Heil- resp. Behindertenpädagogik und Sozialpädagogik im System auf gleicher Stufe, sondern spezielle Fachrichtungspädagogiken und Sozialpädagogik(vgl. Bleidick 1983, 492). In diesem Schema kommt der eigenständige Charakter der sozialpädagogischen Theorie nicht zum Ausdruck. Für meine Zwecke ist eine Systematisierung günstiger, die die So
° zialpädagogik mit der Heilpädagogik—
nicht dagegen mit den Fachrichtungen — auf eine Stufe stellt.
Zwar definiert auch Buchkremer die Sozialpädagogik als Sonderfall von Pädagogik, aber er sieht die Sozialpädagogik in engem Verbund mit der Heilpädagogik. Als Oberbegriff für diese Unterdisziplinen der Pädagogik schlägt er vor: Theorie der subsidiären Erziehung. Damit ist Sozialpädagogik„Teil der subsidiären Erziehung und deren Theorie‘(Buchkremer 1982, 22).
Wesentlich ist mir an diesen Systematisierungsvorschlägen, daß in ihnen das pädagogische Moment für die Heil- wie für die Sozialpädagogik festgehalten wird. Dies mag in differenzierter Weise geschehen. Trotzdem kann in diesem Fall die pädagogische Grundintention auch für die Sozialpädagogik in dem oben angedeuteten weiten Sinn des Wortes entscheidendes Bestimmungsmoment bleiben. Damit ist noch nicht darüber entschieden, ob beide Disziplinen in die Einheit einer Wissenschaft oder gar einer Theorie integriert werden können. Darüber ist jetzt zu handeln.
Theorie-Differenzen zwischen Heil- und Sozialpädagogik
Sowohl der Begriff Behinderung wie der Begriff der sozialen Benachteiligung sind hochstufig abstrakt. Das ist nicht schlechthin ein Manko, denn in vielen Wissensgebieten braucht Abstraktheit kein Nachteil zu sein. Sie kann vielmehr zur Vereinheitlichung verschiedener Phänomene oder Theorien führen und damit in die Richtung des Erkenntnisfortschritts weisen. Aber im Falle von Behinderung und sozialer Benachteiligung ist die Sachlage anders. Heilpäd
Ingrid Blanke+ Partielle Kongruenzen von Heil- und Sonderpädagogik
agogik wie Sozialpädagogik haben ihr Ziel nicht in einem selbstzwecklichen System theoretischen Wissens, sondern sie sind als Praxis bezogene Disziplinen darauf ausgerichtet, in konkreto Menschen helfen zu müssen. Das in konkreto aber meint im Gegenteil zu einer geläufig-landläufigen Bedeutung des Wortes konkret, daß eine Vielzahl von Faktoren ihren Gegenstand bestimmen, so daß dieser aufgrund ihres Geflechts kompliziert ist— für denjenigen, der ihm theoretisch gerecht werden muß. Diese Komplikation besagt nicht, daß die anstehenden Themen und Probleme schwer zu verstehen sein müßten. Sie können vielmehr unmittelbar zugänglich sein und dem Verständnis wenig Schwierigkeiten bereiten. Gleichwohl können sie aufgrund ihrer Determiniertheit konkret-komplex sein.
Auf derartiges haben sich Heil- und Sozialpädagogik einzulassen. Die Begriffe Behinderung und soziale Benachteiligung müssen derartiges abdecken und übergreifen. Aber deswegen ist ihre Leistungsfähigkeit auch beschränkt. Die genannte Konkretheit nötigt dazu, alles, was auf dem allgemeinen Niveau dieser Begriffe sagbar ist, zu unterschreiten in determiniertere Zusammenhänge hinein, zu denen kein Weg zwingender Argumentation führt. Die Eigenart der Phänomene erschwert alle Versuche, allgemeine Aussagen über Behinderte und sozial Benachteiligte zu machen oder allgemeine Forderungen für sie zu erheben. Ich will hier die Anzahl der bereits vorgelegten Oberbegriffe für die einheitliche Eigenart und Aufgabenstellung von Heil- und Sozialpädagogik, von denen ich einen in meinen Bemerkungen zur Terminologie erwähnt habe, nicht vermehren(s. Buchkremers Systematik). Ihre Möglichkeit sei unbestritten. Zur Frage steht, ob sich von ihnen aus Theorien aufbauen lassen, die einerseits einheitlich für beide Disziplinen gelten können, andererseits aber genug inhaltliche Konkretionen in sich befassen, Phänomene erklären, Verhaltensvorschriften rechtfertigen u.ä.m. Aufgrund des gerade über die Eigenart des sozialpädagogischen Gegenstandes Gesagten sollte klar sein, daß es nicht möglich ist, die Ge
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XV, Heft 2, 1989
samtheit der sozialpädagogisch relevanten Arbeitsfelder durch eine übergreifende heil-sozialpädagogische Theorie abzu
decken.
Rössner hat bekanntlich die Konsequenz gezogen, eine Sozialarbeitswissenschaft unbekümmert um übergreifende pädagogische Gesichtspunkte aufzubauen. Es wäre eine unbefriedigende Selbstbeschränkung, wollte ein Wissenschaftler, der für Heil- und Sozialpädagogik zuständig ist, die nicht im engeren Sinne pädagogische Sozialarbeit völlig aus seinem Blickfeld ausklammern. Es kommt darauf an, sie zu berücksichtigen und sie unter allgemeinen heil- und sozialpädagogischen Gesichtspunkten zu ergänzen. Die Gefahr des wissenschaftlichen Dilettantismus ist nicht von der Hand zu weisen. Aber die Gegengefahr der Blindheit für verwandte Gebiete, zu denen vom jeweiligen Nachbargebiet aus sehr wohl begründete Stellungnahmen abgegeben werden können, ist zu bedenken. Beide Möglichkeiten sind also gegeneinander abzuwägen. Außerdem ist auf die Gefahr der wissenschaftlichen Spezialisierung in ihrer Rückwirkung auf pädagogische Intentionen aufmerksam zu machen. Jede Pädagogik enthält Lebensbezüge und ist an der Gestaltung von Lebensbezügen interessiert. Diese Seite der Pädagogik steht in einem problematischen Verhältnis zur Spezialisierung und Verselbständigung der Wissenschaft. Ein gewisser Grad von Spezialisierung verbunden mit einem gewissen Wissensfortschritt aber bedeutet Verselbständigung und damit(esoterische) Professionalisierung. Diese macht unter pädagogischem Aspekt die prüfende Rückbeziehung des wissenschaftlichen Wissens auf die pädagogische Situation in ihrer Komplexität dringlich. Diese Rückbeziehung braucht, ja darf nicht nur dem disziplinär parzellierten zuständigen Wissenschaftler vorbehalten bleiben, kommen in ihr doch außerwissenschaftliche Beurteilungsgesichtspunkte zur Sprache, die irgendeiner Vorstellung vom guten Leben verpflichtet sind. Der Ort solcher Prüfung sollte vor allem die Hochschulpädagogik sein. Sie hat heute nicht nur den Auftrag, den wissenschaftlichen Fortgang der Pädagogik zu fördern, sondern ihn
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