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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Gegenüberstellung von symbolischem Spiel und Sprache

Im Rahmen einer Kasuistik ist es schwie­rig, von allgemeingültigen Korrelationen zu sprechen. Die geringe Anzahl der Pro­banden läßt lediglich zu, Verbindungen festzustellen, die zunächst nur für diese spezielle Situation und die hier beobach­teten Kinder mit Down-Syndrom gelten können. Allgemeine Aussagen werden nur weitere Studien mit größeren Grup­pen erbringen. Dies soll den Ergebnissen noch einmal vorangestellt werden. Unterschiede zwischen T. und E. sind sowohl a) in der Häufigkeit symbolischer Akti­vitäten als auch b) im Niveau zu bemerken. Diese inter­individuelle Diskrepanz wird auch aus den sprachlichen Parametern er­sichtlich. Zu a): E. zeigte sich durch die Häufig­keit ihrer symbolischen Aktivitäten und sprachlichen Äußerungen als kreativer in beiden Modalitäten. Doch es kann fest­gehalten werden, daß durch die sprachli­chen Aktivitäten Es die Klassifizierung der Spielhandlungen erleichtert wurde, d.h. ihre Intentionen in vielen Fällen besser zu erkennen waren als bei T. Ein struktureller Aspekt von Es größe­rer Variationsbreite ist die dadurch sin­kende Wiederholungshäufigkeit, wäh­rend dies bei T. umgekehrt ist. Diese Be­obachtung stützt die Vermutung, daß durch viele Wiederholungen ein relativ kleines, sprachliches wie aktionales, Re­pertoire kompensiert wird(Skarakis 1982) und die Aktivität nur so aufrecht­erhalten werden kann.(Hier soll noch einmal daran erinnert werden, daß das größere bzw. kleinere Repertoire immer nur in Relation zu dem anderen Kind gesehen werden kann.) Zu b): Nicolich(1975) stellte bei 14- bis 16monatigen unauffälligen Kindern das gleichzeitige Auftauchen von Planen und Sequenzen und dem Gebrauch von Mehrwortäußerungen fest Parametern, die sie auf fortgeschrittenes Antizipie­ren zurückführt. Tatsächlich finden sich beide Fähigkeiten bei E. ausgeprägt, bei T. aber nicht das Planen von Sequenzen

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und nur selten der Gebrauch von Mehr­wortäußerungen.

Auf eine Gemeinsamkeit zwischen den Kindern deutet das Ergebnis hin, daß so­wohl die Äußerungen als auch die Hand­lungen innerhalb einer Spielsituation bei beiden Kindern entweder durch Imita­tionen oder in den meisten Fällen durch spontanes Verhalten bestimmt werden.

Ein Ergebnis läßt eine intraindividuelle Diskrepanz zwischen den Spielaktivitä­ten und den sprachlichen Produktionen Ts vermuten. McCune-Nicolich& Brus­kin(1982) stellten eine Übereinstim­mung zwischen dem höchsten Spielni­veau und dem Konsolidieren von Mehr­wortäußerungen fest. Während bei T. die Kriterien des höchsten Spielniveaus mit Ausnahme des Planens von Sequen­zen oft zu beobachten sind, befindet er sich noch im Stadium der Ein­wortäußerungen. Bei E. dagegen weisen beide Modalitäten so hohe Niveaus auf, daß vermutet werden muß, diese Ni­veaus haben sich schon etabliert und der Übergang liege schon längere Zeit zu­rück. Bei E. wäre deshalb ein Blick auf frühere Entwicklungsstufen interessant gewesen.

Zusammenfassend kann gesagt werden, daß, verglichen mit Ergebnissen verschie­dener Studien, E. elaboriertes symboli­sches Spiel und ein entsprechendes sprachliches Niveau zeigt. Bei T. deuten einige Merkmale auf ein gegenüber der Sprachproduktion weiter entwickeltes Spielniveau. Hier könnte vermutet wer­den, daß das sprachliche Defizit nicht in einer mangelnden Symbolfähigkeit be­gründet ist.

Schluß

Abschließend sollen die u.E. auf das pädagogische Handeln des Sprachbehin­dertenpädagogen übertragbaren Ergeb­nisse zusammengefaßt werden.

Sehr deutlich zeigt sich die Abhängig­keit der symbolischen Handlungen vom Spielmaterial bei T. Es kann vermutet werden, daß das unkonventionelle Mate­rialset ihn zwar kognitiv überlastete er

Michaela Mayr& Harold H. Chipman- Sprachliche und symbolische Fähigkeiten bei zwei Down-Syndrom-Kindern

konnte es kaum transformieren(umdeu­ten), doch hält er durch nonverbal ex­plorative Handlungen sein Spiel aufrecht. Ebenso nimmt er eine aktive Rolle ein, um die Kommunikation mit der Erzie­herin weiterzuführen. So kann gefolgert werden, daß die qualitativ unterschiedli­chen Materialsets unterschiedliche ko­gnitive bzw. kommunikative Leistungen evozieren. Daß dies vielleicht auch vom kognitiven Entwicklungsstand des Kin­des abhängig ist, kann aufgrund des Ver­gleichs mit E. vermutet werden.

Neben den Explorationen mit den un­konventionellen Objekten werden auch die bei T. mit diesem Materialset häufi­gen interaktiven Handlungen, die an die Erzieherin gerichtet sind, als Versuch ge­deutet, Möglichkeiten zur Verwendung der Objekte zu erfahren. Somit kann die Hypothese formuliert werden, daß die interaktiven Handlungen(wie hier bei T.) die später erscheinenden explorati­ven Was-ist-das-Fragen vorbereiten. Bei Kindern in dieser Phase sollte der Sprachbehindertenpädagoge auf diese Aktivitäten, die hier als aktive Spracher­werbsstrategie interpretiert werden kön­nen, reagieren und durch Techniken des Modellierens die eigenen Handlungen (self talking) und die vermuteten Fra­gen und Intentionen des Kindes(paral­lel talking) verbalisieren(vgl. Dannen­bauer 1983).

Die bei E. beobachteten Fähigkeiten zum Planen von Handlungssequenzen und zum Gebrauch von Mehrwortäußerungen bestätigen wiederum das Zusammenspiel zwischen symbolischem Spiel und kogni­tiver Entwicklung. Die Verwendung von Mehrwortäußerungen erfordert vermut­lich die Fähigkeit, Sequenzen zu planen und zu strukturieren also eine Antizi­pationsfähigkeit. Pädagogisch könnte diese Hypothese(etwa bei T.) angewen­det werden, indem Handlungs- oder Spielkontexte als kognitive Grundlagen zum Antizipieren ausgebaut und variiert werden, um Sprachtherapie auf geeigne­ten kognitiven Fundamenten durchfüh­ren zu können.

Eine letzte Bemerkung betrifft die Be­deutung für die Frühförderung: Die Be­obachtung eines Kindes beim symboli­schen Spiel deckt kognitive, sprachliche

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XV, Heft 2, 1989