Zeitschrift 
Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
Seite
77
Einzelbild herunterladen

Zur Persistenz von Sprachentwicklungsstörungen: Ein 10jähriger Längsschnitt neun spezifisch sprachentwicklungsgestörter Kinder

Von Karin Schakib-Ekbatan und Hermann Schöler

Über die Ergebnisse einer Längsschnittstudie von neun 15-17jährigen Jugendlichen wird berichtet, die im Vorschulalter als dysgrammatisch sprechend diagnosti­ziert waren. Im Alter von 6-8 Jahren waren sie erstmals mit einer Vielzahl sprachlicher und nichtsprachlicher Aufgaben im Rahmen einer umfangreicheren Längs­schnittstudie untersucht worden. Die Ergebnisse zum auditiven Kurzzeitgedächtnis und bei den sprachlichen Aufgaben zeigen, daß nur unwesentliche Verbesserun­gen in den geprüften Leistungen zu beobachten sind. Die Sprachverarbeitung bzw. der Sprachentwicklungsverlauf wird als prozessual und strukturell abweichend von der normalen Entwicklung beschrieben. Als ein Bedingungs­faktor für die spezifische Sprachentwicklungsstörung wird ein defizientes sprachunspezifisches akustisches Verar­beitungssystem postuliert.

Nine adolescents aged between 15 and 17 years were studied in a 10 years follow-up. In preschool age they were diagnosed as specific language impaired, The first measurement point was at 6 to 8 years. Various language and non-language tasks were administered at the first five measurement points. The results of the recent study show that short term memory in the auditive modality and the performances in specific language tasks still remain on a low level without significant increases over the last years. Language learning and processing is described as procedurally and structurally deficient. Specific language impairment is explained in terms of a non-language specific auditory information processing deficit.

Einleitung

Als Spezifische Sprachentwicklungs­störung! wird eine Sprachentwicklungs­auffälligkeit bzw.-störung bezeichnet, die nicht einhergehen soll mit organi­schen Schädigungen(Hörstörung, Apha­sie, Cerebralparese), mit Autismus und geistiger Behinderung. Eine erwartungs­widrige Minderleistung liegt in Sprach­leistungsbereichen vor, denn definitions­gemäß wird bei dieser Sprachentwick­lungsstörung eine allgemeine kognitive Beeinträchtigung oder Intelligenzmin­

Auch als Entwicklungsdysphasie oder Kindlicher Dysgrammatismus benannt. International hat sich der Terminus Spezifische Sprachentwicklungs­störung(specific language impairment, SLI) durchgesetzt; nach ICD-10 Kapitel V(F) wird die Störung als ‚umschriebene Entwicklungs­störung der Sprache(F80) klassifiziert(Dilling, Mombour& Schmidt 1991).

derung ausgeschlossen(zur Definitions­problematik siehe u.a. Schöler, Dalbert & Schäle, 1991).

Amon, Beck, Castell, Mall& Wilkes (1993) nehmen als Fazit ihrer Untersu­chung von Kindern aus Diagnose- und Förderklassen an,daß bei vielen Kin­dem Sprachleistungsdefizite trotz häu­figer logopädischer Förderung zumindest bis zum Schulbeginn noch nicht gemin­dert werden konnten. Dies spricht für die Persistenz von Entwicklungsrück­ständen im sprachlichen Bereich, die häufig auch durch gezielte Fördermaß­nahmen nicht behoben werden können (155). Die bisherigen Untersuchungen von Sprachentwicklungsstörungen be­schränken sich zumeist auf den Vor­schulbereich. Gründe für diese Zentrie­rung auf den Vorschulbereich liegen auf der Hand, es sei nur auf den Aspekt der

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XXI, Heft 2, 1995

Frühfördermaßnahmen hingewiesen. Für die Prognose und die Entwicklung von Interventionsmaßnahmen ist aber eben­falls die Analyse des weiteren Verlaufs solcher Entwicklungsstörungen notwen­dig.

Im Rahmen desHeidelberger Dysgram­matismus-Projektes? beschreiben wir daher die Entwicklung spezifisch sprach­entwicklungsgestörter Kinder in einem Altersbereich zwischen 6 und 16 Jahren in ausgewählten sprachlichen und nicht­sprachlichen Leistungsbereichen(zur näheren Beschreibung siehe u.a. Schöler 1993). Die Kinder waren alle aufgrund von Aktenlage(in der Regel war eine medizinische, sprachheilpädagogische

? Für die finanzielle Förderung der Untersuchun­gen danken wir der Deutschen Forschungsge­meinschaft(DFG-Az.: Scho 311/1-1 bis 1-7) und der Pädagogischen Hochschule Heidelberg.

77