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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Die Erziehung im Zusammenhang mit dem Fortlaufen von Jugendlichen

aus Fürsorgeheimen

Von H.L.W. Angenent

Wie auch in der Familie findet die Erziehung von Ju­gendlichen in Fürsorgeheimen im Rahmen der per­sönlichen Beziehung zwischen Jugendlichen und Er­ziehern statt. In der Familie sind es die Eltern, im Fürsorgeheim die Gruppenerzieher. In beiden Fällen sind, wie immer in der Erziehung, zwei Basisdimen­sionen zu erkennen: Wärme und Dominanz.

In unserer Untersuchung über 94 Jugendliche, die aus Fürsorgeheimen fortgelaufen sind stellte sich heraus, daß diese Fortläufer in den Fürsorgeheimen von den Gruppenerziehern dominanter erzogen wur­den als die anderen Jugendlichen(Nicht-Fortläufer). Deutlich wird, daß diese dominante Erziehung zu­sammenhängt mit der dominanten und kalten Erzie­hung, die die Fortläufer schon im Elternhaus erfah­ren haben, und die ihre Persönlichkeit und Verhal­tensweise geprägt hat, wodurch sie sich schwierig an­passen.

As in the family, the upbringing of juveniles in wel­fare homes is part of the personal relationship be­tween the juveniles and the educators. In the family these are the parents, in the welfare homes the groupworkers. In both cases two basic dimensions play as always an important role in the upbring­ing: warmth and dominance.

In our research regarding 94 juveniles who ran away from welfare homes it turned out that these runaways are brought up by the groupworkers in a more dominant way than the other juveniles(non­runaways). It becomes clear that this dominant up­bringing is related to the dominant and cold upbring­ing which has marked their personality and be­haviour.

Erziehung

Die Erziehung von Jugendlichen findet innerhalb der konkreten Beziehung zwi­schen Erziehern und Jugendlichen statt. Die endgültige Form dieser Erziehung wird von einer Vielzahl von Faktoren beeinflußt, zu denen die Persönlichkeit und die Erziehungsansichten der Erzie­her und die Persönlichkeit der Jugendli­chen gehören. Es sind aber im Erzie­hungsprozeß einige allgemeine Muster zu erkennen(Stapf et al. 1972; Lukesch 1975, 1976). Wir werden diese die Grundmuster der Erziehung nennen. Die zwei wichtigsten Grundmuster sind Wär­me und Dominanz. Man findet sie in vie­len Veröffentlichungen wieder, sei es in vielen Fällen nur implizit(Litt 1967).

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Wärme und Dominanz werden in Unter­suchungen meistens als Dimensionen de­finiert(Wärme gegenüber Kälte und Do­minanz gegenüber Nachgiebigkeit). In beiden Fällen handelt es sich um entge­gengesetzte Methoden der Erziehung (Pulver 1962; Tausch& Tausch 1979). Angenent(1986) spricht von Wärme und Dominanz als Basisdimensionen der Erziehung. Die Begriffe Wärme und Do­minanz sind folgendermaßen zu beschrei­ben. Eine warme Erziehung führt zu Be­ziehungen, in denen Begriffe wie Annah­me und Beschützung wesentlich sind; ei­ne kalte Erziehung dagegen führt zu Verwahrlosung und Abweisung. Die Di­mension Dominanz gegenüber Nachgie­bigkeit deutet den strukturierten Cha­rakter in der Beziehung zwischen Erzie­

hern und Jugendlichen an. Ein dominan­ter Erziehungsstil führt zu Beziehungen, in denen Aufsicht und Herrschaft we­sentlich sind, während in einer nachgie­bigen Erziehung der Jugendliche mehr Freiheit hat.

Erziehung in Fürsorgeheimen

In dieser Veröffentlichung richten wir uns auf Jugendliche, die in Fürsorgehei­men wohnen. Jugendliche, deren Eltern nicht mehr imstande sind, für die Erzie­hung ihrer Kinder zu sorgen, können in ein Fürsorgeheim untergebracht werden. Das Fürsorgeheim bietet also ein päd­agogisches Ersatzmilieu. Seine Aufgabe

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XV, Heft 2, 1989