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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Buchbesprechungen

das Kind später die höheren Funktionen der weiteren Informationsstufen entwik­kelt.

Die zweite Informationsstufe umfaßt in erster Linie die Lautsprache, die in der Sicht des Verfassers besondere Möglich­keiten zum Aufbau kognitiver Operatio­nen bietet.

Die Darstellung der dritten Informations­stufe ist in der Kommunikationstheorie des Autors ebenfalls von besonderer lern­theoretischer und-praktischer Bedeu­tung. Sie umfaßt die Schriftsprache und stellt als dritte Kodierung eine Abstrak­tion und Formalisierung der Lautspra­che dar. Die Schriftsprache umfaßt in Radigks Theorie mehr als Rechtschrei­ben und Lesen. Diese Informationsstufe ermöglicht dem Menschen höhere Ab­straktionsformen zu entwickeln wie z.B. Gliederung, Formeln oder Lehrsätze. Der Verfasser hebt die spezifischen Funktionen höherer geistiger Tätigkeit hervor, die bisher als formales Denken nur marginal betrachtet wurden. Die Darlegungen beschränken sich nicht nur auf Aussagen, vielmehr stellt der Autor auch verschiedene Techniken zur For­malisierung anschaulich dar und nimmt auf empirische Fakten Bezug, die er in Beispielen erläutert, etwa über die Fä­higkeit von Naturvölkern, Syllogismen logisch zu beantworten(S. 182 f.). Der Autor hat deutlich gemacht, daß die Lerntheorien von Piaget und von Paw­low bis zu den Aneignungstheoretikern gegenüber seiner Theorie gravierende Einschränkungen und Mängel aufweisen (s. 4. Kap.), inwieweit jedoch seine um­fassendere Kommunikationstheorie ver­allgemeinerbar und frei von_einge­schränkten Sichtweisen ist, bleibt noch zu überprüfen.

Leider ist es nicht gleich bei der ersten Auflage dieses Lehrbuches gelungen, die vielen Tippfehler und Fehler bei der Computerherstellung des Drucksatzes zu beseitigen.

Zusammenfassend ist festzustellen, daß Radigk mit der Vorlage dieses lerntheo­retischen Werkes einen Fortschritt in der Lerntheorie markiert, der auch auf Lösungen für praktische Probleme des Lernens und Lernversagens gerichtet ist. Dieser Umsetzungsprozeß von der Wis­senschaft zur Praxis wird besonders da­durch gefördert, daß der Autor in ver­ständlicher, anschaulicher Weise die komplizierten Sachverhalte darlegt, die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnis­

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se und Forschungsmethoden in einem interdisziplinären Ansatz einbezieht und dabei jeweils die Konsequenzen für den Lernprozeß und den Schulalltag als Ken­ner der Praxis aufweist.

Norbert Barth

Scheerer-Neumann, Gerheid: Recht­schreibtraining mit rechtschreibschwa­chen Hauptschülern auf kognitionspsy­chologischer Grundlage: Eine empirische Untersuchung(Forschungsbericht des Landes Nordrhein-Westfalen, Nr. 3228, Fachgruppe Geisteswissenschaften).

185 Seiten, kartoniert. 1988 Westdeut­scher Verlag GmbH, Opladen

Das von der Verfasserin konzipierte Trai­ningsprogramm für rechtschreibschwa­che Hauptschüler berücksichtigt die neu­esten allgemeinpsychologischen Erkennt­nisse über den Rechtschreibprozeß und lernpsychologisches Wissen über den An­eignungsprozeß. Die allgemeinen theore­tischen Grundlagen des stark struktu­rierten Trainings sind 1. ein kognitiver Ansatz, mit dem sowohl eine Prozeß­analyse kognitiver Vorgänge beim Recht­schreiben als auch die Vermittlung des Lernstoffes vorgenommen werden kann, und 2. ein verhaltenstherapeutischer An­satz, mit dem leistungsmindernde psy­chodynamische Merkmale wie hohe Ängstlichkeit, niedrige Lernmotivation und-verhalten angemessen verändert werden können.

Auf einem ausführlicher beschriebenen Arbeitsmodell(1), in dem vermitteltes und direktes Rechtschreiben aufeinan­der bezogen sind, und auf lernpsycholo­gische Komponenten(2) Lernen wird hier z.B. als aktiver Prozeß der Informa­tionsverarbeitung verstanden beruhen die spezielleren theoretischen Grundla­gen des Trainings. Die acht Trainingsin­halte Groß- und Kleinschreibung, Ein­prägen einzelner Lernwörter, Ableitungs­regel, komplexe Grapheme, Auslautver­härtung, mehrdeutige Phonem- Graphem­Korrespondenzen, Konsonantenverdopp­lung, Umgang mit einem Wörterbuch wurden als Bausteine konzipiert, mit de­nen nach dem jeweiligen Leistungsstand einer Schülergruppe differentiell trainiert werden kann.

Wichtigste Übungsformen sind die direk­te Instruktion im Sinne der Modellie­rung kognitiver Prozesse beim Recht­schreiben und anschließend das selbstän­dige und selbst kontrollierende Üben der Schüler(z.B. mit Arbeitsbögen); zur Erhöhung der Leistungsbereitschaft wur­den kleine materielle Verstärkungen ein­gesetzt. Aus einer Gesamtstichprobe von 330 Bochumer Kindern der 5. Hauptschul­klasse wurden aus jeder Klasse ein Schü­ler für die Trainingsgruppe(N=41), ein anderer für die Kontrollgruppe(N=41) bei gleichzeitiger Parallelisierung hin­sichtlich Intelligenz und Rechtschreib­leistung selegiert. Das Training wurde zweimal wöchentlich in insgesamt 30 (Frei- oder Eck-) Stunden an der jewei­ligen Schule in Kleingruppen(34 Teil­nehmer) durchgeführt. Aufgrund des Experimental-Kontroll­gruppen-Vergleiches und einiger Vortest­Nachtest-Vergleiche werden folgende Er­gebnisse referiert: 1. Die Trainingsgruppe verbessert nicht nur(im Vergleich zu der Kontrollgruppe) ihre Rechtschreiblei­stungen in den trainierten Bereichen, son­dern sie erreicht hierin fast den Leistungs­stand der untersuchten Schulklassen; 2. in einigen Übungsbereichen(z.B. Aus­lautregel) wird gleichzeitig ein gelunge­ner Transfer auf nicht-trainierte Wörter sichtbar; 3. unter Berücksichtigung aller Schüler ergibt sich zwar keine positive Korrelation zwischen Transfer und In­telligenz, ein derartiger Zusammenhang wird erst bei gesonderter Berücksichti­gung der unteren und oberen Intelligenz­gruppen deutlich. Die Ergebnisse werden nur auf dem Hin­tergrund der Rechtschreibleistungen in der Hauptschule diskutiert, obwohl sie auch für Schüler der oberen Klassen der Schule für Lernbehinderte bedeutsam sein dürften. Die vorliegende empirische Untersuchung gibt interessierten(Son­derschul-) Lehrern hilfreiche Anregungen zur effektiveren Gestaltung des Recht­schreibunterrichts. Sie fordert gleichzei­tig zur weiteren Forschung heraus.

Prof. Dr. J. Borchert, Kiel

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XV, Heft 2, 1989