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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Gerhard Treinies

Profile von Leistungsrandgruppen in der 1. Jahrgangsstufe

Die Klassenzugehörigkeit erwies sich hin­sichtlich der Leistungseinstufung als rela­tivierender Faktor. Mehr noch als in Ma­thematik wurde dies in den Lernberei­chen Lesen und Rechtschreiben deut­lich. Bedeutsame Unterschiede waren sowohl zwischen den B-Gruppen als auch zwischen den S-Gruppen der Klas­sen aufzufinden. Manche Klassen erreich­ten bei den höheren Leistungen(z.B. im Lesen) bessere Werte als andere in den Grundleistungen. Anhand der Leistungs­profile ist leicht auszumachen, daß häu­figer Schüler, die in ihrer Klasse zurGruppe zählen, in einer anderen Klasse der Mittelgruppe oder gar der S-Gruppe zugeordnet werden müßten.

Es zeigte sich ferner, daß Schulanfänger in der Regel in allen drei Lernbereichen zur gleichen Leistungsniveaugruppe ihrer Klasse gehören. Isolierte lernbereichs­spezifische Stärken oder Schwächen wa­ren signifikant unterfrequentiert. Das läßt vermuten, daß die überprüften Lei­stungen mit übergreifenden Persönlich­keitsmerkmalen wie allgemeine Intelli­

Literatur

genz, Ausdauer, Selbständigkeit, Arbeits­haltung oder Lernmotivation konfun­diert sind. Die Notwendigkeit einer ge­nerellen Förderung der Schulfähigkeit und Lernbereitschaft wird hiermit un­terstrichen.

Aufgrund der aufgezeigten Leistungsun­terschiede erscheint es geboten, neben geeigneten Formen klassenübergreifen­der, kriteriumsorientierter Leistungsbe­wertungen auch klassenübergreifende Förderungsmaßnahmen zu prüfen. Zu denken wäre hier etwa an abgewogene Modellierungen flexibler Differenzie­rung, bei der möglicherweise aus drei pa­rallel geführten ersten Klassen eine zeit­weise Zusammenlegung(annähernd) lei­stungshomogener Gruppen erfolgte. Die genauere Ausgestaltung beispielsweise über die Kooperation der beteiligten Lehrkräfte, der Lehrziele und-inhalte, des Lerntempos, der Durchlässigkeit der Schülerzuordnung etc. müßte über Schul­versuche abgeklärt werden. Auf Erfah­rungen mit flexibler Differenzierung in anderen Schulzweigen könnte zurückge­griffen und entsprechende Anpassungen

und Optimierungen für die Grundschule vorgenommen werden.

Eine bessere Förderung der Leistungs­randgruppen unter den gegebenen Rand­bedingungen scheint nur begrenzt mög­lich. In Betracht kämen vor allem

Weiterentwicklungen in der Schulein­gangsdiagnose(Schuleingangsdiagno­stika mit differenzierenden Unterska­len; kriteriumsorientierte Verfahren, die an den Lehrplänen des Erstunter­richts orientiert sind; vgl. Fröse et al., 1986, Koob, 1981),

Entwicklung lernwegbegleitender Pro­zeßdiagnosen(vgl. Rüdiger, 1979),

Maßnahmen zur Optimierung der klasseninternen(inneren) Differen­zierung, insbesondere die Bereitstel­lung von differenzierten Arbeitsma­terialen mit Nachhol- oder Stützfunk­tion für die Leistungsschwachen bzw. zur Begabtenförderung;

Verringerung der Klassenfrequenzen ( wofür in der vorliegenden Unter­suchung die Klasse 4 kein Beleg zu sein scheint!).

Amtsblatt des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kul­tus, Teil I, Sondernummer 20, ausgegeben in München 16. Juli 1981 (KMBI 20/1981).

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Anschrift des Verfassers:

Dr. Gerhard Treinies

Institut für Grundschulforschung der Universität Erlangen-Nürnberg Regensburger Str. 160

D-8500 Nürnberg 30

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XVI, Heft 3, 1990

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