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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Sabine Weinert et al.+ Was macht sprachgestörten Kindern das Textverstehen so schwer?

Tabelle 2:(a) Kohärente und inkohärente Version der Bauer-Geschichte.

"Bauer- Geschichte kohärentBauer- Geschichte inkohärent

1. Es war einmal ein alter Bauer, 1. Es war einmal ein alter Bauer,

2. der hat einen schlimmen Esel gehabt. 2. der hat einen schlimmen Esel gehabt

3. Eines Abends wollte der Bauer den Esel in den Stall bringen. 3. Eines Abends hat der Bauer einen Spaziergang gemacht 4. Der Bauer hat versucht, den Esel zu ziehen. 4. Er ist über eine Wiese gegangen,

5. Aber der Esel ist nicht gegangen. 5. da hat er seinen Esel gesehen

6. Dann hat der Bauer versucht, den Esel von hinten zu schieben. 6. Schnell ist er zu Ihm hingegangen

7. Aber der Esel ist wieder nicht gegangen. 7. Der Bauer hat versucht, den Esel zu ziehen.

8. Da hat der Bauer nachgedacht 8. Aber der Esel ist nicht gegangen.

9. und es ist Ihm eingefallen, 9. Dann hat der Bauer versucht, den Esel von hinten zu schieben. 10. daß er den Esel erschrecken könnte. 10. Aber der Esel ist wieder nicht gegangen.

11. Der Bauer Ist nun zu seinem Hund gegangen 11. SO ist der alte Bauer zu seiner Kuh gegangen

12. und hat gesagt: 12. und hat zu ihr

13."Bitte, lieber Hund, belle den Esel an, 13."Kuh, gib mir bitte Milch!) 14. damit der Esel erachrickt 14. Die Kuh aber hat gesagt

15. und In den Stall läuft. 15."Ja, Bauer, du kannst schon Milch haben,

16. Der Hund aber hat gesagl: 16. aber zuerst mußt du mir Heu zum Fressen bringen 17."Nein, das tue ich nicht, 17. Dann ist der Bauer zu seinem Hund gegangen L 18. denn der Esel ist mein bester Freund! 18. und hat gesagt: p 19. Da hat der Bauer wieder nachgedacht, 19."Bitte, lieber Hund, beit den Esel an.

20. was er tun soll. 20. Der Hund aber hat gesagl:

21. Er ist zu seiner Katze gegangen 21. Nein, das tue ich nicht,

22. und hat gesag!: 22. denn der Esel ist mein besier Freund.

23."Bitte, liebe Katze, kratze den Hund ganz test, 23. Dann ist der Bauer zum großen Heuhaufen gegangen 24. damit der Hund beilt, 24. und hal der Kuh das Heu gebracht

25. und der Esel erschrickt. 25. Nachdem der Bauer der Kuh das Heu gegeben hat, 26. Die Katze aber hat gesagt: 28. hat die Kuh dem Bauer die Milch gegeben.

27. Ich kratze den Hund nur dann, 27. Dann ist er zu seiner Katze gegangen

28. wenn du mir Milch zum Trinken bringst. 28. und hat gesagt:

29. So ist der Bauer zu seiner Kuh gegangen 29."Bitte, liebe Katze, kratze den Hund ganz fest!

30. und hat zu Ihr gesag!: 30. Die Katze aber hat gesagl:

31."Kuh, gib mir bitte Milch. 31."Ich kratze den Hund nur dann,

32. Die Kuh aber hat gesagt: 32. wenn du mir Milch zum Trinken bringst!

33."Ja, Bauer, du kannst schon Milch haben, 33. So hat der Bauer die Milch der Katze gebracht.

34. aber zuerst mußt du mir Heu zum Fressen bringen. 34. Nachdem die Katze die Milch ausgetrunken hat,

35. So ist der Bauer zum großen Heuhaufen gegangen 35. hat sie den Hund fest gekratzt.

36. und hal der Kuh das Heu gebracht. 36. Der Hund hat dann laut gebellt,

37. Nachdem der Bauer der Kuh das Heu gegeben hat, 37. und der Esel ist so erschrocken,

38. hat die Kuh dem Bauer die Milch gegeben. 38. daß er in den Stall gelaufen ist.

39. Der Bauer hat die Milch der Katze gebracht. 39. Der Bauer hat gesehen,

40. Nachdem die Katze die Milch ausgetrunken hal, 40. daß der Esel jetzt im Stall ist.

41. hat sie den Hund fest gekratzt. 41. Er hat die Stalltüre zugemacht.

42. Der Hund hat dann laut gebellt, 42. Seinen Stall hat der Bauer ganz alleine gebaut.

43. und der Esel ist 80 erschrocken, 43. Und als der Bauer mit dem Bauen fertig war,

44. daß er in den Stall gelaufen ist. 44. hat er den Esel gekauft.

45. Da hat der Bauer sich gefreut

46. und die Stalltüre zugemacht.

gegebene Informationen nicht ausrei­chend spezifiziert werden.

(2) Morpho-syntaktische Probleme: Ob­gleich beide Kinder bereits über 7 Jahre alt sind, weisen ihre Geschichtenrepro­duktionen zahlreiche morpho-syntakti­sche Fehler auf. Die Mehrheit der Sätze folgt einem Satzmuster mit Verb-/Sub­jekt-Endstellung, das insbesondere für jüngere dysphasisch-sprachgestörte Kin­der typisch ist(vgl. Grimm 1987; Grimm & Weinert dieses Heft). Obgleich dies nicht in gleichem Maße für die gesamte Stichprobe der dysphasischen Kinder gilt, zeigt sich generell, daß die verwendeten Satzmuster einfach und stereotyp sind.

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(3) Das inhaltliche Gerüst der Geschich­te wird nur unzureichend reproduziert: Es werden relativ wenige Handlungskon­stituenten wiedergegeben, die zudem häufig unvollständig sind. Unvollständig reproduzierte Handlungskonstituenten können vom Leser/Hörer nur mittels weitreichender Schlußfolgerungen inter­pretiert werden, was häufig ohne Kennt­nis der Geschichte gar nicht möglich ist. Beispielsweise bleibt in der Wiedergabe der kohärenten Geschichte unverständ­lich, warum und über wen der Hund sagt, es sei sein bester Freund. Diese Aussage wird erst dann verständlich, wenn man weiß, daß der Bauer den

Hund gebeten hat, den Esel anzubellen, damit dieser erschrickt und in den Stall läuft.

(4) Die Mehrzahl der vorgegebenen Ein­zelaussagen wird entweder überhaupt nicht, oder aber unvollständig reprodu­ziert. So wird z.B. der ‚Bauer in der Wiedergabe der kohärenten Version überhaupt nicht erwähnt; es bleibt da­mit unklar, wer wen zieht oder schiebt. (5) Die kohärente Version der Bauer­Geschichte wird kaum besser wiederge­geben als die inkohärente Version.

Daß diese Merkmale nicht nur für die zwei exemplarisch vorgestellten Geschichten­wiedergaben, sondern wenngleich weni­

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XV, Heft 1, 1989