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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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höchst unterschiedlich und die Ergeb­nisse nicht vergleichbar waren. Dies be­trifft sowohl die berufspädagogischen wie die psychologischen und arbeits­medizinischen Maßnahmen(Seite 30 ff.). Bislang, so die Autoren, ist auch die Ein­beziehung der jungen Menschen in ihren eigenen Berufsfindungsprozeß sehr un­vollständig:Die Sozialpädagogen und auch die Ärzte besprechen die Ergeb­nisse und Berichte nicht in allen Einrich­tungen mit den Teilnehmern(Seite 35). Daher nimmt es nicht Wunder, daß die Ergebnisse der Maßnahmen von BBW zu BBW beträchtlich differieren. Auffallend ist, daß die Autoren auch in diesem Ab­schnitt der Analyse das Problem der Be­rufsfindung sehr stark individualisieren, Schwierigkeiten sind immer Schwierig­keiten der Betroffenen, es ist das ‚,Pro­blem mangelnder Berufsreife und fehlen­der Ausbildungsfähigkeiten(Seite 27), mit denen sich die Teams während der Berufsfindung konfrontiert sehen(Sei­te 37), oder die ‚mangelnde Aufnahme-, Einsichts- und Kritikfähigkeit(Seite 47) der betroffenen jungen Menschen. Könn­ten es nicht auch falsche, unangemessene Methoden, Erwartungen und mangelnde Möglichkeiten der Institutionen sein? Für die Mitarbeiter des Projekts bestand nun die Aufgabe, die unterschiedliche zum Teil auch zu kritisierende Praxis zu verbessern und dabei zu vereinheitlichen. Mittel hierzu war die Ausarbeitung einer entsprechenden Konzeption sowie eines hierauf bezogenen Handbuchs mit den für notwendig gehaltenen Anleitungen und Materialien.(Auszüge hieraus sind dem Bericht im Anhang beigefügt.)

Ihre Bestandsaufnahme resumieren die Autoren mit dem Auftrag, einen Katalog vonMindestanforderungen*(Seite 51) zu erstellen. Wesentliche Elemente die­ser neuen Konzeption wollen dieFör­derung der individuellen Entscheidungs­fähigkeit(Seite 53) sein sowie die Be­rücksichtigung aller diagnostischer Ver­fahren in diesem Prozeß. Hierzu muß die Kooperation aller Beteiligten entschei­dend verbessert werden.

Im weiteren Verlauf entfalten die Auto­ren die theoretischen Grundlagen ihres Konzepts. Die gängigen Theorien zur Berufswahl werden referiert, ihre eigene Position verorten sie an der Theorie der rationalen individuellen Entscheidung, einer trotz der vorgenommenen Ein­schränkung bei den hier Betroffenen problematischen Sichtweise. Eine der

Einschränkungen, die Gefahr intellek­tueller Überforderung, sehen die Auto­ren auf den engen Bereich der Arbeitser­probung und Berufsfindung beschränkt, alle weiteren Einflußfaktoren werden nicht aufgenommen. Es besteht daher die Gefahr, daß nur der Anschein(beim Betroffenen) einer rationalen Wahl er­weckt wird, während in Wirklichkeit eine Allokation durchgeführt wird, in­dem die Wahl zwischen zwei noch ver­bleibenden Möglichkeiten die einzige Wahlmöglichkeit des Betroffenen ist.

Im Anschluß an die theoretischen Grund­legungen werden die theorieimmanenten Elemente der Konzeption, teilweise sehr ausführlich, entfaltet(z.B. zum Selbst­konzept, zur Fähigkeit von Informations­verarbeitung, zur integrierten, interdis­ziplinären und interventionsorientierten Diagnostik). Auch derGestaltung der be­rufspädagogischen Erprobung als exem­plarischen Lernprozeß(Seite 90) wid­men Wöhrl, Klammer und Dijkstra ebenso intensive Überlegungen. Dabei ist augenfällig, daß Bezüge zum schuli­schen berufsorientierenden Arbeitslehr­unterricht, beispielsweise dem Betriebs­praktikum, gänzlich fehlen(sie werden auch in der umfangreichen Literaturliste nicht erwähnt).

