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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Hannelore Grimm* Entwicklungsdysphasie kein einheitliches Konstrukt

Grimm& Schöler 1978, 1985), der in seinen Grundzügen kurz darzustellen ist.

Beschreibung des H-S-E-T

Mit dem Test werden auf der Morphem-, Wort-, Satz-, Äußerungs- und Textebene die morphologische, die syntaktische, die semantische und die interaktive Sprachkomponente über die folgenden 13 Untertests untersucht:

VS Verstehen grammatischer Struktur­formen.

Den Kindern werden Sätze unterschied­licher Komplexität(Passiv-, Kausativ- und Relativsatzstruktur, temporale Konjunk­tion) vorgesprochen, deren Inhalte sie mittels Spielobjekten darstellen sollen. Das Ziel ist, zu Aussagen über das er­worbene syntaktische Regelwissen zu kommen.

IS Imitation grammatischer Struktur­formen.

In Ergänzung zu VS haben die Kinder die Aufgabe, Sätze unterschiedlicher Kom­plexität unmittelbar nachzusprechen.

SB Satzbildung.

Nach dem Verstehen und der Imitation geht es bei diesem Untertest um die Pro­duktion. Hierfür sollen die Kinder aus vorgegebenen Wörtern grammatisch kor­rekte Sätze bilden. Beispiel: Hof lie­gen Hund.

TG Textgedächtnis.

Überprüft wird die Fähigkeit, einen sinn­vollen Text zu verstehen und zu repro­duzieren. Hierfür wird den Kindern in der Mitte der Testdurchführung ein Mär­chen vorgelesen, das dann am Schluß der Untersuchung wiedererzählt werden soll. Obgleich die Kinder die verwendeten Wörter kennen, ist ihnen das Märchen selbst doch fremd, da es indianischen Ursprungs ist.

KS Korrektur semantisch inkonsistenter Sätze.

Von den Kindern wird gefordert, vor­wiegend semantische Abweichungen in Sätzen zu erkennen und zu korrigieren; somit prüft dieser Untertest auf einer Operationsebene, die gewöhnlich als me­

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talinguistisch bezeichnet wird. Beispiel: Die Lehrerin stellt an die Kinder viele Freuden.

PS Plural-Singular-Bildung.

Zur Frage steht, ob der erkannte Be­deutungsunterschied zwischen Ein- und Mehrzahl regelhaft gekennzeichnet wer­den kann. Anhand von Bildmaterial sol­len die Kinder entweder die Pluralform einer vorgegebenen Singularform oder die Singularform aus einer vorgegebenen Pluralform bilden. Wie bei dem bekann­ten Berko-Test(1958) werden u.a. Kunst­wörter(Beispiele: Zawo, Krauern) ver­wendet, um die einfache Reproduktion isoliert gelernter Wörter zu kontrollie­ren. Denn es ist bekannt, daß Kinder schon viele Wörter im Plural kennen, be­vor sie in der Lage sind, mittels bestimm­ter Morpheme Singularformen regelhaft zu verändern.

AM Bildung von Ableitungsmorphemen.

Wiederum anhand von Bildmaterial und mittels Kunstwörtern sollen die Kinder Ableitungen aus einem vorgegebenen Verb bzw. Nomen vornehmen. Beispiel: falen Faler, Falerin, Falerei.

AD Adjektivableitung.

Auch bei diesem dritten morphologi­schen Untertest steht zur Frage, bis zu welchem Grad Kinder Regeln auf relativ hoher Abstraktionsebene produktiv an­zuwenden in der Lage sind. Hierfür wird verlangt, daß Nomen in Adjektive um­geformt werden, die dann wiederum in den Komparativ und den Superlativ ge­bracht werden müssen. Auch hierfür werden Bilder in Verbindung mit Kunst­wörtern verwendet. Beispiel: Eumel eumelig, eumeliger, am eumeligsten.

WF Wortfindung.

Zu jeweils drei vorgegebenen Wörtern sol­len die Kinder ein passendes viertes Wort finden(Beispiel: Korb Tüte Eimer; passend: Tasche, Sack usf.; nicht pas­send: Tablett, Schaufel usf.). Meßbar ge­macht werden soll, inwieweit ein Kind über paradigmatische Bedeutungsrelatio­nen verfügt. Ist es dem Kind möglich, unter Abstrahierung von den spezifi­schen Bedeutungen der vorgegebenen Wörter deren gemeinsamen Bedeutungs­

kern zu erkennen und auf dieser Grund­lage die logischen Relationen der Über­und Gleichordnung herzustellen und sprachlich auszudrücken?

BK Begriffsklassifikation.

Sechs definierten Inhaltsbereichen(Bei­spiele: Pflanzen, Tiere oder Lebensmit­tel) sollen entsprechende Bildkarten zu­geordnet werden. Untersucht wird der extensionale Bedeutungsaspekt, wobei zur Frage steht, auf welcher semantisch­kognitiven Strukturierungsebene Kinder zu operieren in der Lage sind.

BF Benennungsflexibilität.

Anhand von Bildmaterial sollen die Kin­der die passenden Anredeformen für ver­schiedene Personen in unterschiedlichen Personkontexten finden. Beispiel: Dieser Mann heißt Kurt Schneider. Wie sagt sein Sohn/ seine Frau /der Lehrer zu ihm? Die Fähigkeit soll überprüft werden, in­wieweit es gelingt, über verschiedene Formen der Anrede die Struktur inter­personaler Beziehungen zu markieren.

VN In-Beziehung-Setzung von verbaler und nonverbaler Information. Vorgesprochene Sätze unterschiedlichen emotionalen Gehalts sind von den Kin­dern Gesichtsbildern zuzuordnen. Für diese Aufgabe ist die Differenzierungs­fähigkeit erforderlich, wie jemand in ei­ner bestimmten Situation fühlt.

ER Enkodierung und Rekodierung gesetzter Intentionen.

Gleichbleibende inhaltliche Informatio­nen sind von den Kindern in Abhängig­keit von unterschiedlichen emotionalen Befindlichkeiten unterschiedlich zu ver­balisieren. Dafür werden dieselben Ge­sichtsbilder wie bei VN verwendet. Die Fähigkeit soll erfaßt werden, auf einen sprachlich vorgegebenen Inhalt unter Beachtung rollenspezifischer Merkmale sprachlich variabel zu reagieren.

Methodisches Vorgehen

Stichprobe. Die Stichprobe umfaßt 90 Kinder im Alter zwischen 4;3 und 12;7 Jahren, die als sprachgestört diagnosti­ziert waren. Die Kinder wurden in Son­

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XV, Heft 1, 1989