Partielle Kongruenzen von Heil
und Sozialpädagogik
Von Ingrid Blanke
Die mit der Spezialisierung einhergehende Verselbständigungstendenz von Disziplinen stößt im Falle von Heil- und Sozialpädagogik an Grenzen. Diese verlaufen in der wissenschaftlichen Theorie anders als im komplexen„Gegenstand“, der das Arbeitsgebiet der heil- und sozialpädagogischen Tätigkeit darstellt. Einer stärkeren übergreifenden Vereinheitlichung der Theorien von Heil- und Sozialpädagogik steht die Verflechtung der Sozialpädagogik mit sozialen Gegebenheiten im Wege, die die sozialpädagogische Theorie zur Einbeziehung von Gesellschaftstheorie und Gesellschaftskritik nötigen. Die Schwierigkeiten einer übergreifenden Theoriebildung dürfen aber nicht übersehen lassen, daß in bestimmten Arbeitsfeldern nur eine in Personalunion ausgeübte einheitliche heilsozialpädagogische Tätigkeit maximalen Erfolg haben kann.
Specialization involves a certain tendency to independence and isolation between disciplines. Such a tendency is narrowly limited in the case of the special education of the handicapped and educative Social work taken as the whole of theory and practice. The limits run differently for scientific theories and for the complex object forming the field of work of the special education of the handicapped and educative social work. The entanglement of the theory of social work with general facts of social life necessitates theory to comprise essential parts of a general theory and criticism of society. That is a considerable impediment for all efforts to construct an overlapping theory for both of the special disciplines. Difficulties of that kind shouldn’t make overlook that on certain fields of work only an activity of a person trained in special education of the handicapped as well as in education of children labouring under social disadvantages may have a maximum of SUCCESS.
Vorbemerkungen
Die Wissenschaften Heil- und Sozialpädagogik haben in den letzten Jahrzehnten Fortschritte gemacht. Das gilt ebenfalls für die Arbeitsbereiche und die Arbeit von Heil- und Sozialpädagogen, auch wenn immer wieder nicht grundlos der Notstand ausgerufen und die Krisenhaftigkeit der gegenwärtigen Situation beschworen worden sind(vgl. z.B. Thiersch 1982, 13). Kritische Situationen pflegen Anlaß zur Besinnung zu werden.
Das Verhältnis von Heil- und Sozialpädagogik gilt mir insofern als kritisch, als die bisher vorgelegten Versuche, die Einheit und Differenz beider Disziplinen zu fassen, nicht befriedigen. Die Theorien spiegeln ein unbefriedigendes Nebenein
ander von Heil- und Sozialpädagogischem. Neuen organisatorischen Entscheidungen über die Gestaltung des Zusammenhangs von Heil- und Sozialpädagogischem sollte eine Bestandsaufnahme der gemeinsamen und unterschiedlichen Eigentümlichkeiten beider Disziplinen und beider Arbeitsbereiche vorhergehen. Um eine solche Bestandsaufnahme handelt es sich im folgenden. Sie hat der Komplexität der Gesamtsachlage Rechnung zu tragen. Diese hat— vereinfacht und abgekürzt gesagt— ihre Gegenstands- und ihre Bewußtseinsseite. Zur Gegenstandsseite gehören die vorliegenden Phänomene der Behinderung und sozialen Benachteiligung, die zugehörigen Institutionen, Berufsfelder, Berufstätigkeiten. Auch die institutionelle und
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XV, Heft 2, 1989
personelle Seite der Wissenschaft, die derartiges zum Gegenstand macht, gehört mit auf die Gegenstandsseite des Gesamtphänomens. Zugleich aber ist vor allem und konzentriert in dieser Wissenschaft die durch Problembewußtsein und seine Darstellungsaufgaben geleitete Thematisierung alles Gegenständlichen zu Hause, die als Bewußtseinsseite ihrerseits zum Gegenstand verschiedenartiger Reflexionen wird. Sie können von Theorie in Gestalt empirischer Wissenschaft bis zu praxisfördernden Überlegungen und zur Kritik reichen. Die„extremen‘“‘ theoretischen Möglichkeiten der Konstatierung von Fakten und ihrer eventuellen Erklärung einerseits und der erziehungsphilosophischen Reflexion andererseits, die das gesellschaftliche Ganze,
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