im einzelnen ermittel­ten Prävalenzraten differieren dabei ab­hängig vor allem von der Art der Erfas­sung, der Stichprobengewinnung und der Enge bzw. Weite jeweils zugrundegeleg­ter Störungsdefinitionen z.T. ganz er­heblich: Prävalenzraten von 5% Sprech­

und Sprachstörungen(Bax& Hart 1976) oder 3,1% Sprachstörungen(Stevenson & Richman 1976) markieren eine Unter-, Raten von 29,9%(Heindorf et al. 1967) oder 27,4%(Schulze& Teumer 1973, 1974) eine Obergrenze für das Kinder­gartenalter. Eine neue, methodisch ver­gleichsweise anspruchsvolle kanadische Untersuchung an einer repräsentativen Stichprobe Sjähriger Kindergartenkinder (N=1655) von Beitchman et al.(1986 a) kommt auf eine Insgesamt-Prävalenz von 19%+ 2,8%(95% Konfidenzintervall)

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVI, Heft 1, 1990

mit folgender Aufschlüsselung: 6,4% Sprechstörungen, 8,04% Sprachstörun­gen und 4,56% Sprech- und Sprachstö­rungen. Die Rate der Vorschulkinder, die einer Sprachtherapie bedürfen, wird von Castell et al.(1980) bei 10%, von Teumer(1983) bei 15% angesiedelt.

Ausgehend von einschlägigen praktischen Erfahrungen im Umgang mit sprachge­störten Kindern begann sich die For­schung schon relativ früh mit der für die Klärung der Ätiologie, aber auch für eine optimale Gestaltung von Interventions­

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