Flexibilisierung von Zahlbegriffen und Zählhandlungen— Ein Ubungsprogramm
Von Wolfgang Moog
Auf der Grundlage einer empirischen Erhebung zum mathematischen Entwicklungsstand von Zweit- und Drittklässlern aus Sonderschulen für Lernbehinderte wurde ein achtstufiges, hierarchisches Zahlbegriffstraining entwickelt. Adressaten sind rechenschwache Schüler mit unklaren Zahlraumvorsrellungen, die beim numerischen Rechnen noch von konkreten Anschauungshilfen abhängig sind.
Trainingsziele sind die Verbesserung von Zählfertigkeiten, die Vermittlung einer von konkretem Material unabhängigen Zählweise sowie die Sicherung eines Mengen- und Zahlbegriffs, der vor allem relationale und kardinale Aspekte betont. Erste Evaluationsergebnisse werden dargestellt.
On the basis of an empirical survey concerning the mathematical aptitudes of second and third-year pupils at schools for the mentally handicapped, a training of the concept of numbers in a hierarchy of eight steps has been developed.
Targeted are pupils weak in calculus whose conceptions of numbers and space are confused and who still depend on concrete visual helps for numerical calculus. The aims of the training are: Improving the aptitude of counting; learning a method of counting which is independent of concrete material; and acquiring concepts of quantity and numbers which emphasise primarily relational and cardinal aspects. The first results of evolution are presented.
Vorgestellt wird ein Zahlbegriffstraining, das den Aufbau eines internen, nicht mehr auf konkrete Zählhandlungen angewiesenen Mengen- und Zahlbegriffs zum Ziel hat. Adressaten sind rechenschwache Zweit- und Drittklässler der Schule für Lernbehinderte und Regelschüler am Ende der ersten Klasse, die beim numerischen Rechnen auf das Fingerzählen oder auf andere konkrete Anschauungshilfen fixiert sind.
Stand der Forschung
Der Lernschritt vom Umgang mit konkreten Mengen zur symbolischen Bearbeitung von Operationen des Vereinigens, Verminderns, Zerlegens und Ergänzens von Zahlen kann von lernschwachen Schülern oft nicht mitvollzogen werden. Dabei ist die Bedeutung des Zählens für die Entwicklung mathematischer Operationen nach wie vor Gegenstand didaktischer Überlegungen und
Empfehlungen(Radatz 1982, 160f.; Schmidt& Weiser 1982, 230; Secada u.a. 1983; Wember 1989, 437f.; Lorenz 1992, 174). Fuson(1988, 50) beschreibt ein sechsstufiges Entwicklungsschema des Zählens, in dem die„zweiseitige Durchlaufbarkeit‘“ der Zahlwortfolge als Voraussetzung dafür angesehen wird, daß der Zusammenhang zwischen Addition und Subtraktion zum Gegenstand der Betrachtung werden kann. Flüssiges Vorwärts- und Rückwärtszählen in unterschiedlichen materiellen Kontexten ist nur der erste Schritt auf dem Weg zu einem flexibel einsetzbaren Zahlbegriff, der nicht mehr auf materielle Anschauungshilfen angewiesen ist. In diesem Zusammenhang stellt die Fingerzählmethode ein besonderes Problem dar. Zunächst bietet das Fingerrechnen, wie jedes andere Handeln am konkreten Material eine Chance, Zahleigenschaften begreiflich zu machen, und viele Kinder gelangen auf diese Weise zu einem verinnerlichten, anschauungsunabhängigen
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XXI, Heft 3, 1995
Zahlbegriff, Nach von Aster(1991, 47) kommt dem Fingerzählen bei der Entwicklung des Reihenfolgebewußtseins von Zahlen eine besondere Bedeutung zu. Aber die Fingerzählmethode verstärkt, wenn sie die einzige Methode bleibt, die Tendenz zum Rechnen in Einerschritten und erschwert somit die Einsicht in relationale Zahlaspekte.
Auf mögliche Fehlentwicklungen im Prozeß der Zahlbegriffsentwicklung durch Verwendung der Fingerzählmethode weist Lorenz(1992) hin. Er unterscheidet zwischen einem dynamischen und einem statischen Gebrauch der Finger beim Rechnen. Das dynamische Ab- und Weiterzählen an den Fingern berge die Gefahr der Einengung arithmetischer Operationen auf mechanische Abzählstrategien. Es bestehe das Risiko, daß sich überlegene Strategien nicht gegen die verfestigten Abzählhandlungen durchsetzen könnten. Zum statischen Gebrauch der Finger im Sinne kardinaler Zahldarstellungen führt Lorenz aus:„Im
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