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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Die UNESCO setzt sonderpädagogische Akzente

Von Alois Bürli

Im nachfolgenden Text werden die für die UNESCO von Experten zusammengestellten Perspektiven und Empfehlungen im Bereich der internationalen Son­derpädagogik für die nächsten Jahre dargestellt.

Die Weltorganisation UNESCO hat vor kurzem zwei bemerkenswerte Beiträge zur internationalen Förderung und Ent­wicklung der Sonderpädagogik geleistet: Zum einen hat sie mit einer Umfrage bei den Mitgliedländern weltweit die aktu­elle Situation auf diesem Gebiet unter­sucht(UNESCO 1988) und damit die frühere Enquete von 1971 auf den neu­esten Stand gebracht. Zum andern hat sie 26 verschiedene Experten zu Beratun­gen nach Paris eingeladen(UNESCO 1988a), um Vorschläge für ihr mittelfri­stiges Aktionsprogramm 19901995 im Bereich Sonderpädagogik zu erhalten. Nachfolgend seien(vgl. auch Bürli 1990) die Perspektiven und Empfehlungen zu­sammengefaßt, welche die von der UNESCO beigezogenen Experten auf­grund ihrer Analyse der sonderpädago­gischen Entwicklungen der letzten zehn Jahre formulierten.

Allgemeine Prinzipien

Das Recht auf Bildung ist als Grund­recht jedes Menschen bereits feierlich anerkannt worden. Dementsprechend muß auch das Recht auf eine den be­sonderen Bedürfnissen und Bedingun­gen angepaßte Bildung jedes Kindes, welches auch immer seine Behinderun­gen sind, respektiert werden. Die Mittel, die für die Bildung zur Verfügung ge­stellt werden, müssen für alle Kinder rei­

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVI, Heft 1,

chen, seien sie behindert oder nicht. Be­hinderte Menschen haben ein Anrecht auf eine umfassende und kontinuierliche Schulung, die von der Früherfassung bis ins Erwachsenenalter reicht. Sie haben ferner Anrecht auf eine Bildung, die ihren Bedürfnissen entspricht und weni­ger von der Art ihrer Behinderung ab­hängig ist. Sie haben Anrecht auf eine gute Erziehung und Schulung, wobei sich die Qualität an folgenden Kriterien messen läßt: Teilhabe an Gruppenaktivi­täten, innerhalb derer sie etwas lernen und leisten können; Zunahme ihrer Au­tonomie im Rahmen des Erziehungs­systems; Mitbeteiligung an der Gestal­tung der Bildungsprogramme; Aufgeho­bensein in einem Erziehungsmilieu, wel­ches der Familie, der Umwelt und der Öffentlichkeit Rechnung trägt.

Das Erziehungssystem als Ganzes muß die Verantwortung für die Sonderschu­lung übernehmen. Wenn es gelingt, in­nerhalb des allgemeinen Schulsystems tatsächlich gute Lernbedingungen für behinderte Personen zu schaffen, dann ist auch der Weg frei für ideale Unter­richtsverhältnisse für alle Schüler. Beim gegenwärtigen Stand, auf welchem sich die meisten der Mitgliedstaaten der UNESCO zur Zeit befinden, scheint es jedoch nötig zu sein, die Sonderpädago­gik als abgrenzbare administrative Ein­heit innerhalb des allgemeinen Schul­systems auszuweisen, um Mittel und Unterstützung zu erhalten. Die Fach­leute, die auf diesem Gebiet arbeiten, müssen wachsam sein, damit Fragen der

1990

In the following paper, the perspectives and recom­mendations set up for UNESCO by experts on international special education will be presented for the next few years.

Sonderpädagogik bei Schulreformen nicht vergessen werden.

Die Früh- und Vorschulerziehung spielt eine entscheidende Rolle für die Ent­wicklungsförderung behinderter Kinder. Erziehung schließt alles ein, was den Kindern hilft, sich zu entwickeln; Früh­maßnahmen sind im wesentlichen erzie­herische Prozesse. Effiziente Früherzie­hung setzt auch, unter Berücksichtigung ihrer Kultur und ihres Umfeldes, eine direkte Unterstützung der Eltern voraus, denn sie spielen eine bedeutende Rolle in der Erziehung ihrer behinderten Kin­der. Damit die Arbeit der Fachleute ei­nen maximalen Wirkungsgrad erreicht, muß sie in die kontinuierliche Sorge der Eltern eingebettet sein.

Die Bildung darf mit dem Ende der Schulpflicht auch bei behinderten Men­schen nicht aufhören. Nach der vorschu­lischen und schulischen Erziehung muß der Berufsbildung und Erwachsenenbil­dung die nötige Aufmerksamkeit ge­schenkt werden.

Tendenzen und Hindernisse

Aus den Basisdokumenten schälten die Experten folgende Tendenzen heraus: Ein bemerkenswertes Anwachsen der rechtlichen Verankerung von Sonder­pädagogik ist erkennbar. Die Anzahl der Erziehungsministerien, welche die Ver­antwortung für die Sonderpädagogik übernehmen, nimmt zu. Sondereinrich­

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