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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Wolfgang Meins ­

Aggressives Verhalten bei geistig behinderten Personen

Tabelle 1: Demographische Merkmale der Stichprobe

Geschlecht männlich 61 56,0 weiblich 48 44,0 Alter(Jahre) I 19-40 61 56,0 Il 41-59 43 39,4 Il>60 5 4,6 Behinderungsgrad leicht 19 17,4 mäßig 49 45,0 schwer 36 33,0 schwerst 5 4,6 Epilepsie 30 27,5

* Angaben liegen nicht vor

Ergebnisse

Tabelle 1 vergleicht die 109 Fälle das entspricht einer Prävalenz von 15.8% mit der restlichen Stichprobe(n= 583). Beide Gruppen unterscheiden sich nicht bezüglich ihrer Geschlechterverteilung und lediglich trendmäßig in ihrem An­teil an Personen mit(behandelter) Epi­lepsie. Deutlich unterschiedlich fällt die Alterszusammensetzung aus: Aggressives Verhalten kommt besonders häufig bei den 1940jährigen vor, hingegen kaum in der Altersgruppe Ill.

Einige Charakteristika des aggressiven Verhaltens sind der Tabelle 2 zu entneh­men. Aggressives Verhalten gegen Perso­nen kommt deutlich häufiger vor als ge­gen Objekte gerichtetes. In den meisten Fällen(69.7%) ist es jedoch sowohl ge­gen Personen als auch gegen Objekte ge­richtet. Mitarbeiter und Mitbewohner sind etwa gleich häufig Ziel des aggressi­ven Verhaltens. Bemerkenswert fällt das Ergebnis der allerdings nur recht globa­len Verlaufsbeurteilung aus bezogen auf die letzten zwölf Monate: Ein selte­neres Vorkommen wird fast dreimal so häufig berichtet wie eine Zunahme des aggressiven Verhaltens. Mit deutlichem Abstand wurden als die beiden häufig­

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Aggressives Verhalten

nein(n=5$83)

n

339 58,1 0,18 n.S. 244 41,9(df=1) 183 31,4 32,82<.001 260 44,6(df=2) 140 24,0

* 119 20,4 2,73<.10

(df=1)

sten Gründe für einen günstigen Verlauf genannt: Die Verlegung aus einer ande­ren Wohngruppe, die meist verbunden war mit verbesserten räumlichen Bedin­gungen, geringerer Bewohnerzahl und anderen Betreuern; ferner hätten sich verbesserte Möglichkeiten des Personals zu pädagogischen Interventionen erge­ben, weil inzwischen eine tragfähige Be­ziehung entstanden sei und man den Be­wohner und seine Probleme besser ken­nengelernt habe. Als Grund für häufige­res Vorkommen aggressiver Verhaltens­weisen werden vor allem Probleme zwi­schen Personal und dem betreffenden Bewohner angegeben etwa ein Ver­trauensverlust die z.T. auch durch Fluktuation der Mitarbeiter bedingt seien.

Bei nahezu drei Viertel der Fälle ist meistens ein Auslöser des aggressiven Verhaltens erkennbar. Unter den von den Mitarbeitern vermuteten auslösen­den Reizen werden vor allem zwei Kon­stellationen genannt: Das Nicht-Erfüllen bzw. die Nicht-Erfüllbarkeit geäußerter Wünsche oder Forderungen oder bei einem geringeren Teil wenn diese Wünsche nicht sofort erfüllt werden. Auslöser aggressiven Verhaltens sind fer­ner Anforderungen der Mitarbeiter an

die Bewohner, wie Aufstehen, Waschen, Schlafen-Gehen. Bei einer kleineren Gruppe von Bewohnern(n= 8) liegen offensichtlich starke Ordnungszwänge vor, deren Verletzung durch andere dann aggressives Verhalten auslöst. Bei ebenfalls acht Personen wurde von den Mitarbeitern beobachtet, daß die auslö­senden Reize in der Regel nur dann wirk­sam sind, wenn bei ihrem Auftreten eine von äußeren Einflüssen weitgehend un­abhängige ungünstige Stimmungslage besteht. Die häufigste Reaktionsweise des Personals ist eine rein verbale, etwa ermahnender oder beschwichtigender Art, die in über 40% der Fälle aber nicht möglich oder allein nicht ausreichend zu sein scheint, so daß eine körperliche In­tervention oder auch die Hilfe von Kol­legen erforderlich ist. Zu berücksichti­gen ist hier, daß selbstverständlich kör­perliches Vorgehen verbale Interventio­nen einschließen kann.

In Tabelle 3 sind Vorkommen und Fre­quenz der häufigsten aggressiven Verhal­tensweisen aufgelistet. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wurde auf die Darstel­lung der zehn restlichen Verhaltenswei­sen verzichtet, die jeweils bei weniger als

Tabelle 2: Ausgewählte Merkmale des aggressiven Verhaltens(n= 109)

Merkmale n% Aggressives Verhalten gegen Personen 104 95,4 davon überwiegend gegen Mitarbeiter 32 30,8 Bewohner 30 28,8 Mitarbeiter und Bewohner 42 40,4 Aggressives Verhalten gegen Objekte 81 74,3 Verlauf seltener 47 43,1 unverändert 45 41,3 häufiger 17 15,6 Auslöser erkennbar nie/ selten 30 27,5 meistens 79 72,5 Reaktion des Personals keine/systemat. Ignorieren 2 1,8 verbale 60 55,0 körperliche 44 40,4 Hilfe holen 3 2,8

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XV, Heft 2, 1989