Im weiteren Teil der Arbeit geht es darum, die Benennung von Bausteinen und Ab­läufen zu präzisieren und zu den einzel­nen Bausteinen ein geeignetes Instru­mentarium zu erarbeiten(Seite 106). Die hierzu notwendigen Verfahren wer­den auf der Basis der in den einzelnen BBW erprobten und realisierten Modelle entwickelt. Deren Grundzüge- werden dargestellt, bevor im fünften Kapitel die Grundsätze, Bestandteile und Realisie­rungsformen der entwickelten Konzepte für Berufsfindungen und Arbeitserpro­bungen(Seite 116) entfaltet werden. Die Herstellung eines die Betroffenen optimal einbeziehenden und gleichzeitig die Vergleichbarkeit sichernden Verfah­rens war die Richtschnur der Vorgehens­weise der Projektmitarbeiter. Hierzu werden die Aufgaben der beteiligten Disziplinen ausführlich und meist prä­zise beschrieben, obgleich cs doch zu einigen Ungereimtheiten kommt, vor al­lem in.der Phase der berufswahlunterstüt­zenden Gruppenarbeit(vgl.. Seite 143), deren besondere Bedeutung mehrfach hervorgehoben wird, deren Verantwort­lichkeit jedoch drei Gruppen(Sozial­pädagogen, Psychologen und Berufs­

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVI, Heft 1, 1990

schullehrern) zugeschrieben wird. Dieses Problem ist wohl dem entsprechenden Problem in den Institutionen geschuldet und macht auf fehlende pädagogische Schwerpunkte dieser Phase nachhaltig aufmerksam.

Im folgenden Kapitel werden der Ablauf der Entwicklungsarbeiten und die dabei verwendeten Methoden dargestellt. Ein bedeutsames Element des Vorgehens war, daß schon während der Entwicklung neuer Verfahren, diese in der Praxis an­gewendet und erprobt, teilweise revi­diert wurden. Hierbei wurde Wert darauf gelegt, allen Beteiligten die gleiche Ent­scheidungsfähigkeit zuzugestehen, die innerhalb der Maßnahme den behinder­ten jungen Menschen zugestanden wer­den soll(Seite 167).

Im folgenden Abschnitt werden einzelne Materialien, die im begleitenden Hand­buch vorliegen(in stark verkleinerter, kaum noch lesbarer Form), wiedergege­ben. Soweit erkennbar, wird hier u.a. ein sehr stark verkürzter Projektbegriff verwendet, ein weiteres Indiz für die pädagogisch oft unbefriedigende Aus­richtung spezieller pädagogischer Maß­nahmen. Diese Sorge wird verstärkt, wenn bei einem weiteren Teil der Auf­gaben in der berufswahlunterstützenden Gruppenarbeit(auch hier handelt es sich im didaktisch-methodischen Sinn nicht um Gruppenarbeit!) mehrfach deutlich überfordernde Anforderungen gestellt werden. Die konkrete Kenntnis von Berufen ist beispielsweise bei Lern­behinderten sehr begrenzt(Baumgärt­ner). Es ist deshalb wenig hilfreich, nach sehr genauen Berufsvorstellungen zu fra­gen. Hier hätte eine Orientierung:an schu­lischem, berufsorientierendem Unter­richt, an der Arbeitslehre, didaktische und methodische Verbesserungen er­bringen können. Was sollen, um ein wei­teres Beispiel anzuführen, für Schülerin­nen und Schüler, diesehr schwach sind (geistigbehindert?), Informationsblätter über die Werkstatt für Behinderte?

In den abschließenden Kapiteln acht bis zehn wird auf die Erprobung und Eva­luation sowie die hieraus folgenden Er­kenntnisse und Empfehlungen einge­gangen. Die Evaluation war wegen der prozeßbegleitenden Veränderung in der Praxis methodisch schwierig, weil keine Vergleichsgruppe zur Verfügung steht. Deshalb beschränkte man sich auf In­terviews und Diskussionen, auf Fachta­gungen und Seminare mit allen Betrof­

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