Sozialarbeit/Sozialpädagogik und Sonderpädagogik
Gemeinsamer Integrationsauftrag für einen
erweiterten Adressatenkreis
Von Hans Hovorka
Im ersten Teil des Beitrags werden die Gemeinsamkeiten von Sonderpädagogik und Sozialpädagogik hinsichtlich ihres erweiterten Adressatenkreises und ähnlicher integrativer Aufgabenstellungen skizziert. Der zweite praxisorientierte Abschnitt befaßt sich mit den für beide Disziplinen erkennbaren aktuellen Herausforderungen, die sich für sie durch ausweitende soziale Problemlagen einerseits und auf der anderen Seite durch die Neuordnung der sonderpädagogischen Förderung beispielhaft bei der schulischen Integration ergeben. Über die Einrichtung sogenannter„Sonderpädagogischer Zentren“ ergeben sich zunehmend Möglichkeiten einer engeren Zusammenarbeit der beiden Disziplinen Sozialpädagogik und Sonderpädagogik, worauf auch die universitäre und außeruniversitäre Aus- und Fortbildung von Integrationspädagoginnen und-pädagogen rasch zu reagieren hätte.
In the first part of this essay the common interests of special education and social work are outlined in regard to their enlarged clientele and in regard to similar tasks of mainstreaming and integration. The second part, which is orientated towards practice, attends to actual challenges of both disciplines, that arise as results of expanding social problems on the one side and the reorganisation of special education services on the other side. Increasing chances for a closer cooperation between social work and special education follow from the establishment of special education centres. The training of teachers for mainstreamed education has to react to these new developments both in fundamental professional training in the university as well as in the area of continous teacher education.
Gemeinsamer Integrationsauftrag
Integration versus Armutsverwaltung
Wenn ich im ersten Teil meines Beitrags auf die Gemeinsamkeiten von Sozialpädagogik und Sonderpädagogik zu sprechen komme, möchte ich mit der Sozialpädagogik beginnen und stelle für diese Disziplin fest, daß sie zunehmend von dem Dilemma„Integration versus Armutsverwaltung“ geprägt ist. Warum? Die Verschärfung sozialer und ökonomischer Problemlagen in den achtziger Jahren und die damit verbundene Erosion wohlfahrtsstaatlicher Sicherung läßt ungeachtet erkennbarer länderspezifischer Unterschiede eine abwärtsführende Spirale der bestehenden sozialen Leistungssysteme hinsichtlich Reichweite
und Niveau erkennen. Diese Abwärtsentwicklung zielt insgesamt auf eine Deregulierung und Flexibilisierung sozial- und bildungspolitischer Standards ab(Talos 1993).
Offensive Veränderungsstrategien von Unternehmerorganisationen, die seit Mitte der achtziger Jahre von neoliberalen Optionen wie„Mehr Privat— weniger Staat“ geprägt sind, sowie der sich deutlich abzeichnende Prioritätenwandel in Richtung staatlicher Budgetkonsolidierung und Kostenneutralität bei nahezu allen Reformen im Sozial-, Gesundheits- und Bildungsbereich der letzten Jahre, verändern auch den gesellschaftlichen Rahmen und Auftrag von Sozialpädagogik und Sonderpädagogik. Ebenso verändert sich die öffentliche Akzeptanz ihres Klientels und ihrer Akteurinnen und Akteure. Denn Sozialpolitik ist
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XXI, Heft 1, 1995
als Handlungsfeld und als Beruf immer in der jeweiligen Gesellschaft, in der sie praktiziert wird, verankert. Sie hat prinzipiell mit sozialen Ausgrenzungs- und Stigmatisierungsprozessen zu tun, die jeweils die Kehrseite des Fortschritts aufzeigen.
Strukturprobleme der kapitalistischen Leistungsgesellschaft führen demnach zu neuer Armut, Dauer- und Massenarbeitslosigkeit, zu ansteigender Drogenabhängigkeit und zu Krankheit und Behinderung, deren soziale Dimension sich v.a. bei der jüngeren Generation, bei älteren Arbeitssuchenden und bei pflegebedürftigen Menschen markant abbildet. Noch immer steht zwar für die Soziale Arbeit im Zentrum ihres Handelns der Auftrag der sozialen Integration, der Wiedereingliederung der Ausgegrenzten in die vorherrschenden Normen und Strukturen,
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