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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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in dem Heil- und Sozialpädagogik ihren Ort haben, miteinbezieht, bleiben zu­rückverwiesen auf diejenigen Verhal­tensweisen, in denen das Heil- und So­zialpädagogische seine Wirklichkeit hat: nämlich Interaktionen, Bemühungen um Lebenserleichterung und Lebensgestal­tung, auch gemeinsam vollzogenes Leh­ren und Lernen usw. In demjenigen Nor­malfall, der darin besteht, daß das Päd­agogische bewußt erlebt und reflektiert wird, trägt der Pädagoge der Komplexi­tät des Ganzen Rechnung. Er muß hier ständig mit mehr Fragen und Schwierig­keiten fertig werden, als die Wissen­schaft für ihn beantwortet und als das distanzierte reflektierende Bewußtsein vorhergesehen hat. Gerade weil das Ge­samtphänomen von der geschilderten Komplexität ist, ist es in einer Bestands­aufnahme vielleicht ratsam, verschiede­ne Komponenten zu isolieren, sie in ih­rem Gewicht und ihrem Beitrag für das Ganze zu beurteilen, ohne der Gefahr zu erliegen, aus einem partiellen Betrach­tungsgesichtspunkt vorschnell über das Ganze zu urteilen.

Ich handle zuerst von einigen Schwierig­keiten, die sich für das reflektierende Bewußtsein ergeben, sofern es auf eine Vereinheitlichung der heil- und sozial­pädagogischen Theorien abzielt. Danach will ich auf die heil- und sozialpädagogi­sche Praxis eingehen und zeigen, wie sich auf einigen Praxisfeldern heil- und sozialpädagogische Aufgaben überschnei­den. Solche Praxisfelder fordern also das Zusammenwirken von Heil- und Sozial­pädagogik. Allerdings bleiben diese Über­schneidungen partiell, da aufgrund vieler gesellschaftlicher Vorgegebenheiten an­dere Arbeitsfelder für Heil- und Sozial­pädagogik getrennt sind, ohne daß sich dies in einer hochgradig ausdifferenzier­ten Gesellschaft ändern ließe.

Nun gibt es wesentliche Gesichtspunkte, die sich heute nahelegen und die zu ei­ner größeren und stärkeren Verzahnung von heil- und sozialpädagogischer Tätig­keit führen könnten. Diese Gesichts­punkte betreffen 1. Notwendigkeiten, die sich aus der Situation ergeben, 2. nor­mative Ideen für eine künftige Gestal­tung der Situation und 3. Eigentümlich­keiten der Begriffs- und Theoriebildung,

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Ingrid Blanke- Partielle Kongruenzen von Heil- und Sonderpädagogik

die allerdings m.E. nicht zu einer Ein­heitstheorie für Heil- und Sozialpädago­gik führen können. Auf der Seite der Theorie ist niemals gänzlich darauf ver­zichtet worden, Heil- und Sozialpädago­gisches einheitlich zu übergreifen. Und das ist keineswegs aufgrund altertümli­cher unspezialisierter Rückständigkeit geschehen. Es bleiben Gründe in der Sa­che, die dahin drängen.

Um in der aufgeworfenen Frage weiter­zukommen, greife ich zu einer nicht üb­lichen Dreiteilung. Es sind zu unterschei­den: 1. Terminologische Fragen, 2. Sy­stematisierungsmöglichkeiten, 3. Mög­lichkeit und Leistungsfähigkeit verein­heitlichter, übergreifender Theorien. Meistens werden nur die Punkte 1 und 2 diskutiert. Bei ihrer Diskussion wird schon von Theorie gesprochen. Aber Punkt 3 ist für die anstehende Frage nach der Einheit von heil- und sozial­pädagogischer Theorie entscheidend.

Terminologische Probleme und Entscheidungen

Die Problematik der Terminologie soll hier nur gestreift werden. Selbstverständ­lich gibt es in diesem Bereich zumeist keine bloßen terminologischen Fragen, da den Termini Heil-, Sonder- und So­zialpädagogik gewöhnlich unterschiedli­che Verständnismöglichkeiten von be­schreibbaren Tatsachenunterstellt undeingelegt werden. Ein bloßes ter­minologisches Problem wäre dann z.B. ein solches, das in bezug auf eindeutig beschreibbare Tatsachen zu entscheiden wäre. Zu diesem Thema sei auf Ausfüh­rungen Bleidicks und Buchkremers ver­wiesen.

Ich begnüge mich mit einer für das Fol-. gende ausreichenden Unterscheidung von Heil-/Sonderpädagogik einerseits und Sozialpädagogik andererseits. Der Begriff Heilpädagogik sei in der folgen­den weiten Bedeutung benutzt: Er soll 1. auf therapierbare Behinderungen und die Therapie bezogen werden. Er soll 2. auf alles, was den Zusammenhang von Behinderung und schulisch/erziehlichen Maßnahmen betrifft, gehen.

Durch den Begriff Sozialpädagogik wird dagegen auf alles, was im Umkreis der sozial Benachteiligten pädagogisch aus­gerichtet werden kann, Bezug genom­men. Nun reicht zweifellos der Begriff der sozialen Arbeit weiter als dieser Be­griff der Sozialpädagogik. Dementspre­chend sind die zugeordneten Diszipli­nen(Sozialpädagogik und Sozialarbeits­wissenschaft nämlich) sehr unterschied­lich. Mir liegt daran, die Sozialpädago­gik, so wie sie gerade begrenzt worden ist, weiter auszudehnen. Diese Ausdeh­nung mag folgendermaßen gerechtfertigt werden: Die Zusammenarbeit mit sozial benachteiligten Menschen kann der spe­zifisch pädagogischen Rücksichtnahme nicht entbehren. Das gilt auch für den Verkehr des Sozialarbeiters mit erwach­senen Personen. Für den Umgang mit so­zial abweichenden Jugendlichen ist ein auf die Lebensganzheit abzielendes päd­agogisches Konzept erst recht unerläß­lich. Einigkeit besteht allerseits darüber, daß sozialpolitische und ähnliche Einzel­maßnahmen nicht ausreichen, um der Problemlage der Betroffenen gerecht zu werden. Eben dieser Sachverhalt macht die Einbeziehung spezifisch päd­agogischer Überlegungen in alle Sozialar­beit unerläßlich.

Dieser ganzheitlich-pädagogische Betreu­ungsgesichtspunkt ist es auch, dies mag vorweisend gesagt sein, der uns dazu nö­tigt, Heil- und Sozialpädagogik im Ver­bund zu bewahren.

Heil- und Sozialpädagogik im Rahmen der übergreifenden pädagogischen Systematik

Es ist Brauch, der Heil- und Sozialpäd­agogik in einer übergreifenden pädagogi­schen Systematik ihren Ort zuzuweisen. Es gibt Systematiker, die bei diesem Verfahren stärker auf das Verbindende und andere, die stärker auf das Trennen­de der beiden Disziplinen abzielen. Ich weise auf die Möglichkeiten hin, die Bleidick und Buchkremer ergriffen ha­ben und die zu unterschiedlichen Ver­bindungen von Heil- und Sozialpädago­gik führen. Für Bleidick stehen nicht

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XV, Heft 2, 1989