Buchbesprechungen
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Auswirkungen des eingeschränkten Sehens auf das Lernen der Betroffenen noch vor vielen ungelösten Problemen steht.
Im Anhang finden sich ein umfangreiches Literaturverzeichnis und 24 sehr anschauliche farbige Bilder aus dem Unterricht von Sehbehinderten.
Prof. Dr. Dipl.-Psych. Richard G.E. Müller
Reiser, Helmut& Trescher, Hans-Georg (Hrsg.): Wer braucht Erziehung? Impulse der Psychoanalytischen Pädagogik. Festschrift für Aloys Weber. 233 Seiten. 1987. DM 28,00. Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz.
Nach den einleitenden Worten der Verfasser des vorliegenden Sammelbandes gilt als oberstes Ziel einer psychoanalytischen Pädagogik, ‚„„die Menschen, die dem Erziehungsprozeß unterworfen sind, zu befähigen, Subjekte dieses Vorgangs zu werden; der Erzieher wie der zu Erziehende gleichermaßen sollen in die Lage versetzt werden, die Antriebe und Bedingungen ihres eigenen Handelns zu erkennen, um sich als Subjekte verwirklichen zu können“.
Die Festschrift ist Aloys Weber(geb. 1921), Professor für Heilpädagogische Psychologie an der Universität Frankfurt, gewidmet. Der provokativ erscheinende Titel des Buches„Wer braucht Erziehung?‘ meint, daß zu allererst die Pädagogen(Selbst-)Erziehung brauchen, bevor sie sich anschicken, andere erziehen zu wollen. Viele Pädagogen benötigen„die Legitimierung von ‚Erziehung‘, um bewußte und unbewußte Regungen zu verwirklichen, die keinen fördernden Dialog anstreben, sondern Manipulation der Zöglinge*‘.
Am Beginn des Buches steht ein Interview mit Aloys Weber, das auf die neueren Ansätze der Psychoanalyse und deren Relevanz für die pädagogische Praxis hinweist.— Die ersten drei Artikel haben folgende Überschriften:(Regina Clos) „Wer braucht eine Monsterschule?‘‘, (Dieter Mattner)„Empathie ist nicht genug, Szenen aus dem Heimalltag‘‘ und (Marita Friedrich-Barthel) ‚Szenen in
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Musik und Bewegung‘. Es werden die Probleme geschildert, denen sich eine psychoanalytische Pädagogik der Arbeit an Institutionen gegenübersieht: in einer Sonderschule für Lernbehinderte(Clos), in einem Erziehungsheim(Mattner) und in der Hochschule(Friedrich-Barthel).— Die beiden nächsten Beiträge geben Beispiele psychoanalytischer Interpretation: (Christian Büttner) ,Pubertierende Riten. Beispiel: Horror- und Gewaltvideos‘‘ und (Thomas Ettl)„Keinen Vater, keine Mutter, kein Geld! Überlegungen zu einer Erzählung von Guy de Maupassant‘‘.— Die folgenden Beiträge von Ulrike Schurig („Aus der psychoanalytischen Arbeit mit einem zwangsneurotischen Jungen‘‘) und Urte Finger-Drescher(‚‚Trauma, Wiederholungszwang und projektive Identifizierung. Was wirkt heilend in der Psychoanalytischen Pädagogik‘) beschäftigen sich mit Behandlungskonzepten.— Wie eine psychoanalytische Technik entwikkelt werden kann, die der pädagogischen Praxis angemessen ist, wird in den letzten vier Beiträgen mit unterschiedlichen Konzepten aufgezeigt:(Manfred Gerspach)„Vom klassischen zum psychoanalytischen Paradigma in der Heilpädagogik‘‘,(Walter Lotz)„Vom interagierenden zum handelnden Erzieher. Überlegungen zur Tiefenhermeneutik pädagogischer Interaktion‘,(Helmut Reiser) „Beziehung und Technik in der psychoanalytisch orientierten themenzentrierten Gruppenarbeit‘,(Hans-Georg Trescher)„Selbstverständnis und Problembereiche der Psychoanalytischen Pädagogik‘‘.
Der Anhang enthält ein ausführliches Literaturverzeichnis und Daten zu den Autoren des Buches.
Prof. Dr. Dipl.-Psych. Richard G.E. Müller
Wöhrl, H.G, Klammer, W., Dijkstra, J.: Berufsfindung und Arbeitserprobung als berufswahlunterstützende und eignungsdiagnostische Maßnahme für behinderte Jugendliche. Abschlußbericht zum Projekt ‚Revision‘ Entwicklung und Erprobung von Aufgaben-, Beobachtungsund Beurteilungssystemen für div Berufsfindung/Arbeitserprobung in Berufs
bildungswerken‘. 1987, Bonn: Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.
Die Lektüre umfangreicher Forschungsund Projektberichte erweist sich oft als spröde, formale Darlegungen(wer tagte wo, wie oft, mit wem u.ä.) verstellen nur zu leicht den Blick auf bedeutsame Problemstellungen und weitreichende Ergebnisse. Daß die Erst-Berufswahl nicht nur für behinderte junge Menschen zu einem lebensgeschichtlichen Problem geworden ist, weiß jeder, der mit ihnen umgeht. Von einer echten Berufswahl können die meisten Jugendlichen seit Mitte der 70er Jahre nur träumen. Erst heute, Ende der 80er Jahre werden erstmals wieder mehr offene Ausbildungsplätze angeboten als Bewerber nachfragen. Erst damit kann, aber nur unter bestimmten Umständen(schulformspezifischen, regionalen, geschlechtsspezifischen), wieder von einer Wahl gesprochen werden.
Auf diese Problematik gehen die Autoren des Berichts nicht ein. Sie sprechen durchgängig von der Berufswahl und beziehen sich dabei auf eine theoretische Position innerhalb der„Berufswahltheorien‘, die problematisch, weil ausschließlich subjektbezogen ist. Berufswahl als Allokationsprozeß, als gesellschaftlich sozial verursachte Zuweisung, dieser Theorie wird nur geringe Bedeutung zugemessen.
Für eine eher größer werdende Gruppe junger Menschen wird es aber auch weiterhin keine freie Wahl auf dem sog. Markt der Ausbildungsplätze geben. Es handelt sich hierbei vor allem um die Absolventen von Sonderschulen, aber zunehmend auch um andere Jugendliche ohne(und mit) Hauptschulabschluß. Diese sind auf besondere Hilfen bei der ‚Berufsvorbereitung und Berufsfindung‘ angewiesen. Ein Instrument hierzu ist die„Berufsfindung/Arbeitserprobung in Berufsbildungswerken“‘. Hierfür geeignete, einheitliche und vergleichbare Verfahren zu entwickeln war Aufgabe des Projekts, das von der Stiftung Rehabilitation im Auftrag der Bundesanstalt für Arbeit und des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung durchgeführt wurde.
In den vorbereitenden Gesprächen und Erkundungen mit unterschiedlichen Fachleuten, bei den Analysen bisher verwendeter Materialien und Verfahren stellte sich heraus, daß diese bislang
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVI, Heft 1, 1990