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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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3). Hier muß aber beachtet werden, daß Sonderschullehrer bei ihrer Einschät­zung des Kindes vielmals von einem klassenspezifischen Bezugsniveau(we­nigerhart) ausgehen. Allerdings wur­de die Intelligenz der extrem lernschwa­chen Kinder in Übereinstimmung mit dem DP-BAK-Profil als herausragend niedrig eingestuft.

Hinsichtlich der Entwicklungszeitpunk­te waren die im DP-BAK extrem lern­schwachen Kinder(Cluster 4), aber auch die deutlich lernauffälligen Kinder(Clu­ster 3) gegenüber den lernstarken Kin­dern(Cluster 0) überzufällig verzögert. Dies betrifft den Beginn des Laufens und der Sprachentwicklung.

Faßt man alle Befunde zusammen, dann entsteht der Eindruck, daß bei den ex­trem lernschwachen Kindern(Cluster 4) eine dispositionelle Grundlage nicht aus­geschlossen werden kann, wohingegen bei Kindern mit leichter Lernauffällig­keit(Cluster 2) psychosoziale Faktoren eine herausragende Rolle spielen könn­ten. Dies äußert sich in hyperaktivem, sozial wenig angepaßtem, emotional la­bilem Verhalten bei demgegenüber eher unauffälliger sprachlicher und motori­scher Entwicklung.

Auch in dieser Untersuchung bestätigte sich der bekannte Befund, daß sich un­ter lernauffälligen Kindern mehr Jun­gen als Mädchen befinden(vgl. z.B. Maccoby& Jacklin 1974; Remschmidt & Walter 1990). Inwieweit dies dispo­sitionelle Unterschiede wiederspiegelt, oder psychosozial bedingte Selektions­artefakte bei der Zuweisung zur Lern­

Literatur

behindertenschule sind, kann in dieser Untersuchung nicht sicher bestimmt wer­den.

Schließlich konnten wir zeigen, daß durch den Leipziger Lerntest DP-BAK eigene kognitive Anforderungen gestellt werden, die nur mittlere bis sehr niedri­ge korrelative Zusammenhänge mit den durch Statustests ermittelten kognitiven und sprachlichen Fähigkeiten aufweisen. Inbesondere für lernauffällige Kinder ist nicht auszuschließen, daß dabei Fähig­keiten der inneren Sprache eine mediie­rende Rolle spielen. Vergleicht man hin­gegen die explizit sprachlichen Anfor­derungen in unterschiedlichen Status­tests wie im Verbalteil des HAWIK und dem H-S-E-T, dann ergeben sich sowohl für lernunauffällige wie für lernauffällige Kinder deutlich höhere Korrelationen (>.70). Klauer, Kauf& Sydow(1994) haben sehr interessante Vorschläge unterbreitet, wie man bei Kurzzeit-Lern­tests auf der Grundlage eines Rasch­Modells Status- und Lernfähigkeitspara­meter besser unterscheiden kann. Ob­wohl wir Zweifel haben, daß man Status und Lernfähigkeit als völlig voneinan­der unabhängige Faktoren betrachten sollte(vgl. auch Tissink et al.1993), wer­den wir zukünftig auch beim Leipziger Lerntest DP-BAK die Anwendbarkeit des vorgeschlagenen Modells prüfen. Zusammenfassend ist festzustellen, daß es gelungen ist, mit dem DP-BAK einen Lerntest zu entwickeln, der Auffällig­keiten des kognitiven Lernens bei Kin­dern im ersten Schuljahr valide und dif­ferentiell erfaßt. Das von den Kindern

Petra Wolschkeetal.- Unterschiedliches Lernverhalten von Kinder im ersten Schuljahr(Leipziger Lerntest DB-BAK)

geforderte begriffliche Klassifizieren mit abgestuftem und gezieltem Hilfenan­gebot deckt das kognitive Lernpotential insbesondere von leistungsschwachen Kindern auf. Inzwischen haben wir eine zweite Validierungsuntersuchung bei Schulanfängern im Aachener Raum vor­genommen. Die Ergebnisse sind insge­samt mit den hier mitgeteilen Ergebnis­sen gut vergleichbar. Faßt man beide Untersuchungen zusammen, dann er­scheint es berechtigt und notwendig, den Leipziger Lerntest DP-BAK an größe­ren, repräsentativen Stichproben zu nor­mieren.

Wie läßt sich auf Grund der bisher vor­liegenden Ergebnisse DP-BAK in einer auf Einzelförderung ausgerichteten Dia­gnostik sinnvoll verwenden? Nach un­serer Auffassung kann die zusätzliche Information über Lernfähigkeit beim begriffsanalogen Klassifizieren insbeson­dere dann bedeutungsvoll werden, wenn sich bei einzelnen Kindern mit niedri­gen Leistungen in Statustests unerwar­tet gute Lerntestleistungen zeigen. In die­sen Fällen empfiehlt sich, eine umfas­sende pädagogisch-psychologische Dia­gnostik vorzunehmen, um eine gezielte individuelle Förderung einzuleiten. Er­folgversprechend ist die Unterscheidung von Lerntypen in Abhängigkeit vom Hilfenverbrauch in der Trainings- und Kontrollphase des Lerntests. Die Typi­sierung von Lernfähigkeit ergibt diagno­stische Informationen, die durch Status­tests nicht zu gewinnen sind.

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HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XXI, Heft 2, 1995