Markus Dederich und Christoph Kant- Gegen den Strom— Grundzüge der Ethik von Hans Jonas
schaften sind in ihrer Wandlung zu Technologien von der Verarbeitung und Beschreibung der Natur zu ihrer Konstruktion übergegangen. In diesem Sinne sollen am Beispiel der Mukoviszidose Chancen und Gefahren der Gentechnologie diskutiert werden. Die Mukoviszidose wurde als Beispiel ausgewählt, da sich an ihr Methoden und Vorgehensweise gentechnologischer Forschung gut verdeutlichen lassen. Für einige Forschende in diesem Bereich steht eindeutig fest,„daß Gentherapie für die pulmonalen Manifestationen bei CF aus dem rein theoretischen Stadium herausgetreten ist und Strategien entwickelt worden sind, die eine Gentherapie zur Behandlung von Patienten mit CF realistisch erscheinen lassen“ (Crystal 1994, 73). Es erscheint uns wichtig, die diesbezüglichen Forschungsergebnisse und ihren Werdegang genau darzustellen, damit eine kritische Auseinandersetzung mit ihnen nicht als technikfeindliches Pauschalurteil abgewertet werden kann.
Mukoviszidose(auch cystische Fibrose (CF) genannt) ist eine Erbkrankheit, die vor allem das Verdauungssystem und die Lungen betrifft. Sie tritt in der westlichen Welt mit einer Häufigkeit von einem Fall auf 2000 Neugeborene auf, Sie ist damit „die häufigste autosomal rezessive Erbkrankheit unter den weißen Indoeuropäern“(Harris& Super 1991, 22). Mukoviszidose wird durch ein defektes Gen ausglöst, das im Jahre 1989 gefunden wurde(ebd). Die Folgen sind für die Betroffenen zum größten Teil schwerwiegend. Aufgrund des genetischen Defekts ist die Bauchspeicheldrüse(Pankreas) nicht oder nur eingeschränkt in der Lage, das fettverdauende Enzym Pankrease herzustellen. Dies führt zum sog. Fettstuhl, der, bedingt durch dessen veränderte Konsistenz, bereits kurz nach der Geburt Anomalien des Darmtraktes hervorrufen kann(35). Durch die mangelnde Pankreasesekretion haben Betroffene von Geburt an eine schlechte Verdauung. Als Folge wirken Menschen mit Mukoviszidose häufig unterernährt.
Eine weitere Folge des genetischen Defekts, die dieser Behinderung den im deutschen Sprachraum üblichen Namen
Mukoviszidose(zähflüssiger Schleim) eintrug, ist die übernatürlich starke Verdickung des Bronchialschleims(Sputum), der in der Lunge die Cilien bedeckt und für den Abtransport von Bakterien und Fremdkörpern aus der Lunge sorgt. Durch diese Verdickung des Schleimes erfolgt der Abtransport von Fremdkörpern aus der Lunge nicht so schnell und gründlich wie bei nichtbehinderten Menschen(24). Folgen des verdickten Sputums ist eine Verengung der Atemwege und möglicherweise ein Lungen-Emphysem, bei dem die Elastizität der Lunge zurückgeht(26). Das Sputum ist aber nicht nur zähflüssiger, es setzt sich teilweise auch aus anderen Proteinen zusammen(Barasch et al. 1991, 71) Möglicherweise leiden Menschen mit CF auch deshalb häufiger unter Infektionen der Atemwege. Dazu kommt, daß einige Bakterien— genannt werden Staphylococcus aureus und Pseudomonas aeroginosa— aufgrund des Zustandes des Lungengewebes bei CF-Patienten statt einer leichten Infektion chronische Bronchitis und Lungenentzündung hervorrufen(Harris& Super 1991, 27). Die die Lungen und Atemwege betreffenden Symptome der Mukoviszidose sind so schwerwiegend, daß 95% der Letalität und Morbidität(Maß für die Tödlichkeit einer bestimmten Krankheit) durch sie bestimmt sind(Ecker-Schlipf 1993,115).
Die Entdeckung des MukoviszidoseGens und Gentherapie. 1985 wurde das CF-Gen auf dem langen Arm des Chromosom 7 lokalisiert und im Anschluß an diese Entdeckung der Genlocus immer weiter eingekreist, bis 1989 die verantwortliche DNA-Sequenz gefunden wurde. Das Problem bei der Suche nach dem Gen war hauptsächlich, daß weder der Genort noch das Protein, das es codiert, bekannt waren. Man wußte weder genau, durch welche genetischen Mechanismen CF zum Ausbruch kommt, noch wie durch sie die typischen Symptomen der Mukoviszidose entstehen. Zum Ziel führte letzten Endes eine Strategie, die„reverse Genetik“, genannt wird.„Durch die geschickte Kombination genetischer und gentechnischer Methoden gelingt es, mit diesen neueren Verfahren vom Genom (der Gesamtheit der menschlichen Erb
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XXI, Heft 2, 1995
substanz) zum Gen und vom Gen zum unbekannten Genprodukt(Eiweiß) zu gelangen. Diese Strategie ist bereits vorher für die Lokalisation und Isolierung der Genorte der Duchenne& Becker’schen Muskeldystrophie und der chronischen Granulomatose eingesetzt worden.“(Coutelle& Grade 1992,74)
Das Gen wird„Cystic fibrosis transmembrane conductance regulator‘“,(Transmembraner Leitungsregulator bei CF) kurz CFTR genannt(vgl. Bargon 1994, 64). Es codiert für ein sog.„integriertes Membranprotein“(ebd.), d.h für einen Baustein der Zellmembran. Durch Vergleich von Zellen, die das defekte Gen exprimieren, d.h. die das Protein für das das Gen codiert auch wirklich zusammensetzen, und von gleichartigen Zellen, die das nicht tun, ließ sich feststellen, daß dieses Protein als Bestandteil eines verschließbaren Chloridkanals an der Regulation des Wasserhaushaltes der Lungenepithelzellen beteiligt ist.„Bei Mukoviszidose sind diese Zellen nicht in der Lage, den Kanal wie normal zu öffnen. Ursache für die Symptome bei CF könnte somit eine durch den defekten Chloridkanal verminderte Flüssigkeitssekretion aus den betroffenen Zellen sein, die dann zu einem verdickten Schleim in Lunge und Pankreas mit den daraus folgenden Destruktionen führt.“(64f.) Ungeklärt ist allerdings noch die Frage, wie die veränderten Schleimproteine und der höhere pH-Wert innerhalb der Zellen zustande kommen(65). Es steht zu vermuten, daß CFTR noch an weiteren Prozessen innerhalb der Zelle beteiligt ist(ebd.). Nachdem der genetische Defekt erkannt war, erschien es logisch, in Richtung Linderung der schwerwiegenden Symptome der CF mittels Gentherapie zu forschen. Der Grundgedanke einer Gentherapie besteht darin, in den betreffenden Zellen des Lungenepithels das mutierte Gen durch ein gesundes auszutauschen. Dies gelang m.E. 1992 M. Rosenfeld und ihren Mitarbeitern, als sie die CFTR-Sequenz in eine bestimmten Typ von Retroviren, sog. Adenoviren(Ad-CFTR Genfähre) einbauen konnten(144). Bei in-vitro Versuchen an Zellkulturen mit Mukoviszidosezellen wurde die CFTR-Sequenz durch die diese Adenoviren in die Zellen übertragen
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