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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Ulrich Heimlich und Ditmar Schmetz- Beobachtung integrativer Spielprozesse

blem des Übergangs vom Individual­zum Sozialspiel präzisieren. Die indivi­duumsbezogenen Spielkategorien(Be­obachtungsspiel, Alleinspiel) halten mit 44,99% einen ähnlichen hohen Anteil wie die interaktionsbezogenen Spielkate­gorien(Parallelspiel, Assoziationsspiel) mit 41,75%. Es spricht demnach eini­ges dafür, daß die Phase der Kontaktauf­nahme im ersten Kindergartenjahr von Kindern mit Behinderungen in der Wei­se gestaltet wird, daß sie zwar bereits einen erheblichen Anteil ihrer Spielzeit im gemeinsamen Spiel mit anderen Kin­dem verbringen, aber zugleich in ver­gleichbarem Umfang die Möglichkeit des Rückzugs aus der Spielgruppe suchen.

Qualitative Ergebnisse der Beobach­tung integrativer Spielprozesse: Die qualitative Betrachtungsweise richtet sich nun auf die Auswertung derSpiel­protokolle. Dabei stand das einzelne Kind mit einer Behinderung und sein Entwicklungsthema im Vordergrund. Wir versuchten im Wege der gemein­samen Interpretation der Protokolltexte, den personalen Charakteristika der Kin­der auf die Spur zu kommen. In diesem Interpretationsprozeß wurde erneut deut­lich, daß das Problem der Kontakt­aufnahme im ersten Kindergartenjahr für die Kinder vorrangig war. Trotz der höchst unterschiedlichen persönlichen Merkmale der Untersuchungskinder in ihrer sozialen Spieltätigkeit sind wir zu der Überzeugung gelangt, daß die uns vorliegenden per Verlaufsprotokoll do­kumentierten Spielbeobachtungsstun­den es ermöglichen, vier Typen der Kon­taktaufnahme im gemeinsamen Spiel der behinderten und nichtbehinderten Kin­der zu unterscheiden.

® TypI: Spontane Kontaktaufnahme

Einige Kinder aus unserer Untersu­Chungsgruppe waren in der Lage, ohne große Probleme mit anderen in Kontakt zu treten. Sie suchten von sich aus die Nähe zu anderen Kindern, fanden selb­ständig den Zugang zu Spielgruppen und unterhielten zahlreiche und auch wech­selnde soziale Beziehungen. Als gemein­sames Merkmal dieser Kinder kann fest­

Selbst Beob Allein

Abb. 2: Entwicklung der sozialen Spieltätigkeit II

gehalten werden, daß sie stets offen, ver­trauensvoll und angstfrei auf andere zu­gingen. Diese Fähigkeit lag im übrigen quer zur jeweils vorhandenen Behinde­rung bzw. Entwicklungsproblematik, d.h. trotz vorhandener körperlicher, gei­stiger Oder sprachlicher Behinderung fanden diese Kinder selbst Wege, um mit anderen ins Spiel zu kommen(vgl. ausführlich zum Folgenden: Heimlich/ Höltershinken 1994, 29ff.).

® Typ I: Aggressive Kontaktaufnahme

Es ließen sich immer wieder Szenen im gemeinsamen Spiel beobachten, in de­nen Kinder das Problem der Kontakt­aufnahme zu anderen durch aggressive Handlungen wie Schlagen, Treten, Knei­fen, Schubsen, Spucken und Schimpfen zu lösen versuchten. Zum einen wollten diese Kinder den Spielkontakt einfach erzwingen. Zum anderen waren sie be­sonders zu Beginn der Kindergartenzeit nicht in der Lage, andere Wege in das gemeinsame Spiel zu suchen. In vielen Fällen verfügten sie noch über wenig ausgeprägte Fähigkeiten, Spielsituatio­nen zu durchschauen und sich in ein Spielthema angemessen einzubringen. Kontaktaufnahme durch Aggression soll­te nicht grundsätzlich negativ bewertet werden. Insbesondere ist zwischen spie­lerischen Aggressionen und tatsächli­chen zu trennen. Gleichwohl benötigen

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XXI, Heft 1, 1995

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Kinder innerhalb dieses Kontakttyps die Hilfestellung der Erzieherinnen am drin­gendsten.

® Typ II: Passiv-beobachtende Kontaktaufnahme

Eine weitere Gruppe von sozialen Spiel­tätigkeiten zeichnet sich durch die deut­liche Zurückhaltung einzelner Kinder aus, mit anderen Kontakt aufzunehmen, obwohl gleichzeitig der Kontaktwunsch klar signalisiert wird. Lange Beobach­tungsphasen verbunden mit sog.Alibi­tätigkeiten(also z.B. Malen, Aus­schneiden usf. bei gleichzeitiger Beob­achtung anderer Kinder) sind hier vor­herrschend. Diese Kinder zeigen großes Interesse am Geschehen in der Gruppe und unterhalten auch bereits Blickkon­takte zu spielenden Kindern. Spielange­bote anderer werden positiv aufgenom­men, aber von sich aus sind sie noch nicht in der Lage, Vorschläge einzubrin­gen.

® Typ IV: Verzögerte Kontaktaufnahme

Bei einigen Kindern war besonders zu Beginn des Kindergartenjahres noch kaum ein Kontaktversuch wahrzuneh­men. Sie waren eher mit sich selbst und eigenen Entwicklungsproblemen be­schäftigt. Es fanden kaum Aktivitäten in Richtung auf die Spielgruppe statt. Diese Kinder gelangen erst relativ spät in die Gruppe hinein und zwar häufig

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