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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Toni Mayr

- Verhaltensauffälligkeiten bei Vorschulkindern

Tabelle 4: Dıskriminanzanalyse

Diskriminierende Variablen Diskriminanz­

funktion Motorische Auffälligkeit.91 Hyperaktivität.80 Schüchternheit/Gehemmtheit.49 Überempfindlichkeit;39 Abhängigkeit ‚34 Aggressive Unangepaßtheit.34 Aggressivität 23

UVs: Verhaltensauffälligkeitsskalen

AV: Sprachauffälligkeit(SA-0, SA-3)

Strukturmatrix(gepoolte within-groups-Kor­relationen zwischen den diskriminierenden Va­riablen und der Diskriminanzfunktion

Gruppen signifikant(Lambda=.832; Chi-Quadr.= 38.792; df= 3; p<.00005; CR= 410); Tabelle 4 informiert über die Beziehungen zwischen den einzelnen Verhaltensauffälligkeitsskaien und der Diskriminanzfunktion.

Aufschluß über das Diskriminanzpoten­tial des Faktors gibt für die Popula­tion der multivariate Omega-Quadrat­Wert. Für den Diskriminanzfaktor errech­net sich ein Omega-Quadrat von.1637, d.h., daß etwa 16% der Varianz des Dis­kriminanzfaktors durch das Merkmal ‚Sprachauffälligkeit in dem hier defi­nierten Sinn(SA-0, SA-3) erklärt wird. Zieht man zur Abschätzung der Rele­vanz des Effekts in Anschluß an den Vorschlag von Witte(1980, 105) die Grenze bei einem kritischen Eta-Qua­drat-Wert von.10, so ist der hier gefun­dene Zusammenhang zwischen Sprach­und Verhaltensauffälligkeiten als zwar nicht sehr stark, aber doch praktisch be­deutsam einzustufen.

Diskussion

Für die Erörterung der Ergebnisse ist zunächst festzuhalten, daß die Asso­ziation von Sprach- und Verhaltensauf­fälligkeiten auch bei der hier untersuch­ten Stichprobe von Kindern mit leichte­ren Sprach-, Sprech- und Kommunika­tionsstörungen grundsätzlich bestätigt werden konnte. Dabei bietet sich bei den einzelnen Subgruppen ein durchaus differenziertes Bild. Am wenigsten über­

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rascht zunächst der aufgewiesene Zusam­menhang bei den Klienten mit kommu­nikativen und, teilweise, auch sprachli­chen Problemen, weil Stottern und Mutis­mus ja traditionell als neurotische oder zumindest neurosenahe Störungsbilder klassifiziert werden(vgl. hierzu z.B. Fiedler& Standop 1978, 39 ff. und Les­ser-Katz 1986). Gleichwohl ist die Ver­haltensauffälligkeit gerade dieser Gruppe vor allem wegen der Heterogenität der dort angetroffenen Sympiomatik theo­retisch nur schwer interpretierbar. Was die Kinder, die allein sprachliche Stö­rungen im engeren Sinn aufweisen, be­trifft, konnte nur für die Gruppe der am schwersten Sprachauffälligen auch eine praktisch relevante Beziehung zu Ver­haltensauffälligkeiten nachgewiesen wer­den. Die Tatsache, daß dieser Zusammen­hang, ähnlich wie schon in der vergleich­baren Studie von Lindholm& Touliatos (1979), schwächer ausfällt als bei Unter­suchungen an extrem sprachbehinderten Kindern, z.B. von Ingram(1959) oder Amorosa et al.(1986b), deutet aber ebenso wie die Unterschiede zwischen den hier verglichenen Subgruppen darauf hin, daß die Enge dieses Zusammenhangs offensichtlich vom Grad der sprachli­chen Behinderungen abhängt: Das Risiko einer Verhaltens- oder psychiatrischen Auffälligkeit scheint zumindest inner­halb eines gewissen Schwereintervalls mit wachsender Ausprägung der Sprach­bzw. Sprechstörung anzusteigen. Aus­nahmen scheinen eventuell auch als Folge von Boden- oder Deckeneffekten im unteren oder, wie die Ergebnisse von Amorosa et al.(1986b) zeigen, auch oberen Extrembereich möglich. Die Re­sultate belegen somit, daß die Forderung Amorosas(1984), wonach bei der Dia­gnose und Klassifikation sprachlicher Auffälligkeiten grundsätzlich auch der Bereich Verhaltensauffälligkeit einzube­ziehen sei, auch für den Bereich präven­tiver Ansätze ihre Berechtigung hat.

Theoretisch muß dabei weiter offen blei­ben, inwieweitSchwere(der Sprach­behinderung) in diesem Zusammenhang rein als quantitative Dimension wirksam ist oder ob, wie die Ausführungen von Wylie et al.(1969) oder Baker et al.(1980) dies zumindest nahelegeıu, die Erhöhung

des psychiatrischen Risikos qualitativ an das zusätzliche(zu Artikulationsstörun­gen) Auftreten speziell von Sprachstö­rungen gekoppelt ist. Demgegenüber ist aber darauf hinzuweisen, daß die Aus­prägung zumindest einiger nichtsprach­licher Auffälligkeiten auch mit der Schwere allein von Artikulationsstörun­gen(positiv) kovariiert(vgl. z. B. Castell et al. 1980). Was die qualitative Eigenart der mit Sprach- und Sprechstörungen typi­scherweise einhergehenden nichtsprach­lichen Auffälligkeiten betrifft, stimmen die hier in einem epidemiologischen Rah­men gewonnenen Erkenntnisse im we­sentlichen mit jenen Resultaten überein, wie sie von anderen Autoren aufgrund der Untersuchung von klinischen Stich­proben beschrieben werden: So berich­ten Rogner& Hoffelner(1981), Paul et al.(1983), Tent et al.(1984) und Amorosa et al.(1986 a) von motorischen Störungen bei sprachentwicklungsverzö­gerten Kindern, Castell et al.(1977, 1980) für eine nichtklinische Stichprobe von einer positiven Korrelation zwischen der Häufigkeit von Stammelfehlern und Retardierungen der Körperkoordination. Empirische Belege für die Assoziationen mit Aufmerksamkeitsstörungen und ei­ner hyperaktiven Symptomatik liefern Arbeiten von Ingram(1959), Cantwell et al.(1979), Lindholm& Touliatos(1979), Baker et al.(1980), Paul et al.(1983), Amorosa et al.(1986 b) und Beitchman et al.(1986 b). Die Beziehungen zu Auf­fälligkeiten im Sozialverhalten sind nicht nur quantitativ schwächer, sie sind in­haltlich auch vielfältiger. Bereits aus den älteren Arbeiten von Fitzsimons(1958), Ingram(1959) und Solomon(1961) geht hervor neuere Ergebnisse von Cantwell et al.(1979) und die Resultate der eige­nen Untersuchung bestätigen dies, daß bei Kindern mit Sprech- und Sprachstö­rungen grundsätzlich Symptome sowohl aus dem BereichConduct Disorders wie aus dem BereichPersonality Disor­ders beobachtet werden können, es also keine generelle Zuordnung zu nur einer bestimmten Symptomatik gibt. Dessen ungeachtet deuten die referierten Daten in Übereinstimmung mit den Resultaten von Ingram(1959), Wylie et al.(1965), Lindholm& Touliatos(1979), Amorosa

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVI, Heft 1, 1990