Voraussetzungen und Möglichkeiten der
Notengebung unter individueller Bezugsnorm am Beispiel computerunterstützten Lernens mit Schülern einer Sonderschule
für Lernbehinderte
Von Friedrich Masendorf, Udo Kullik, Burkhard Roeder und Wolfgang Sonntag
Die soziale und curriculare Bezugsnorm der Benotung allein sind aus pädagogischer und erst recht aus sonderpädagogischer Sicht unzureichend, Beide Bezugsnormen berücksichtigen weder die Effektivität von sonderpädagogischen Fördermaßnahmen noch den eigentlichen und unverfälschten Lernzuwachs des einzelnen Schülers. Im vorliegenden Untersuchungsbeispiel— der Erfolgskontrolle eines computergestützten Rechentrainings bei 28 lernbehinderten Sonderschülern— wird eine Benotungspraxis demonstriert, die sich an der Effektstärke einer individualisierenden Unterrichtsmaßnahme und am Ausmaß der Leistungsänderung der einzelnen Schüler orientiert.
Determinating grades according to social and curricular reference system only cannot be sufficient from the perspective of education and even more so of special education. None of these reference systems includes either the efficiency of remedial education nor the true learning success of each student. In the following experimental study, the remediating effect of a computer program enhancing mathematical skills was evaluated with 28 learning disabled students. Then, a grading system according to the efficiency of the individualized intervention as well as the individual increase of learning will be demonstrated.
Problem
Die vorliegende Arbeit soll zur methodenkritischen Reflexion über die Leistungsbeurteilung und Zensurengebung anregen. Es wird der traditionellen Selektionsfunktion der Schulnote ein förderungsbezogenes Beurteilungskonzept alternativ gegenübergestellt.
Der hier vorgenommenen Betonung von lernbehinderten Sonderschülern liegt die individuelle Bezugsnorm der Leistungsbeurteilung zugrunde: Die aktuelle Leistung des Schülers wird nicht mit den Leistungen anderer Mitschüler(wie sonst üblich) verglichen, sondern mit einer früheren Leistungsprobe im individuellen Längsschnitt.
Das hier diskutierte Benotungsverfahren
84
berücksichtigt dabei nur den erzielten Leistungszuwachs zwischen einer früheren und einer späteren Leistungsprobe. Gleichzeitig soll verdeutlicht werden, daß eine Notengebung ohne Überprüfung der Effektivität der Unterrichtsmaßnahmen sinnlos ist.
Bekanntlich ist ja für die sonderpädagogische Beurteilungspraxis eine Notengebung unter individueller Bezugsnorm, die sogenannte ipsative Leistungsmessung, wünschenswerter als andere(z.B. selektierende) Benotungsmodelle, da sie die Leistungsbereitschaft gerade der schwachen Schüler am stärksten aktiviert(vgl. hierzu Rheinberg 1980; Masendorf 1982; Klauer 1987).
Fragestellungen
Die Fragestellungen konzentrieren sich beispielhaft auf zwei Hauptaspekte sonderpädagogischer Förderung, nämlich
— den globalen Lernerfolg eines computergestützten Lehrprogramms(in diesem Fall zur Verbesserung der schriftlichen Multiplikation) als individualisierende Unterrichtsmaßnahme,
— die Benotung des einzelnen Schülers aufgrund seines Lernzuwachses unter individueller Bezugsnorm.
Besonders die individuelle Bezugsnorm kann dem lernbehinderten bzw. von Lernbehinderung bedrohten Schüler einen Tüchtigkeitszzuwachs(Verbesserungsinformation) sichtbar machen und
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XV, Heft 2, 1989