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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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ren zu veranschlagen, daß sie vor diesem Manko nicht die Augen verschlossen ha­ben und dennoch versuchen, die Diskus­sion und den Erkenntnisstand in der Son­derpädagogik zum Nutzen von Theorie und Praxis voranzutreiben.

Prof. Dr. Jörg Schlee, Oldenburg

Bloodstein, Oliver: A Handbook on Stut­tering. National Easter Seal Society: Chicago, Illinois(4. Auflage) 1987, 531 Seiten. Paperback. 17,95 US$

Nach weiteren sechs Jahren hat Oliver Bloodstein eine 4. Auflage seines inzwi­schen längst zum Standardwerk gewor­denenHandbook on Stuttering vorge­legt und, dem Zweck des Buches entspre­chend, die inzwischen angefallene Lite­ratur(über 300 neue Titel) mit Weiter­entwicklungen der Theorien und mit neuen Ergebnissen einbezogen.

Der 531 Seiten umfassende Text ist in 11 Kapitel gegliedert. Zunächst geht es um Aspekte der Symptomatologie und damit verbunden um Probleme der Defi­nition und Erfassung des Stotterns. Im zweiten Kapitel ordnet der Autor die zahlreichen Vorschläge zu ‚Theorien über die Entstehung des Stotterns und ‚Theorien über das aktuelle Auftreten des einzelnen Stotterereignisses, indem er auch folgende inhaltliche Gruppierun­gen vornimmt: Theorien des Zusammen­bruchs des Sprechens, Antizipationshy­pothesen, psychoanalytische Theorien. Das dritte Kapitel enthält Angaben zur Häufigkeit des Stotterns. In den näch­sten drei Kapiteln geht es um die Per­son, die stottert: einerseits z.B. um phy­siologische und neurophysiologische Pro­zesse, um motorische Fähigkeiten, ande­rerseits um_Persönlichkeitsmerkmale, um die Entwicklungsgeschichte und den familiären Hintergrund. Im siebten Ka­pitel werden verschiedenste Merkmale, die mit dem Auftreten des Stotterereig­nisses in Verbindung stehen, in ihrer Verteilung und Häufigkeit dargestellt. Anschließend wird in einem eigenen Ka­pitel auf vier kontroverse Merkmale ein­gegangen. In Kapitel neun behandelt Bloodstein verschiedene Aspekte des be­ginnenden Stotterns, der normalen Sprechunflüssigkeit und Merkmale der jeweiligen Kinder. Das schwierige Unter­fangen der zusammenfassenden Schluß­

folgerung und der Bewertung bezüglich der zentralen Theorieansätze, Daten und offenen Fragen unternimmt der Autor im zehnten Kapitel, um abschließend Fragen der Behandlung des Stotterns, der Spontanremission, des Rückfalls bzw. der Stabilität der Therapieeffekte zu behandeln. Die einzige Erwartung, in der sich ein Leser enttäuscht sehen könnte, betrifft die knappe Darstellung der Behandlung. Zahlreiche Verknüpfungspunkte Zzwi­schen Theorie- und Forschungsfragen, praktischen Problemen sowie den Ergeb­nissen könnten deutlicher behandelt wer­den. Abgesehen davon kann die Qualität des Handbuchs von Bloodstein nicht ge­nug hervorgehoben werden. Es bietet ei­nen Zugang sowohl zu einem komplet­ten Überblick über die Vielfalt der der­zeitigen, teils auch der früheren Frage­stellungen, Hypothesen und Ergebnisse der Stotterforschung als auch einen Zu­gang zu Einzelaspekten dieser Themen. Der Autor hat es verstanden, die Ent­wicklungstendenzen und Fortschritte rückblickend und aktualisierend aufzu­zeigen, eindeutige Forschungsbefunde gegenläufigen Ergebnissen sachlich ab­wägend gegenüberzustellen und dabei die Flut tendenzieller, aber nicht signi­fikanter Ergebnisse zur weiteren Verfol­gung einer Thematik zu diskutieren. Durch die Ausstattung des Buches mit zahlreichen Tabellen, Registern sowie dem fast unerschöpflichen Literaturver­zeichnis, ist dieses Handbuch für Studie­rende wie für Forscher bestens geeignet zum profunden Studium der gesamten Stotterproblematik und von Einzelaspek­ten sowie zur Orientierung über den der­zeitigen Stand der Forschung. Wer sich mit Stottern befaßt, sollte es nicht ohne dieses Handbuch tun!

Dr. Peter Jehle, Frankfurt/M.

Clahsen, H.: Die Profilanalyse. Ein lin­guistisches Verfahren für die Sprachdia­gnose im Vorschulalter. Carl Marhold Verlagsbuchhandlung, Berlin 1986. 160 Seiten.

Ein wichtiges Terrain sprachheilpädago­gischer Forschung, welches nach wie vor besonderer Aufmerksamkeit und inten­siver Zuwendung bedarf, ist die Diagno­stik sprachentwicklungsauffälliger Kin­

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XV, Heft 2, 1989

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der. Hier sind es im besonderen die Fra­gen der Untersuchung und Identifizie­rung der sprachlichen Leistungen jener Kinder, die viel zu generell alsDysgram­matiker bezeichnet werden und für de­ren pädagogische Rehabilitation bis jetzt noch kein allseits überzeugendes Kon­zept gefunden wurde. Die Auseinander­setzung um adäquate Untersuchungspro­zeduren, bei der auf der einen Seite in­formelle, zumeist aus der Praxis erwach­sene Verfahren stehen und auf der an­deren Seite standardisierte Tests teil­weise auf wissenschaftlich-theoretischer Grundlage, ist(etwa seit 1976) durch neuartige Diagnosetechniken belebt wor­den, die unter der BezeichnungProfil­konstruktionen(profile construction oderprofile approach; vgl. Crystal 1982) bekanntgeworden sind.

Das hier vorliegende Buch stellt den Versuch dar, in Anlehnung an eine englischsprachige Profilkonstruktion (LARSP*), aber unter notwendiger Be­rücksichtigung der Besonderheiten der deutschen Sprache ein ebensolches Ver­fahren zu entwickeln, das jedoch im Un­terschied zu seinem Vorbildnur zur Diagnose grammatischer Störungen im expressiven Bereich bei sprachauffälli­gen Kindern verwendet werden kann (S. 9).

Kernstück dieses Diagnoseverfahrens ist ein Profilbogen mit entwicklungsorien­tiert angeordneten Merkmalen, die zu ei­ner geordneten Folge invarianter Ent­wicklungssequenzen zusammengefaßt wurden. Mit Hilfe dieses Profilbogens wird eine_Spontansprachstichprobe (‚,...alle Äußerungen, die ein sprachauf­fälliges Kind während einer möglichst ungezwungenen Kommunikationssitua­tion...) einerdetaillierten linguisti­schen Beschreibung(S. 4) unterzogen. Trotz einer solchen Formulierung sollte sich der Leser und potentielle Anwender des Verfahrens allerdings darüber im kla­ren sein, daß es sich bei derProfilana­lyse wie dieses sprachdiagnostische Verfahren hier genannt wird strengge­nommen nicht um eine so komplexe und aufwendige Beschreibung kindlicher Sprechleistungen handelt, wie sie von ei­nem Linguisten mit wissenschaftlichem und weniger oder gar keinem praXxis­orientierten Anspruch vorgenommen wird.

Aber gerade die mit diesem sprachdia­gnostischen Instrumentarium verbunde­ne Absicht, sprachpathologische und

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