Ferdinand Klein- Aspekte des Gegenstandes und der pädagogischen Methode...
Anmerkungen zu
Karl Poppers Realismus im Hinblick auf die (integrations)pädagogische Forschungsmethodik
Karl Popper„kämpft“ mit seiner kritischen Methode um mehr Realismus und Objektivität beim Erkenntnisbemühen. Seine Erkenntnistheorie geht davon aus, daß wir uns im Leben wie in der Wissenschaft fortwährend Vermutungen schaffen. Da wir von Anfang an Teil des Existierenden der Welt sind, können wir nicht anders, als uns der Realität(durch Vermutungen) zu versichern. Nach diesem metaphysischen Realismus(vgl. Popper 1994, 95) ist„alles, was existiert, Vermutungswissen“(Popper 1994, 142). Popper ist überzeugt, daß die Evolutionäre Erkenntnistheorie ihre Wurzeln in der Geschichte des Lebens in der Welt hat. Die Geschichte der Menschheit und die Geschichte des Menschen belegen den nicht mehr falsifizierbaren Befund: Wir schaffen andauernd Vermutungen und durch Vermutungen
— konfrontieren wir uns mit der Wirk
lichkeit; — passen wir uns an die Wirklichkeit an;
— verbessern wir unsere Vermutungen; — erfüllen wir uns unsere Erwartungen. So bringen wir uns also durch Vermutungen der Wirklichkeit näher. Karl Popper faßt den Standpunkt seiner Evolutionären Erkenntnistheorie mit dem Hinweis zusammen, daß wir noch sehr viele ungelöste Probleme haben. Und er schließt: „Wir wissen nichts— das ist das Erste. Deshalb sollen wir sehr bescheiden sein — das ist das Zweite. Daß wir nicht behaupten zu wissen, wenn wir nicht wissen— das ist das Dritte“(Popper 1994, 144).
Poppers Falsifikationsprinzip macht uns darauf aufmerksam, daß wir die Probleme, Annahmen und Vermutungen, die wir erforschen und die ja im Grunde auch schon je eine vorweggenommene Theorie sind, kritisch zu diskutieren haben. Die kritische Diskussion schließt auch die notwendigen Prüfungen im Experiment mit ein. Wenn erst der Eliminierungsversuch mit kritischer Diskus
sion Wissenschaft erzeugt(Popper 1994, 35), dann ist bei den mir bekannten wissenschaftlich begleiteten Schulversuchen diesem Kriterium entsprochen worden. Hier wurde auch unter Beachtung des Falsifikationsprinzips aufgezeigt, unter welchen Bedingungen eine gemeinsame schulische Erziehung behinderter, von Behinderung bedrohter und nichtbehinderter Kinder möglich ist. Die integrativen wissenschaftlichen Erfahrungen haben also die Bedingungen für das Gelingen und Mißlingen der gemeinsamen Erziehung zur Sprache gebracht und unter dem Anspruch der Falsifikation zu beschreiben versucht.
Poppers erkenntnistheoretisches Bemühen hat zyklischen Charakter. Seine Theorie ist unabschließbar und ermöglicht ein immer neues Fragen. Beziehen wir nun diesen prozessualen und offenen Aspekt seiner Erkenntnistheorie auf unsere Integrationsforschung, die ohne erfahrungswissenschaftliche Theorie nicht denkbar ist, dann können wir sagen: Die erfahrungswissenschaftliche Theorie kann im Laufe der Zeit an Erfahrungen scheitern. Das Erklären des Scheiterns ermöglicht das Schaffen neuer (innerer und äußerer) Bedingungen für neue Integrationserfahrungen.
Popper nimmt hinsichtlich der realistischen und idealistischen Weltansicht folgenden Standpunkt ein:„Die realistische Weltansicht zusammen mit der Idee der Annäherung an die Wahrheit scheinen mir unentbehrlich für ein Verständnis der immer idealisierenden Wissenschaft zu sein. Überdies scheint mir die realistische Weltansicht die einzig humane zu sein: Sie allein erklärt, daß es andere Menschen gibt, die leben, leiden und sterben wie wir. Die Wissenschaft ist ein Produktsystem menschlicher Ideen: Soweit hat der Idealismus recht. Aber diese Ideen können an der Wahrscheinlichkeit scheitern. Daher hat letzten Endes der Realismus recht“(Popper 1994, 44), der es uns ermöglicht, Probleme zu lösen und neue, tiefere Probleme zu erzeugen.
Ich kann Poppers Standpunkt verstehen, und ich kann ihn auch(teilweise) teilen. Seine Methodik erlaubt die Formulierung folgender Erkenntnis, die bei der bundes
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XXI, Heft 1, 1995
KÖPFE
DES 20. JAHRHUNDERTS Kleine Biographien großer Zeitgenossen
WILHELM BAUM KaY E GONZALEZ
Karl R. r
MORGENBUCH
99 S., Pb, DM 12,80 ISBN 3-371-00393-0
Sir Karl R. Popper war einer der wirkungsreichsten Philosophen, einer der großen Denker dieses
Jahrhunderts. Seine Theorien gehen weit über den streng philosophischen Horizont hinaus, seine Bücher werden von Wirtschaftlern, Juristen, Natur- und Geisteswissenschaftlern, Politikern, Journalisten etc. immer wieder zitiert.
W. Baum und K. E. Gonzälez skizzieren den philosophischgeistigen Hintergrund, geben eine allgemeinverständliche Einführung in seine Erkenntnistheorie und einen Einblick in seine Diskussionen mit Marcuse, Th. Kühn und P. Feyerabend.
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