Evelyn Pischner+
Aufgabenanalyse
Die Aufgabenanalyse ergab, daß einzelne Aufgaben der Untertests optische Differenzierung, phonematische Differenzierung und melodische Differenzierung durch schwierigere und trennschärfere Aufgaben ersetzt werden müssen. Für die optische Differenzierung gilt dies für Zeichen 1(F), bei der phonematischen Differenzierung betrifft dies die Wortpaare Tasse-Tasche und BlätterBretter. Im Untertest melodische Differenzierung handelt es sich um das Lied „Alle meine Entchen“‘.
Die Aufgabenanalyse und die Normenberechnung zeigten, daß die überarbeitete Differenzierungsprobe vor allem für den Altersbereich 5 bis 5 1/2 Jahre geeignet ist.
Ergebnisse der zweiten Untersuchung
® Im Nachtest nach 6 Monaten bei 46 Kindern mit schwachen Differenzierungsleistungen zeigten sich in allen drei Altersgruppen bei jeweils 50% und mehr der Kinder weiterhin unterdurchschnittliche Leistungen. Unseren Beobachtungen nach entwickeln sich besonders sprachentwicklungsgestörte Kinder ohne gezielte Förderung im Wahrnehmungsbereich nicht weiter. Auch der neueste Greifswalder Forschungsbericht(Breuer 1985) betont die Bedeutung eines guten lautsprachlichen Niveaus für eine günstige Prognose schriftsprachlichen Lernens im Anfangsunterricht.
® Eine letzte Überprüfung galt dem Fördererfolg. Wir verglichen den Leistungszuwachs von 8 geförderten Kindern aus Altersgruppe I mit den Ergebnissen von 10 vergleichbaren, nicht geförderten Kindern. Die geförderten Kinder erzielten zwar einen höheren durchschnittlichen Punktezuwachs, dieser Unterschied erwies sich jedoch als nicht signifikant. Dies Ergebnis ist wahrscheinlich ein Stichprobeneffekt(n= 8). Der Lernzuwachs betrug immerhin bis zu 40% nach nur 2 Monaten Förderung.
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Frühdiagnostik schriftsprachlicher Lernschwierigkeiten
Diskussion
® Daß Jungen und Mädchen sich im Vorschulalter weder in sprachbezogenen Wahrnehmungsleistungen noch im Wortschatztest signifikant unterschieden, steht im Einklang mit neueren Ergebnissen der Sprachforschung, wonach der Vorsprung der Mädchen in der Sprachentwicklung im Vorschulalter geringer ist als früher angenommen bzw. als nicht existent anzusehen ist(vgl. Oksaar 1977).
® Statistisch signifikante Unterschiede zwischen Unterschichtkindern und Mittelschichtkindern in den Wortschatzund Differenzierungsleistungen, besonders in der kinästhetischen Differenzierung, weisen darauf hin, daß in unserer Stichprobe die Unterschichtkinder häufiger Artikulationsschwierigkeiten haben. Diese Ergebnisse müßten noch genauer analysiert werden. Hier sind weitere schichtspezifische Untersuchungen anzustreben. Bei einer Frühförderung von Differenzierungs- und Sprachleistungen im Vorschulalter wird man besonders die Unterschichtkinder berücksichtigen müssen.
® Ein wichtiges Ergebnis ist darin zu sehen, daß ohne Förderung 50% und mehr der leistungsschwachen Kinder aus allen drei Altersstufen nach 6 Monaten keine ausreichenden Fortschritte gemacht haben, sondern auf einem unterdurchschnittlichen Differenzierungsniveau verharren. Dieses Ergebnis veranlaßt uns zu einer kritischen Stellungnahme gegenüber Schenk-Danzinger(1984), die der Meinung ist, daß es sich bei Defiziten im Wahrnehmungsbereich im Vorschulalter um eine reine Reifeverzögerung handeln kann, die aber bald aufgrund neurophysiologischer Veränderungen ausgeglichen wird, weshalb diese Mängel für die zukünftige Lesefähigkeit bedeutungslos sein sollen,„denn was beim Testen noch nicht da war, kann sehr bald kommen“ (Schenk-Danzinger 1984, 111). Viele unserer Kinder aus Altersgruppe II und fast alle aus Altersgruppe III standen aber zur Zeit der Zweittestung unmittelbar vor dem Schuleintritt. Ein ungünstiger Schulstart für diese Kinder war vor
auszusehen. Wir halten deshalb Fördermaßnahmen bei schwachen Differenzierungsleistungen im Vorschulalter für notwendig. Erst im Zuge der Einheit von Diagnose und Förderung kann festgestellt werden, ob und wann ein Kind seine Schwierigkeiten in den geprüften Differenzierungsleistungen überwindet. ® Unsere Testanalyse ergab, daß das überarbeitete Verfahren seiner Aufgabe als förderdiagnostisches Instrument insbesondere bei 5 bis 5 1/2jährigen Kindern gerecht wird. Der Einsatz des Verfahrens bei erst Fünfjährigen hat auch den Vorteil, daß genügend Spielraum für Fördermaßnahmen, Nachtestungen und eventuell notwendige weiterführende diagnostische Maßnahmen bleibt, ehe die Kinder eingeschult werden.
® Wir meinen, daß die überarbeitete Differenzierungsprobe ihrer Aufgabe als förderdiagnostisches Verfahren zur Früherkennung und Behandlung bei Differenzierungsstörungen gerecht wird. Sie kann aber auch als förderdiagnostisches Grundverfahren benutzt werden, um komplexere Teilleistungsstörungen für schriftsprachliches Lernen aufzudecken und entsprechende individuelle Förderprogramme zu erstellen, die u.U. im Einzelfall auch auf die Förderung von Sprache und Motorik auszuweiten wären. Das überarbeitete Verfahren ließe sich auch in der Bundesrepublik präventiv einsetzen.
® Aufgrund einiger Ergebnisse der Heilpädagogik(Affolter 1974, 1975) und der Legasthenieforschung(Ensslen 1981, 1984, Gantzer 1979) halten wir es für angebracht, die DP noch um Aufgaben zur Prüfung intermodaler und serialer Leistungen zu ergänzen. Sodann müßte eine weitergehende psychometrische Analyse des Verfahrens erfolgen(Trennschärfe, Schwierigkeit, Gütekriterien). Letztendlich sollte das überarbeitete Verfahren an einer repräsentativen Eichstichprobe normiert werden.
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XV, Heft 2, 1989
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