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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Motorische Leistungen bei Sonderschülern Ergebnisse einer Längsschnittstudie

Von H. Krombholz

Die motorische Entwicklung von Sonderschülern wur­de in einer Längsschittstudie über 2 Jahre untersucht, An der Studie nahmen 38 Sonderschüler teil, die zu Beginn der Untersuchung 8.5 Jahre alt waren. Mit­tels Varianzanalysen kann gezeigt werden, daß nicht nur die kognitive, sondern auch die motorische Lei­stungsfähigkeit von Sonderschülern deutlich unter der von Grundschülern liegt. Dabei sind feinmotori­sche Leistungen, Gesamtkörperkoordination und körperliche Fitness gleichermaßen betroffen. Die Konzentrationsfähigkeit korreliert bedeutsam mit den motorischen Leistungen, dagegen sind die Zu­sammenhänge zwischen motorischen Leistungen und der Intelligenz und dem Wortschatz nicht bedeut­sam.

The motor development of special-school pupils was investigated by means of a two-year longitudinal study. 38 pupils aged 8.5 years at the beginning par­ticipated in this study. Using analyses of variance it can be shown that not only cognitive performance but also motor performance of special pupils is sig­nificantly inferior to that of normal pupils. This ap­plies to fine motor skills, body coordination and physical fitness. Performance in concentration tasks is positively and significantly correlated with motor performance, the association of motor performance with intelligence and vocabulary, however, is not re­lated.

Problemstellung

Seit längerem ist bekannt, daß lernbe­hinderte Kinder nicht nur in ihrer kogni­tiven Leistungsfähigkeit, sondern auch in ihren motorischen Leistungen Nicht­behinderten unterlegen sind. Dies gilt für Leistungen, die in hohem Maße Ko­ordination oder Gleichgewicht beanspru­chen, aber auch für die allgemeine kör­perliche Leistungsfähigkeit(vgl. Rarick 1973, 231240; Singer 1980, 237 f.). Auch bei feinmotorischen Aufgaben zei­gen Lernbehinderte schlechtere Leistun­gen(Rarick 1973, 252); ebenfalls ist die Reaktionszeit verlangsamt, während die Reflexe, z.B. der Patellarsehnenreflex, nicht betroffen sind(vgl. Rarick 1973, 228f.).

Woschkind 1967 fand signifikant niedri­gere Leistungen bei 10jährigen Hilfsschü­lern(N= 50) gegenüber gleichaltrigen Volksschülern(N= 50) mit der Lincoln­Oseretzky-Motor-Development-Scale.

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Schilling 1974a konnte nachweisen, daß im Alter von 5 bis 12 Jahren hirngeschä­digte, fraglich hirngeschädigte, verhal­tensgestörte und sprachauffällige Kinder signifikant niedrigere Ergebnisse im Kör­perkoordinationstest für Kinder KTK er­reichen als nichtbehinderte Kinder. Das Ausmaß der Beeinträchtigungen war bei den Hirngeschädigten am größten, es folgten die fraglich Hirngeschädigten, die Verhaltensgestörten und die Sprach­auffälligen. Zwischen den letzten beiden Gruppen war der Unterschied nicht mehr bedeutsam(Schilling 1974a, 25). Deutlich schlechtere motorische Leistun­gen bei 8- und 12jährigen Kindern mit leichten Lernschwierigkeiten fanden Sugden& Wann 1987. 50% der unter­suchten 8- und 29% der 12jährigen zeig­ten motorische Auffälligkeiten gegen­über 5% in der Population normaler Kin­der, und auch hinsichtlich kinaestheti­scher Leistungen erreichten diese Kinder unterdurchschnittliche Werte.

Der Leistungsrückstand im Bereich Mo­torik ist offensichtlich proportional zur Schwere der Behinderung. Nach Singer 1980(S. 238) beträgt der Rückstand entwicklungsverzögerter Kinder(re­tarded children) gegenüber normalen Kindern hinsichtlich der motorischen Leistungen etwa 2 bis 4 Jahre.

Derzeit liegen keine ausreichenden theo­retischen Erklärungsmodelle für diese Befunde vor. Gleichfalls ist ungeklärt, ob die motorische Entwicklung bei Lernbehinderten gegenüber normalen Kindern verlangsamt ist, oder ob von grundsätzlich unterschiedlichen Ent­wicklungsverläufen auszugehen ist. Nach Olson 1953 und Gesell 1971 kann ver­mutet werden, daß motorische und ko­gnitive Leistungen gleichermaßen von Wachstums- oder Reifungsvorgängen be­einflußt werden. Entsprechend sind die Unterschiede in den motorischen Lei­stungen zwischen normalen und entwick­lungsverzögerten Kindern nur noch ge­

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XV, Heft 2, 1989