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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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behinderten Personen:

Aggressives Verhalten bei geistig

Prävalenz und Zusammenhang mit sozialer Kompetenz und sozialer Unterstützung

Von Wolfgang Meins

Von 692 institutionalisierten geistig behinderten Er­wachsenen zeigten 15.8% gegen andere Personen und/oder Objekte gerichtetes aggressives Verhalten. Dieses Verhalten kommt besonders häufig bei den jüngeren Personen vor. Eine Geschlechtsabhängigkeit konnte nicht nachgewiesen werden. Das Ergebnis ei­ner Diskriminanzanalyse zeigt, daß häufiges aggressi­ves Verhalten einhergeht mit folgenden Merkmalen (in der Reihenfolge ihrer Bedeutung): Problemen im Umgang mit Frustration und Kritik, geringen Selbst­hilfefertigkeiten, niedriger sozialer Unterstützung und Epilepsie.

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Einleitung

Deinstitutionalisierung

Of 692 institutionalized mentally retarded adults 15.8% exhibited behavior injurious to other people and/or behavior that damages property. This be­havior is especially often exhibited by younger per­sons and not related to sex. The result of a discrimi­nant analysis shows an association between frequent aggressive behavior and the following variables(in order of their importance): poor reaction to frustra­tion and criticism, low self-help skills and social sup­port, epilepsy.

nachgewiesen dingungen von Aggressivität bisher

Psychische Störungen kommen bei gei­stig behinderten Personen insbesonde­re bei den Bewohnern großer Institutio­nen wesentlich häufiger vor als in der Normalpopulation(Übersichten bei: Meins 1988a; Parsons et al. 1984). Von besonderer Bedeutung sind aggressive Verhaltensprobleme, für die Bruininks et al.(1988) in den USA für ver­schiedene Stichproben eine Prävalenz zwischen 16% und 42% ermittelten. Ne­ben den unmittelbaren Konsequenzen, die sich für alle Beteiligten aus aggressi­vem Verhalten ergeben können, er­schwert es die Umsetzung zeitgemäßer, anNormalisierung orientierter Betreu­ungskonzepte. So konnte in zahlreichen Untersuchungen in den USA vor allem aggressives Verhalten als eine oder die entscheidende Ursache für das indivi­duelle Scheitern der Bemühungen um

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werden(z.B. Hill& Bruininks 1984). Die Annahme, daß die bloße Umsetzung geistig behinderter Personen von großen Anstalten in kleinere Einrichtungen zu einer Besserung aggressiver und anderer Verhaltensstörungen führt, konnte em­pirisch bisher nicht bestätigt werden (Conroy et al. 1982; Eyman et al. 1981). Über die Wirksamkeit psychotherapeuti­scher Verfahren, vor allem der Verhal­tenstherapie, liegen dagegen zahlreiche Berichte vor(Burkart& Krech 1985; Mulick& Schroeder 1980). Erwähnt werden muß ferner die medikamentö­se Behandlung, die sehr häufig prakti­ziert wird. Meins(1989) ermittelt bei gei­stig Behinderten mit aggressiven Verhal­tensweisen eine Psychopharmakobehand­lungsrate von 50%, gegenüber 24% bei denjenigen ohne solches Verhalten.

Eggers(1985, 27) stellt fest,daß eine einheitliche Theorie der Entstehungsbe­

nicht existiert. Mulick& Schroeder (1980) weisen darauf hin, daß zudem nur ein sehr geringer Teil der wissen­schaftlichen Aggressionsliteratur sich mit geistig behinderten Menschen be­schäftigt. Auf eine weitere Darstellung der gängigen Aggressionstheorien soll hier verzichtet werden(s. z.B. Burkart & Krech 1985; Kral 1985). Auch ein neuerer, motivationstheoretischer Ansatz (Kornadt 1984) berücksichtigt bisher nicht die besonderen Probleme geistiger Behinderung.

In der vorliegenden Untersuchung wur­de die Prävalenz aggressiven Verhaltens in Abhängigkeit ausgewählter demo­graphischer Variablen erstmals auch für eine bundesdeutsche Stichprobe gei­stig behinderter Personen ermittelt. Fer­ner wurden zwei Konzepte auf ihren Zu­sammenhang mit aggressiven Verhal­tensweisen untersucht:(1) Soziale Un­

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XV, Heft 2, 1989