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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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fisch gefördert wird(vgl. hierzu Zirn­bauer& Brandhuber 1986, 1987). An dem Modellversuch nehmen alle 70 Kin­dergärten der Stadt und des Landkreises Passau teil; 40 dieser Kindergärten und die 0.g. drei Sondergruppen stimmten einer Teilnahme an der wissenschaftli­chen Begleitung zu.

Stichprobe

In die Untersuchung einbezogen wurden über zwei Jahre hinweg einmal die Kinder(N=371) im Alter von 5 und 6 Jahren, die im sprachlichen Bereich in irgendeiner Weise auffällig waren(An­fangsbeobachtung durch die Gruppen­erzieherin, Diagnose durch Sprachheil­lehrer), zum anderen eine nach Zufall ausgewählte Gruppe(N=522) gleich­altriger, aber sprachlich unauffälliger Kinder. Von den sprachauffälligen Kin­dern besuchten 350(94,3%) den Kin­dergarten, 21(5,7%) eine der drei oben erwähnten Sprachheilgruppen. Um ein, was die Stufen des Faktors ‚Sprachauf­fälligkeit betrifft, zumindest in etwa balanciertes Design zu gewährleisten (vgl. hierzu näher die Ausführungen im nächsten Abschnitt), wurde aus der sprachunauffälligen Gruppe nach Zufall eine kleinere Teilstichprobe(N=130) gezogen. Die Gesamtstichprobe bestand so insgesamt aus 501 Kindern, davon wa­ren 319(63,7%) Jungen und 182(36,3%) Mädchen.

Methode

Der Bereich ‚Verhaltensauffälligkeit wur­de mit Hilfe einer von Götz(1985) für den Einsatz im Kindergarten aufbereite­ten Version des in der Münchner Pädia­trischen Längsschnittstudie(MPL) ent­standenen Elternfragebogens(Ludwig 1985) erfaßt. Das Instrument umfaßt insgesamt 42 beobachtungsnahe Items; es mißt 8 Konstrukte: ‚Aggressivität(in der Peer-Gruppe), ‚Aggressive Unange­paßtheit(im Verhalten gegenüber der Erzieherin), ‚Schüchternheit/Gehemmt­heit, ‚Aufmerksamkeitsstörungen, ‚Hy­peraktivität(i.S. des sog. Hyperaktiven

Toni Mayr*

Syndroms mit den beiden Teilaspekten Aufmerksamkeitsstörungen(a) und mo­torische Hyperaktivität(b)), ‚Überemp­findlichkeit und ‚Abhängigkeit. Die Skala ‚Aufmerksamkeitsstörungen stellt dabei insofern eine Teilskala der Hyper­aktivitätsskala dar, als ihre Items auch in die Messung des zweiten Konstrukts ein­gehen. Im Rahmen einer Kreuzvalidie­rung(N=1141) konnte(vgl. Mayr 1990) die Faktorenstruktur der Experimental­version auch für den reduzierten Item­satz der Endform erfolgreich repliziert werden(65% erklärte Varianz).

Die sprachauffälligen Kinder wurden im Rahmen eines gestuften Screeningsy­stems(Anfangsbeobachtung durch die Gruppenerzieherin, Diagnose durch Sprachheillehrer) erfaßt. Aufgrund die­ser Überprüfung wurde dann über die Aufnahme in die sprachtherapeutische Betreuung entschieden. Für den gesam­ten Bereich des Modellversuchs(4459 Kinder) wurde mit Hilfe des skizzierten Erfassungssystems eine Prävalenzrate sprachlicher Auffälligkeiten von insge­samt etwa 15% ermittelt(Mayr 1990); davon wurden etwa 8% in die ambulante Behandlung einbezogen.

Die Erfassung der sprachlichen Auffällig­keiten erfolgte, vergleichbar dem Vorge­hen in anderen epidemiologischen Stu­dien und nicht zuletzt auch wegen des Fehlens eines allseits akzeptierten Klas­sifikationssystems(vgl. z.B. Amorosa 1984 und Grohnfeld 1982) deskriptiv­phänomenologisch, d.h. symptombezo­gen, orientierte sich also nicht an kom­plexen Syndromen oder pathogenetisch definierten Krankheitsbildern. Die Dia­gnosen der Sprachheillehrer wurden nach einem Schema mit insgesamt 7 Störungs­kategorien Artikulations- bzw. Sprech­störungen, Sprachstörungen(im engeren Sinn von language disorders), Stottern (ohne Entwicklungsstottern), Poltern, Näseln, Stimmstörungen und mutisti­sches Verhalten geordnet. Ein 6-stufi­ges Rating der Ausprägung sollte zusätz­liche Informationen über den Schwere­grad jeder Symptomatik erbringen.

Für die Überprüfung der These, daß das Auftreten von Verhaltensauffälligkeiten speziell auch von der Schwere der Sprech­Sprachbeeinträchtigung ahhängt, war es

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVI, Heft 1, 1990

Verhaltensauffälligkeiten bei Vorschulkindern

notwendig, die sprachauffälligen Kinder nach unterschiedlichem Schweregrad der Symptomatik zu unterscheiden und entsprechende Teilgruppen für Einzel­vergleiche zu bilden. Zunächst wurde unter vorläufiger Ausklammerung all der Kinder, bei denen eine kommunika­tive Störung(Stottern oder mutistisches Verhalten) allein oder zusammen mit an­deren sprachlichen Auffälligkeiten vor­lag durch Aufsummierung der Einzel­scores für jede Person ein Gesamtwert als Indikator für die Schwere der Sprach­auffälligkeit(SA) insgesamt gebildet. Nach der Höhe dieses Gesamtscores wurden drei vom Umfang her in etwa vergleichbare Subgruppen unterschie­den: Kinder mit leichteren(SA-1), mitt­leren(SA-2) und schwereren Auffällig­keiten(SA-3). Aus Gründen der inhalt­lichen Klarheit und besseren Interpre­tierbarkeit der Ergebnisse wurden die zunächst ausgeklammerten Kinder mit Kommunikationsstörungen dann zu ei­ner vierten(wesentlich kleineren) Sub­gruppe(SA-4) zusammengefaßt; eine fünfte Gruppe(SA-0) bestand aus sprach­lich unauffälligen Kindern.

Für die statistische Analyse wurde ein varianzanalytisches Design mit den Ver­haltensauffälligkeitsskalen als Abhängi­gen Variablen und dem Merkmal ‚Sprach­auffälligkeit als erstem, S-stufigem Fak­tor(SA) gewählt. Da sowohl bestimmte Verhaltensauffälligkeiten(vgl. z.B. An­derson 1983 und Campbell 1983) als auch das Auftreten von Sprachstörun­gen(vgl. z.B. Franke 1983, 1985; Mayr 1990) in Abhängigkeit vom Geschlecht der Kinder variieren, schien es sinnvoll, das Geschlecht als zweiten Faktor(G) in das Design aufzunehmen. Aufgrund der natürlichen Korrelation zwischen den Faktoren und der dadurch bedingten un­gleichen Zellbesetzungen war eine unab­hängige Schätzung der Haupt- und Wech­selwirkungseffekte nicht möglich. In der einschlägigen Literatur sind(vgl. z.B. Overall& Klett 1972, 441 ff.) für diesen Fall verschiedene Möglichkeiten des Vor­gehens beschrieben. Wir entschieden uns für eine regressionsanalytische Berech­nung aller Effekte nach dem Allgemeinen Linearen Modell; dabei wird jeder Effekt gegenüber allen anderen Effekten ange­

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