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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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chen, die Lebensmöglichkeiten des Kin­des besser zu überblicken und individuell angemessene Hilfen zu leisten.

Obdachlosenproblematik

Zunächst ist die Obdachlosenarbeit Sa­che des Sozialpädagogen und Sozialar­beiters. Ihm geht es um die verschiede­nen Lebensprobleme im Obdachlosenbe­reich. Er ist hier für die sozialen Inter­ventionen zuständig: für administrative Maßnahmen, für finanzielle Fragen, für hauswirtschaftliche Beratungen usw. Aber das ist nicht alles: es geht auch we­sentlich um das Kind in der Obdachlo­sensiedlung und um seine Erziehung. Bei Kindern obdachloser Familien pflegen häufig Sozialisationsdefizite, Lernbehin­derungen und/oder Erziehungsschwierig­keiten zusammen aufzutreten. Hier müs­sen heilpädagogische Fähigkeiten einge­setzt werden.

Sozialpädagogik in der Sonderschule für Behinderte

Eine Entwicklung neueren Datums de­monstriert eindrücklich, wie Heil- und Sozialpädagogik im Praxisfeld Sonder­schule zusammenrücken. Es sind in zu­nehmendem Maße Stellen für Sozialpäd­agogen an Sonderschulen eingerichtet worden. Ihr Aufgabenfeld umfaßt die sozialpädagogischen Maßnahmen für be­hinderte Kinder und Jugendliche von der Elternarbeit bis zur Berufsberatung. Ein hier tätiger Sozialpädagoge wird gut beraten sein, zusätzlich über Wissen aus der Heilpädagogik zu verfügen sowie Sonderschullehrer sozialpädagogisches Wissen haben sollten.

Literatur

Bach, H.(1984). Sozialpädagogik und Sonderpädagogik. In H. v. Ey­ferth, H. Otto, H. Thiersch(Hrsg.). Handbuch zur Sozialarbeit/So­zialpädagogik. Neuwied: Luchterhand, 1016 ff.

Bleidick, U.(1984). Pädagogik der Behinderten. Berlin: Marhold,

S. Aufl.

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Ingrid Blanke- Partielle Kongruenzen von Heil- und Sonderpädagogik

Schlußbemerkungen

Abschließend will ich die These erörtern, daß unter dem normativen Gesichts­punkt einer weiteren Ausgestaltung der heil- und sozialpädagogischen Arbeitsfel­der ein weiteres und stärkeres Zusam­menrücken von Heil- und Sozialpädago­gik an der Zeit ist.

Bach hat in einer Arbeit jüngeren Da­tums herausgestellt, daß Sozial- und Sonderpädagogik in ihrer Entwicklung aufeinanderzulaufen, ja daß sich eine Fusion dieser Disziplinen anbahne(vgl. Bach 1984, 1023). Er begründet diese Behauptung damit, daß für Gefährdete in zunehmendem Maße Behinderungen und soziale Benachteiligungen zusam­menfallen, so daß beide Disziplinen ge­fordert sind, daß aber auch für die Dis­ziplinvertreter Kompetenzerweiterung über den bisherigen Rahmen, der durch die Ausbildung und die abgegrenzten Berufsfelder vorgegeben ist, wünschens­wert ist. Ich kann diese These Bachs aus meiner Perspektive nur bestätigen. Besondere Bedeutung muß in der Zu­kunft der Prävention zukommen. Diese Einsicht ist nichts Neues. Aber vielleicht bietet die gegenwärtige Situation günsti­ge Voraussetzungen, der Prävention mehr Gewicht zu verleihen.Zunehmen­der Vorrang von Prävention, Substitu­tion und Kompensation gegenüber eher konservierend wirkenden Maßnahmen (Bach 1984, 1022) aber bedeutet auf je­den Fall eine Ausweitung der genuin pädagogischen Maßnahmen im gefährde­ten sozialen Umfeld. Auf seiten der So­zialpädagogik ist Ähnliches gesehen wor­den:Angesichts der zunehmend ins Be­wußtsein der Sozialpädagogik tretenden Tatsache, daß Gefährdete nicht selten auch von Störungen und Behinderungen betroffen sind, daß neben sozialen Be­nachteiligungen auch somatische Schä­

den auftreten..., ergab sich gegenüber dem traditionellen Konzept der Sozial­pädagogik eine Aufgabenausweitung und Aspekterweiterung...(Bach 1984, 1022 f.). Die Reduzierung der Hil­fe auf schulische Maßnahmen ist immer unzureichend. Prophylaktische Tätigkei­ten, die das soziale Umfeld unter päd­agogischem Aspekt beeinflussen, müssen einbezogen werden. Die pädagogische Nichtbeachtung dieses Umfeldes hat oft erst die krasse Ausprägung von Behinde­rung und sozialer Benachteiligung zur Folge. Aus dieser gemeinsamen Sicht dessen, was not tut, ergibt sich die Kon­sequenz, für eine erweiterte Handlungs­kompetenz der in diesen Aufgabenfel­dern tätigen Personen zu sorgen. Dieser Handlungskompetenz muß auf der theo­retischen Ebene eine Brücken schlagen­de Berücksichtigung von heil- und sozial­pädagogischer Theorie entsprechen.

In concreto ergibt sich aus der Forde­rung nach ganzheitlich orientiertem Früheinsatz des heil- und sozialpädago­gisch Erforderlichen die Konsequenz, daß nach Möglichkeit eine kompetente, auf Dauer bleibende Bezugsperson für gefährdete Kinder zur Verfügung steht, eine Person, die über Kenntnisse aus bei­den Disziplinen verfügt. Nur sie kann die notwendigen Maßnahmen koordinieren und erzieherische Maßnahen für das Kind im Rahmen der Familie durchfüh­ren. Eine solche ständige Begleitung des Kindes könnte eine Gewähr für Kon­stanz und Verläßlichkeit bieten. Sie könnte auch garantieren, daß sich Dia­gnosen und Fördermaßnahmen nicht ge­genseitig behindern, sondern koordiniert werden. Eine Ausbildung in diesem Sin­ne würde für die Durchführung präventi­ver Maßnahmen von Nutzen sein und könnte die Voraussetzung für ihr Gelin­gen bedeuten.

Buchkremer, Hj.(1976). Ansatz einer Theorie der subsidiären Erzie­

hung. Archiv für angewandte Sozialpädagogik, 7, 59 ff. Buchkremer, Hj.(1987). Einführung in die Sozialpädagogik. Darm­stadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2. Aufl. Klauer, K.J.& Reinartz, A.(Hrsg.)(1978). Sonderpädagogik in allge­

meinen Schulen. Berlin: Marhold.

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XV, Heft 2, 1989

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