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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Michaela Mayr& Harold H. Chipman+ Sprachliche und symbolische Fähigkeiten bei zwei Down-Syndrom-Kindern

in dem sich Unterricht und Therapie abspielen, äußerst relevant. Diese Über­legungen bilden die Grundlage der vor­liegenden Kasuistik, in der sprachliche und symbolische Fähigkeiten bei zwei geistigbehinderten Kindern in verschie­denen Spielsituationen beobachtet wur­den.

Fragestellungen

Im folgenden soll untersucht werden, welchen Einfluß verschiedene Spielma­terialien auf das symbolische und sprach­liche Verhalten bei zwei Kindern mit Down-Syndrom haben. Dabei wird von folgenden Fragestellungen ausgegangen:

a) Aufgrund der vorliegenden Literatur (McCune-Nicolich& Bruskin, 1982) kann vermutet werden, daß Sprach­und Spielentwicklung eng zusammen­hängen oder zumindest in einigen strukturellen Aspekten parallel ver­laufen.

b) Es wird vermutet, daß die Evozierung symbolischer Fähigkeiten mit Spiel­material, das für das Kind keine fest definierte Funktion besitzt, vom ko­gnitiven Entwicklungsstand abhängig ist.

c) Aus der letztgenannten Hypothese er­gibt sich eine weitere Fragestellung: Wie reagiert ein geistig behindertes Kind auf Spielmaterial ohne vorgege­bene Funktion, das es aufgrund sei­nes kognitiven Entwicklungsstandes nicht symbolisch verwenden kann? Es wird vermutet, daß eine solche ko­gnitive Überforderung in einer Spiel­situation mit einem Erwachsenen In­teraktionen auslöst.

Probanden

Als Rahmen für unsere Studie, die Teil eines umfassenden Projektes war(Chip­man et al. 1987), diente ein Sonderkin­dergarten, wo die Beobachtung der Kin­der als eine wichtige Aufgabe der Be­treuer anzusehen ist(Speck 1980, 224). Da die vorliegende Untersuchung das Ziel hatte, exemplarisch und detailliert

eine Möglichkeit aufzuzeigen, unter wel­chen Aspekten Sprache und symboli­sches Spiel bei schwer geistigbehinder­ten Kindern beobachtet werden können, wurden zwei Down-Syndrom-Kinder aus­gewählt. Ihr allgemeines Entwicklungs­niveau war einige Monate vor der Be­obachtung anhand der Münchener Funk­tionellen Entwicklungsdiagnostik(Hell­brügge 1978) und einer Skala aus den Uzgiris-Hunt-Skalen(1975) überprüft worden.

T., zur Zeit der Beobachtung 54 Monate alt, war im Alter von 51 Monaten gete­stet worden: Sein Sprachverständnis ent­sprach einem Entwicklungsalter von 24 Monaten, die Sprachproduktionsebene lag zwischen 24 und 28 Monaten. Dieses Niveau stimmte mit den übrigen Berei­chen der Entwicklungsdiagnostik über­ein.

E., zur Zeit der Beobachtung 77 Monate alt, war im Alter von 70 Monaten gete­stet worden. Ihr Sprachverständnis ent­sprach einem Entwicklungsalter von 38 Monaten, die Sprachproduktionsebene lag zwischen 38 und 43 Monaten. Die anderen Entwicklungsbereiche lagen bei ihr auffallend unter dem sprachlichen Entwicklungsstand.

Methodik

Datensammlung

An drei aufeinanderfolgenden Tagen spielte jedes Kind einzeln mit derselben vertrauten Erzieherin mit je einem von drei Spielsets. Mit einer mobilen Video­kamera wurden die Kinder in ihrer ver­trauten Umgebung(vorschulische Ein­richtung) gefilmt. Aus jeder Spielsitua­tion wurden dann zehn Minuten ab Be­ginn der Interaktion protokolliert und analysiert. Um gezielt beobachten zu können, wie die Art der Spielobjekte auf das symbolische Spiel einwirkt, wur­de durch das Testmaterial vorstruktu­rierten Situationen gegenüber einer Be­obachtung vollkommen freien Spiels der Vorzug gegeben. Dazu wurde das Mate­rial in drei verschiedene Spielzeugsets aufgeteilt, welche die Spielsituationen konstituierten:

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XV, Heft 2, 1989

a)konventionelles Material: Die Ob­jekte besitzen eine konventionell und pragmatisch festgelegte Funktion: je zwei Teller, Tassen, Untertassen, Löf­fel, Gabeln, Messer, Puppenflasche, Trinkbecher, Kochtopf, Pfanne, Pup­penwagen, Bürste, Kamm, Spiegel, Handtuch, Wanne, Nachttopf.

b)halbkonventionelles Material: Die Objekte besitzen eine konventionelle Funktion, können aber auch andere Funktionen erfüllen: zwei Wollschals, Schuhschachtel, Buch, Stift, Tuch, Schwamm, Strohhalm.

c)unkonventionelles Material: Die Objekte besitzen für das Kind keine bestimmte Funktion: je zwei Pfeifen­putzer, Bambusstäbe, drei viereckige Plastikbehälter, mehrere Holzklötze in verschiedenen Farben und Formen, ein Stück Stoff, Fell, eine Filmdose mit Deckel, Schraubdeckel, kleiner Ball, rotes Geschenkband, schwarzes, breites Gummiband, Toilettenpapier­rolle(ohne Papier).

Jedes Materialset wurde durch eine an­gekleidete Puppe(mit Haaren) ergänzt.

Die Rolle der Erzieherin wurde in allen drei Spielsituationen konstant gehalten, indem die Bezugsperson angeregt wurde, normal mit dem Kind zu interagieren. Viele Studien sowie pädagogische Erfah­rungen bestätigen die Wichtigkeit einer positiv dem Kind gegenüber eingestell­ten Bezugsperson(vgl. Speck 1980, 183).

Datenanalyse des symbolischen Spiels

Dies erfolgte in vier Arbeitsschritten, wobei dieses Vorgehen auf jede Spielsi­tuation einzeln angewandt wurde:

1. Erstellung des Protokolls: Handlungs­ablauf und Sprachproduktionen wur­den, mit Zeiteinheiten versehen, par­allel nebeneinander dargestellt.

2. Kategorisierung in interpretierbare

und nichtinterpretierbare nonverbale

Handlungen.

Proportionale Aufschlüsselung der

nicht als symbolisch interpretierba­

ren Handlungen in die folgenden Ka­tegorien:

a

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