Andreas Möckel
Zur Geschichte der Erziehung anfallskranker Kinder
kommen wäre, muß man sich eine Klärung der pädagogischen Fragen und damit eine Spezialisierung auf dem Gebiete der Erziehung epileptischer Kinder wünschen. Die Erzieher und Lehrer hatten auch schon vor der Nazizeit zu wenig Vertrauen in die Kraft der eigenen Beobachtung. Sie meldeten sich mit ihren Erfahrungen und Beobachtungen nicht zu Wort. Heute begleiten Erzieherinnen und Erzieher die Kinder oft vor und nach
Operationen. Situationsstudien zum Verlauf eines Klinikaufenthaltes aus der Sicht von Lehrerinnen oder Lehrern oder aus der Sicht anfallskranker Kinder selbst, sind noch zu selten.
Bedenkt man, daß die Medizin auf dem Gebiete der Epilepsie große Fortschritte erzielt und der Krankheit ihren alten Nimbus glücklicherweise genommen hat, läßt sich eine weitere Aufgabe für Erzieherinnen und Erzieher erkennen. Sie
müssen mithelfen, das Wissen über epileptische Krankheiten weiterzugehen, so daß alle anfallskranken Kinder, nicht nur die medikamentös gut eingestellten, so weit als möglich in allgemeinen Schulen unterrichtet werden können, ohne daß sie zu ihrem Schaden bevorzugt oder benachteiligt werden. Nur soweit ein Schulbesuch in öffentlichen Regelschulen nicht möglich sein sollte, sind Anstalten nötig.
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Anschrift des Verfassers:
Prof. Dr. Andreas Möckel Lehrstuhl Sonderpädagogik I
der Julius-Maximilians-Universität Wittelsbacherplatz 1
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