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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Buchbesprechungen

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Programms werden an einer beispielhaf­ten Anwendung erläutert.

Der Schwerpunkt des Buches liegt da­bei nicht auf der Vermittlung der Grund­lagen der behandelten Analyseverfahren, sondern auf der Darstellung der Program­me. Die Einführungen zu den einzelnen Verfahren sind dementsprechend kurz und stellenweise sehr vereinfachend. Leider zeichnen sich die Programme nicht durch große Flexibilität aus. So ist das Programm für Varianzanalysen bei­spielsweise nur für 2-faktorielle Designs mit festen Effekten und ohne Meßwie­derholung ausgelegt, wobei allerdings sowohl gekreuzte als auch hierarchische Designs verarbeitet werden können. Da die Programme sehr unübersichtlich, un­strukturiert, schlecht dokumentiert und so gut wie gar nicht kommentiert sind, wird es in den meisten Fällen einfacher sein, ein ganz neues Programm zu schrei­ben, als eins der abgdruckten Programme an spezifische Fragestellungen anzupas­sen. Auch enthalten die Programme viele Programmiertechniken und Funktionen, die nicht Standard-Pascal entsprechen, ohne daß diese Funktionen kommen­tiert würden.

Bei genauer Analyse der Programme zeigt sich, daß der schlechte Program­mierstil anscheinend dem Programmie­rer selbst die Übersicht geraubt hat. So findet sich in einem Programmierteil toter Code, d.h. Programmanweisun­gen, die nie ausgeführt werden und eben­so gut hätten weggelassen werden kön­nen. Schwerwiegender ist noch, daß sich bei einem Test des abgedruckten Pro­gramms für Kovarianzanalysen zeigte, daß das Programm nach Beseitigung ein­zelner Fehler zwar die im Buch abge­druckte Ergebnistabellen produziert, daß jedoch entweder im Programm oder im Beispiel abhängige Variable und Kova­riate vertauscht sind. Zumindest das Pro­gramm für Kovarianzanalysen wurde of­fensichtlich nicht sorgfältig ausgetestet und es ist zu befürchten, daß das auch für die anderen Programme gilt.

Die mangelnde Dokumentation bezieht sich nicht nur auf die Programme selber, sondern auch darauf, wie die Daten für die Eingabe aufzubereiten sind. Das kann dazu führen, daß Daten falsch eingelesen werden, ohne daß auf den ersten Blick ein Fehler zu erkennen wäre.

Als Fazit läßt sich jedem an statistischen Analyseverfahren Interessierten empfeh­len, sich lieber gleich in ein Standard­

Statistikprogrammpaket einzuarbeiten. Die Flexibilität der von Cheaib& Haf an­gegebenen Programme ist gering, Abän­dern der Programme ist aufwendig und auf die von den Programmen gerechne­ten Ergebnisse kann man sich nicht ver­lassen.

Dipl.-Psych. Gerd Schumacher, Aachen

Radigk, Werner: Kognitive Entwicklung und zerebrale Dysfunktion. Verlag mo­dernes lernen, Dortmund, 1987, 226 Sei­ten, 26 Abbildungen

Radigk legt eine Kommunikationstheo­rie der geistigen Entwicklung und der möglichen Funktionsschwierigkeiten psychischer Prozesse vor, die sich am Zu­sammenwirken des Organismus mit der Umwelt orientiert. Anlaß für die verän­derte Sicht geistiger Entwicklung ist das Anwachsen unseres Wissens in den ver­schiedensten Gebieten, insbesondere je­doch in der Evolutionstheorie, in der Neurophysiologie und in der Sonderpäd­agogik. Die Betrachtungsweise ist des­halb interdisziplinär. Die geistige Ent­wicklung wird sowohl von der neuro­physiologischen als auch von der psy­chologischen Seite her aufgeklärt. Besonders beachtlich sind z.B. die ent­wicklungspsychologischen Einsichten. Was einst als Begabung angesehen wur­de, was bei Piaget noch einen Prozeß der Reifung darstellte, zeigt sich im Lichte der neueren Forschung als ein kompli­ziertes Zusammenspiel zwischen Genen und Umwelteinwirkungen. Was lange Zeit als ein einheitlicher Prozeß gesehen wurde, wird als ein abgestufter Vorgang erläutert, in dem die einzelnen Signalsy­steme oder Informationsstufen aufein­ander aufbauen. Aus der theoretisch fundierten entwicklungspsychologischen Systematik folgt die Gesetzmäßigkeit: Je höher die Kodierung, um so mehr Anteile hat das funktionelle System, um so mehr Anteile können gestört werden, um so höher die Ausfallserscheinungen, um so höher aber auch die Redundanz und die Möglichkeiten der Kompensa­tion.

Im ersten Teil geht der Autor auf die neurophysiologischen Grundlagen ein. Er möchte damit Grundgesetze der Ar­beitsweise des Zentralnervensystems

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XV, Heft 2, 1989

aufweisen, die in die psychischen Pro­zesse eingehen. Dabei werden nicht nur die altbekannten Prozesse referiert. Mit neuen Erkenntnissen aus der Biochemie oder der Nuklearmedizin(Positron-Emis­sions-Tomographien) gelingt es ihm, ein geschlossenes Bild der materiellen Grundlagen höherer geistiger Prozesse zu zeichnen. Besonders hervorzuheben sind seine Aussagen zum Zusammen­wirken der Zentren, zur Bedeutung des Bewußtseinszustandes und zur Wirkung von Hypothese und Planung.

Der Kern der Ausführungen liegt in der Darstellung der Entwicklung unserer gei­stigen Funktionen und der Bedingungen für die Entstehung von Funktionsschwie­rigkeiten. Dazu baut der Autor auf den bekannten Ergebnissen der verschiede­nen Entwicklungs- und Lerntheorien auf, unterzieht sie jedoch einer kritischen sonderpädagogischen Prüfung. Im Ver­gleich zwischen der normalen und der abweichenden Entwicklung geht er den Gesetzmäßigkeiten kognitiver Entwick­lung nach und entwickelt ein Modell der Informationsstufen, das die komplizier­ten Vorgänge geistiger Operationen ver­ständlich strukturiert. Dabei setzt sich der Verfasser kritisch mit der Wahrneh­mungstheorie, der Lehre Galperins und der genetischen Psychologie Piagets aus­einander. Die von ihm vertretene Sicht­weise stimmt mit den Erfahrungen der Praxis überein. Den kritischen Gedan­kengängen kann als notwendige Weiter­entwicklung nur zugestimmt werden. Besonderes Augenmerk widmet der Ver­fasser der ersten Informationsstufe, dem gegenständlichen elementaren Lernen. Dabei ist es das Verdienst des Autors, die bisherige völlig unzureichende Be­trachtung der für die geistige Entwick­lung und für das Lernen grundlegenden Aktivitäten entsprechend hervorgeho­ben und in das Bewußtsein gerückt zu haben. Von besonderem wissenschaftli­chen Wert sind darüber hinaus auch die weiterführenden Ergänzungen und Struk­turierungen dieser basalen Informations­stufe. Radigk erläutert die erste Infor­mationsstufe als ein System der Kodie­rung von Erfahrungen, die sich durch die unmittelbare Wahrnehmung der Wirklichkeit in handelnder Auseinander­setzung als Sinngehalte und Vorstellun­gen im Individuum konstituieren. In der ersten Informationsstufe sind bereits die grundlegenden Funktionen(psychische Grundleistungen) angelegt, mit denen

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