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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Hannelore Grimm& Sabine Weinert- Mütterliche Sprache und Sprachverarbeitung dysphasischer Kinder

der. In vergleichbarer Weise verwende­ten sie recht selten Sätze mit Verb- oder Subjekt-Endstellung und dafür häufig andere variable Wortordnungen, die in der Tabelle alsandere Sätze zusam­mengefaßt sind. Ja, die D-Mütter gebrau­chen sogar mehr dieseranderen Sätze. Hinzukommend gilt, daß sich die Sätze der Mütter der beiden Gruppen auch nicht in ihrer Komplexität und Länge unterscheiden. So ist Tabelle 6 zu ent­nehmen, daß die Sätze eine vergleichbare Anzahl von Konstituenten, d.h. lexika­lische Kategorien enthalten.

Besonders zu beachten bleibt auch, daß die mütterlichen Sätze mit dem Verb oder dem Subjekt an letzter Position si­gnifikant kürzer als dieanderen Sätze sind. Hier liegt eine klare Korrespondenz zu den entsprechenden Sätzen der Kon­trollkinder vor und ein ebenso deutlicher Unterschied zu den entsprechenden Sät­zen der dysphasischen Kinder(vgl. hier­zu: Tabellen 3 und 4). Dies zeigt, daß die D-Mütter nicht solche Sätze produ­zieren, die den dysphasischen Kindern ihre abweichenden Sprachformen nahe­legen.

Auch die zweite Hypothese konnte durch die Daten nicht bestätigt werden.

Die Befunde, die in der Tabelle 7 zusam­mengestellt sind, lassen keinen Zweifel daran, daß die Mütter in vergleichbarer Weise von den unterschiedenen Sprach­lehrstrategien Gebrauch machten. Sie imitierten, korrigierten und transformier­ten die unmittelbar zuvor produzierten kindlichen Äußerungen vergleichbar häu­fig(Tabelle 7, I), und es besteht auch kein Unterschied in dem Ausmaß, in dem sie Selbstwiederholungen und-extensio­nen vornahmen(Tabelle 7, II). Zusammengefaßt ist also festzustellen, daß das syntaktische Defizit der acht dysphasischen Kinder dieser Untersu­chung nicht auf eine mangelhafte struk­turelle Qualität der mütterlichen Spra­che zurückgeführt werden kann.

Unterscheiden sich die kindlichen Sprachverarbeitungsstrategien?

Für die Beantwortung dieser Frage wol­len wir drei Hauptbefunde herausstellen.

Tabelle 5: Differenzierung der von den Müttern gebrauchten Sätze(Absolutzahlen; Mittelwerte

und Bereich)?

U-Test (Mann-Whitney, D-Mütter N-Mütter zweiseitig) Aussagesätze mit Verb/Subjekt- 2.25 9,63 ns Endstellung(2- 14)(3- 14) andere 76.00 61.75 p<.05 Aussagesätze(62- 86)(41- 79) Fragen und Nebensätze mit 12.75 15.75 ns Verb/Subjekt-(9-14)(8-17) Endstellung a auf Korpussätze bezogen(M= 529). ns: nicht signifikant(p>.10). Tabelle 6: Durchschnittliche Anzahl der Konstituenten pro Aussagesatz (Mittelwerte und Bereich). D-Mütter N-Mütter

Verb/Subjekt- ns Endstellung X. 3.05

(2.33-4.14)(2.33-4.00)

'

ı)

|##|**

|]

' ı andere' ns) Sätze 4.89 22= 4.53

(4.61-5.08)(4.19-5.03)

Vergleich unabhängiger Stichproben: Mann-Whitney U-Test, zweiseitig. Vergleich abhängiger Stichproben: Wilcoxon-Test für Paardifferenzen, zweiseitig.

** p<.01. ns: nicht signifikant(p>.10).

Erstens. Die dysphasischen Kinder knüpf­ten formal in dem definierten Sinne sehr viel weniger häufig an die mütterlichen Äußerungen an als die Kontrollkinder. Im Durchschnitt stellten sie 37 mal(7% an der Gesamtäußerungszahl) solche forma­len Beziehungen her, wohingegen die Kontrollkinder im Durchschnitt 63(14%) formale Bezüge stifteten.

Zweitens. Wenn die dysphasischen Kin­der formal an die mütterliche Sprache anknüpften, so begnügten sie sich in den meisten Fällen damit, einzelne Wörter oder Phrasen zu wiederholen(vgl. hierzu die Kategorien A, B und C in Tabelle 8).

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XV, Heft 1, 1989

Drittens. Die sprachunauffälligen Kon­trollkinder nahmen signifikant häufiger größere Einheiten als nur einzelne Phra­sen aus der mütterlichen Sprache auf (Kategorien B und C in Tabelle 8). So imitierten beispielsweise alle Kontroll­kinder ganze Sätze, bei den dysphasi­schen Kindern versuchte dies indes nur ein Kind.

Die Aufnahme und Strukturveränderung größerer Satzeinheiten oder ganzer Sätze interpretieren wir im Sinne einer ganz­heitlichen Strategie der Sprachverarbei­tung, durch die aktiv und konstruktiv an der und über die Sprache gelernt wird.

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