Zeitschrift 
Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
Seite
107
Einzelbild herunterladen

Petra Wolschkeetal.- Unterschiedliches Lernverhalten von Kinder im ersten Schuljahr(Leipziger Lerntest DB-BAK)

in Training- und Kontrollphase(Clu­ster 2, n= 17): mäßige Lerner

Kinder mit starkem Hilfenverbrauch nur in der Trainingsphase(Cluster 3, n= 233): Kinder mit erschwertem Lernstart

Kinder mit starkem Hilfenverbrauch in Training- und Kontrollphase(Clu­ster 4, n= 12): schlechte Lerner.

Die den beiden extremen Gruppen zu­geordneten Kinder können als besonders lernstark bzw. lernschwach eingestuft werden. Die lernstärksten Kinder(Clu­ster 0) fanden sich größtenteils(87%) in der Regelschule, fünf von ihnen(13%) besuchten die Sprachheilschule. Die ex­trem lernschwachen Kinder hatten ei­nen nur geringen Gesamtanteil von 8% der Gesamtstichprobe gegenüber dem Anteil von 25% für die lernstärksten Kinder. Die extrem lernschwachen Kin­der(Cluster 4) fanden sich zu zwei Drit­tel in der Lernbehindertenschule und zu einem Drittel in der Sprachheilschule.

Aus der entwicklungspsychologischen Forschung ist gut bekannt, daß Kinder bei Eintritt in die Schule begriffsanaloges Klassifizieren gerade erworben haben (vgl. Guthke et al. 1992 und die dort be­sprochene Literatur). Insofern war es zu erwarten, daß rund die Hälfte aller Regel­schüler im Leipziger Lerntest während

der Trainingsphase wiederholt Hilfen benötigten(Cluster 1, 5-10 Hilfenpunk­te). Demgegenüber lösten sie die Kon­trollaufgaben meist ohne/oder mit nur einer Hilfe. Diese Kinder sollten keines­falls als lernauffällig eingestuft werden, vielmehr zeigen sie gute Lernfähigkeit. Erst Kinder, bei denen auch vermehrte Hilfen in der Kontrollphase notwendig sind(Cluster 2) oder die starke Hilfen während der Trainingsphase benötigen (Cluster 3), gelten als leicht bzw. deut­lich lerneingeschränkt.

Die Kinder mit guter Lernfähigkeit, aber noch nicht vollständig erworbener Fä­higkeit zum selbständigen begrifflichen Klassifizieren, hatten den höchsten An­teil an der Gesamtstichprobe, nämlich 37%(Cluster 1). Die Kinder mit leich­ter Lernauffälligkeit hatten einen Anteil von 11%(Cluster 2), die mit deutlicher Lernauffälligkeit von 21%(Cluster 3). Erwartungsgemäß waren diese deutlich lernauffälligen Kinder zu annähernd gleichen Teilen in der Sprachheilschule und in der Lernbehindertenschule, ei­nes der Kinder besuchte die Regelschule. Inwieweit entsprechen diese Einstufun­gen nach dem Hilfenverbrauch im DP­BAK den Ergebnissen bei der Erhebung der Intelligenz(HAWIK) und der sprach­lichen Entwicklung(H-S-E-T)? Nach dem Gesamt-IQ sind erwartungsgemäß

Tabelle 10: Korrelationen zwischen DP-BAK(Gesamthilfenverbrauch) und den Einschätzungen des Verhaltens bzw. den Entwicklungszeitpunkten

(Pearson Korrelations-Koeffizienten)

Cluster 0-1 n=91 VERHALTENS VARIABLEN (Meyer-Probst; n'=115) GESAMT-.41* HYPERAKTIVITÄT-.28* SOZIALE ANPASSUNG-.27* EMOTIONALE LABILITÄT-.20 INTELLIGENZ-.52* ERZIEHBARKEIT-.26 ENTWICKLUNGSZEITPUNKTE Laufen ‚40* Sprache ‚30* Sauberkeit.19 ANAMNESE Anamnese-Merkmale(1-8)31*

Medizinische Merkmale(1-5).10 Entwicklungsmerkmale(67).36* Familienmilieu(8) 32*

*= signifikant von Null verschieden, p<.01

Cluster 2-4 n=62

-.15 .05 ‚02 .21

37*

-.03

‚42*

17

33*

‚42* -.12

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XXI, Heft 2, 1995

die lernstarken Kinder und die gut lern­fähigen Kinder von allen übrigen Grup­pen abgesetzt. Dieselbe Abstufung er­gibt sich bei Betrachtung des Handlungs­IQ. Nach dem Verbal-IQ hingegen las­sen sich Kinder mit guter Lernfähigkeit im DP-BAK und leicht lernauffällige Kinder nicht unterscheiden. Ähnliche Abstufungen finden sich auch bei Be­trachtung der Ergebnisse im H-S-E-T. Hier sind nur die lernstarken Kinder überzufällig von allen übrigen abgesetzt. Die übrigen Gruppen sind entsprechend den DP-BAK-Clustern graduell abge­stuft. Die Leistungseinstufung von leicht bis mäßig lernauffälligen Kindern durch Lerntests scheint im Vergleich zu her­kömmlichen Statustests besser zu gelin­gen, wie die niederländischen Untersu­chungen von Resing(1993) und Tissink, Hamers& van Luit(1993) unterstrei­chen.

Zur Zeit werden weitere Daten ausge­wertet, so daß sich Cluster mit größe­rem Umfang ergeben können. Damit läßt sich die wichtige Frage untersuchen, ob Kinder mit erschwertem Lernstart(Clu­ster 3) ebenso schlechte Intelligenzlei­stungen zeigen, wie die als schlechte Lerner eingestuften Kinder(Cluster 4). In diesem Fall würden die Ergebnisse des Lerntests denen eines Statustests neue diagnostische Informationen hin­zufügen. Erst durch weitere Untersu­chungen kann auch genauer bestimmt werden, inwieweit die von uns gefunde­nen 5 Gruppen mit der Einteilung von Budoff(1967, 1987) in High Scorers, Gainers und Nongainers übereinstimmt. Möglicherweise muß die Gruppe der Gainers entsprechend unserer Cluster 1, 2 und 3 weiter differenziert werden. Überraschende und nicht erwartete Zu­sammenhänge ergaben sich in unserer Untersuchung hinsichtlich der Einstu­fung des Verhaltens der Kinder durch die Klassenlehrer. Die Gruppe der nach DP-BAK extrem lernschwachen Kinder (Cluster 4) wurde keineswegs am auf­fälligsten in ihrem Verhalten eingestuft. Vielmehr galten sie als weniger hyper­aktiv, als sozial angepaßter, als emo­tional weniger labil und als leichter er­ziehbar als die Kinder mit leichter oder deutlicher Lernschwäche(Cluster 2 und

107