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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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müßten auch nach Schulbeginn beglei­tende förderdiagnostisch orientierte In­strumentarien zur Verfügung stehen, die erlauben, im Sinne eines adaptiven Un­terrichts Lernvoraussetzungen und un­terrichtliche Fördermaßnahmen in dif­ferenzierter Weise. zu verknüpfen. An­sätze hierzu, wie etwa das Kieler Ein­schulungsverfahren(Fröse, Mölders& Wallrodt 1986) und/oder das Mannhei­mer Schuleingangs-Diagnostikum(Jäger, Beetz, Erler& Walter 1976), sind noch verbesserungswürdig bzw. bedürfen noch der Akzeptanz und Bewährung auf brei­ter Basis.

Der zeitliche und organisatorische Rah­men für einen Defizitausgleich ist eng begrenzt, da mit den kompakten grund­legenden Lehrgängen frühzeitig(1. oder 2. Unterrichtswoche) begonnen werden muß, will man die Lehrplanziele unter den gegebenen Randbedingungen errei­chen. Andererseits verlangt gerade der frühe Lehrgangsbeginn relativ weit fort­geschrittene Lernvoraussetzungen. Unter diesen Zielsetzungen und Bedingungen des Anfangsunterrichts ist zu erwarten, daß leistungsschwache Schüler zwangs­läufig überfordert und leistungsstarke un­terfordert werden. Über- und Unterfor­derungen werden sich dann mit großer Wahrscheinlichkeit im Sinne eines Sche­reneffekts in den folgenden Schuljah­ren fortsetzen.

Die nachfolgende Erhebung konzentriert sich daher auf den tatsächlichen Lerner­folg von Leistungsrandgruppen am Ende des 1. Schuljahres. Es gilt zum einen fest­zuhalten, inwieweit die schwächsten Lei­stungen den Anforderungen des Lehr­plans für die 1. Jahrgangsstufe noch ge­recht werden, zum anderen, inwieweit die Bestleistungen über die Anforderun­gen des Lehrplans hinausgehen. Ferner ist zu bestimmen, wie groß die Differen­zen zwischen den Leistungsrandgruppen innerhalb und zwischen den Klassen sind und inwieweit sich Klasseneffekte auf das Leistungsvermögen der Gruppen auswirken. Darüber hinaus sind auch intraindividuelle Unterschiede in den drei Lernbereichen zu untersuchen.

Gerhard Treinies ­

Methode Erhebungsmaterial

Um für besonders leistungsstarke Schü­ler die Leistungsgrenzen ‚nach oben hin ausloten zu können, waren, über Grundleistungen(Anforderungen für die 1. Jahrgangsstufe) hinaus, auch höhere Leistungen zu berücksichti­gen, d.h. solche, die erst für spätere Schuljahre vorgesehen sind. Entspre­chende Aufgaben wurden aus den Lern­bereichen Lesen, Rechtschreiben und Mathematik nach Vorgaben des derzeit gültigen bayerischen Lehrplans zusam­mengestellt und von den Schülern am Ende des ersten Schuljahres bearbeitet. Im folgenden wird kommentiert, wie die einzelnen Aufgabengruppen ausge­wählt und angelegt wurden. Eine Auf­gabengruppe enthält meist sechs Items.

Lesen: Grundleistungen(GL). Die erste Aufgabengruppe umfaßte einfache, gut strukturierte Ganzwörter aus dem akti­ven Wortschatz, die mit Hilfe von Bil­dern durch Austausch eines Buchstabens (bzw. zweier Buchstaben) in ihrer Bedeu­tung zu verändern waren; hierdurch ent­standen wiederum einfache, den Kindern geläufige Ganzwörter.

Die zweite Aufgabengruppe verlangte, lückenhaft vorgegebene Wortschriftbil­der durch Einsetzen eines Buchstabens (bzw. zweier Buchstaben) zu ergänzen, wobei sich bedeutungsbekannte, ein­oder zweisilbige Wörter ergaben.

Die dritte Aufgabengruppe prüfte die Fähigkeit überschauenden Satz- bzw. Textlesens anhand kurzer Sätze, deren Bedeutung dem Verständnis von Schul­anfängern angemessen war. Die Leistung bestand hier in der richtigen Anordnung der Satzteile.

Die geforderten Kenntnisse und Opera­tionen des Wort-, Satz- und Textlesens stellenGrundleistungen dar, ohne die das vom bayerischen Lehrplan geforderte Richtziel nicht ausreichend zu erfüllen ist:Am Ende der ersten Jahrgangssstufe sollen die Schüler einen inhaltlich und sprachlich altersangemessenen Text in Druckschrift sinnerfassend lesen kön­nen(KMBI 20/1981, S. 554). Es wur­

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVI, Heft 3, 1990

Profile von Leistungsrandgruppen in der 1. Jahrgangsstufe

den damit einige keinesfalls alle(!) für die Erreichung des Richtziels erfor­derlichen Leistungen unter Beschrän­kung auf die durch die Testaufgaben geforderten Kenntnisse geprüft. Diese Einschränkung mindert jedoch nicht die Gültigkeit der vorausgehenden Fest­stellung und entspricht der Fragestel­lung der Erhebung.

Lesen: Höhere Leistungen(HL). Bei Auf­gabengruppe 4 hatten die Schüler nach dem stillen Lesen einer kurzen Geschich­te Fragen zu beantworten, die sich auf den Inhalt dieses Textes bezogen. Sie er­forderten genaue Informationsentnahme und inhaltlich distanzierte Beantwor­tung.

Aufgabengruppe 5 verlangte neben fort­geschrittener Lesefähigkeit bereits eine höhere Merk- und Verständnisleistung, um die erwünschte Sinnstrukturierung zu erfüllen. Hierzu waren Textüberschau, Distanzierung vom Gelesenen und Flexi­bilität beim Herstellen der Sinnzusam­menhänge notwendig.

Aufgabengruppe 6 ließ erkennen, ob die Aufforderung zur kritischen Auseinan­dersetzung mit dem Text richtig ver­standen und erfüllt wurde,

Damit entsprachen diese drei Aufgaben­gruppen den Anforderungen des Lehr­plans fürWeiterführendes Lesen(KMBlI 20/1981, S.557). Es ist zu erwarten, daß Kinder, die diese Aufgaben lösen, bereits einen höheren Grad an Lesefer­tigkeit und selbständiger Auseinander­setzung mit Texten erreicht haben, als es das Ziel der grundlegenden Leselehre im Sinne des Lehrplans ist. Der Einbezug von Zielen der weiterführenden Lese­lehre in das 1. Schuljahr vom Lehr­plan her möglich wäre für diese Schü­ler angemessen.

Rechtschreiben: Grundleistungen(GL). Um auch bei der Erfassung von Recht­schreibkenntnissen in allen beteiligten Klassen gleiche Ausgangsbedingungen zu gewährleisten, wurde auf gesprochene Wort-Diktate(mit möglicherweise un­terschiedlichen Artikulationshilfen der Lehrer) verzichtet und statt dessen durchgängig die Bild-Wort-Zuordnung gewählt.

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