Zeitschrift 
Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
Seite
53
Einzelbild herunterladen

Gerd Mannhaupt& Heiner Jansen ­

Phonologische Bewußtheit

wußtheit, solche Aufgaben zu konstru­ieren, die auch von Kindern mit im Ver­gleich zu ihrer Altersgruppe geringen Fertigkeiten im Umgang mit der Laut­lichkeit von Sprache zumindest teilweise bewältigt werden.

Da im deutschsprachigen Raum zu die­sem Problem kaum Forschungsergebnisse vorliegen(z.B. Röhr 1978; Tiedemann, Faber& Kahra 1985; Breuer& Weuffen 1986; Zimmermann 1986), wurde in An­lehnung an die englischsprachige Litera­tur versucht, eine altersadäquate Erfas­sung dieser Fertigkeiten zu erreichen, bei der jede Aufgabe möglichst von an­deren Leistungskomponenten Aspekte der phonologischen Bewußtheit erfaßt. Unter Berücksichtigung der oben ausge­führten Überlegungen zur Aufgabenkon­struktion und den Ausführungen von Lewkowicz(1980) wurden drei Aufga­bentypen entworfen. Eine befindet sich im mittleren Bereich der Skala von Lew­kowicz, das Phonemsegmentieren. Die zweite stellt die leichteste Aufgabe nach Lewkowicz dar, das Phonemerkennen bzw. die Laut-zu-Wort Zuordnung. Die dritte wurde in die Aufstellung von Lew­kowicz nicht aufgenommen aber in vie­len Studien als einfachere Variante zur Phonemsegmentierung mituntersucht, das Silbensegmentieren(Liberman et al. 1974; Fox& Routh 1975; Goldstein 1976; Zifcak 1981, Mann& Liberman 1982; Blackman 1984).

Unter Bezug auf die obigen Befunde so­wie die Aufgabenzusammenstellung von Lewkowicz(1980) sind die Fragen die­ser Studie,(a) ob eine Übernahme von Aufgaben und Befunden aus Studien des englischen Sprachraumes für deutsch­sprachige Kinder ohne weiteres möglich ist,(b) ob sich die Schwierigkeitsgrade und-abfolgen der Aufgaben bestätigen lassen sowie(c) welche Arten von Ope­rationalisierungen der Aufgaben für ein Vorschulscreening angemessen sind.

Untersuchung

Versuchspersonen

Von November 1985 bis April 1986 wur­den an drei Stichproben(N;=58,N,=65,

N3=67) in jeweils mehreren Kindergär­ten Bielefelds Aufgaben zur phonologi­schen Bewußtheit untersucht. Die Auf­gaben umfaßten Leistungen der Segmen­tierung von sowie der Phonemerkennung in gesprochener Sprache. Die Altersmit­telwerte betrugen 70,60, 73,47 bzw. 75,41 Monate. Vergleicht man den Al­tersmittelwert von Stichprobe 1 mit dem der großen Stichprobe von Skowronek & Marx(in diesem Band), die zum glei­chen Zeitpunkt nämlich November vor der Einschulung untersucht wurde, so kann von einer durchaus dem Alter nach repräsentativen Stichprobe ausgegangen werden. Entsprechendes gilt für Stich­probe 2 und Stichprobe 3 bei Berück­sichtigung der weiter zurückliegenden Untersuchungszeitpunkte.

Aufgaben

Phonemsegmentierung. Sie wurde(er­hoben bei Stichprobe 1) den Kinder mit folgender Instruktion nahegebracht: Bei dieser Aufgabe sollst du mir sagen, was du alles in einem Wort hörst. Ich sage zum Beispiel ‚im. Sag mal ‚im. Gut, ich höre bei ‚im /i/ /m/.(Durch Klop­fen Anzahl der Phoneme anzeigen.)Sag es mal nach!Gut was hörst du bei ‚am?(Bei falscher Antwort korrigiert Vl:Nein, bei ‚am hort man /a/ /m/. Was hörst du bei ‚von?(Korrektur falls nötig.) Testphase:Was hörst du bei: 24

Die zehn Items bestanden aus fünf Zwei­Phonem-Wörtern:wie, um, da, so, die und fünf Drei-Phonem-Wörter:tun, den, mit, los, Oma. Nur während der Instruktionsphase erhielten die Kinder Rückmeldungen über die Ergebnisse. Ein Wert von 25 getrennten Phonemen war das Maximum dieser Aufgabe. Silbensegmentierung. Ähnlich wie bei der Durchführung der Phonemsegmen­tierung waren die Kinder bei der Silben­segmentierung(erhoben bei allen drei Stichproben) vor die Aufgabe gestellt, fünf zwei- und fünf dreisilbige Wörter in Silben zu trennen und diese dann, durch Klatschen unterstützt, auszuspre­chen. Während bei den ersten beiden Stichproben die Items durch den VI vor­

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XV, Heft 1, 1989

gesprochen wurden, bekamen die Vpn der Stichprobe 3 die Wörter vom Kas­settenrecorder vorgespielt. Laut-zu-Wort-Variante 1. Den Vpn wur­den nacheinander zehn Bildkarten mit je sechs Abbildungen vorgelegt. Die Vpn hatten zunächst die Abbildungen zu be­nennen und wurden, wenn dies im Sinne der Aufgabe nicht korrekt war, vom VI korrigiert. Pro Karte wurde nur ein Pho­nem abgefragt, so daß pro Phonem je­weils sechs Entscheidungen zu treffen waren. Jeweils drei Wörter enthielten das Phonem(Positiv-Items) und drei Wörter nicht(Negativ-Items). In den Positiv-Items befand sich das gesuchte Phonem entweder am Anfang, in der Mitte oder am Ende des Wortes. Für den Konsonanten /m/ z.B. waren auf der Kar­te Schere, Blume, Kamm, Maus, Nuß, Haus abgebildet. So wurden vier Vokale (a, i, 0, u), der Diphthong /au/ und fünf Konsonanten(k, m, n, t, sch) abgefragt. Laut-zu-Wort-Variante 2. Diese enthielt 10 Positiv- und 10 Negativ-Items. Es wur­den die Vokale(a, i, 0, u) und der Diph­thong /ai/ in der Anfangsposition abge­fragt. Die Positiv-Items teilten sich zum einen in Wörter mit langen Anfangsvo­kalen(Eimer, Igel, Ofen, U-Boot, Amei­se; der Diphthong wird als lang interpre­tiert), die bei rhythmischer Sprechweise silbisch wahrgenommen werden können. Zum anderen wurden kurze(Insel, Um­schlag, Ast) und lange(Eichhörnchen, Ohr) Anfangsvokale verwendet, die bei rhythmischer Sprechweise eher nicht se­pariert werden. Alle Negativ-Items be­gannen ebenfalls mit einem Vokal.

Die Stichprobe wurde nach Zufall ge­teilt und bekam die Aufgabe in der er­sten Gruppe in rein akustischer Vorga­be, in der zweiten Gruppe mit Einzel­bildvorgabe für jedes Item. Das Bild wurde jeweils vom VI benannt.

Ergebnisse

Phonemsegmentierung. Die Verteilung der Lösungspunkte für die Phonemseg­mentierungsaufgabe(s. Abb. 1) mit ei­nem Mittelwert= 3,93(s= 5,33) und einem Median= 0 zeigt an, daß ca. 52% der Kinder nicht in der Lage waren,

53