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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Wissenserwerb Lernbehinderter im Sachunterricht

als Funktion der Zeit, dargestellt am Beispiel des UnterrichtsgegenstandesLuftfahrt*

Von Friedrich Masendorf

Zeitvariablen gelten, trotz ihres mageren theoretischen Erklärungsstatus, als notwendige und hinreichende Be­dingungen schulischer Lernleistungen. In der vorlie­genden quasi-experimentellen didaktischen Studie über den Zeitraum eines Schulhalbjahres zeigte sich, daß der Wissenszuwachs lernbehinderter Schüler in Abhängig­keit vom Zeitaufwand für den Unterrichtsgegenstand Luftfahrt linear ansteigt. Zudem scheint doppelter Zeitaufwand besonders denjenigen Schülern mit gerin­geren intellektuellen Ausgangswerten zu nützen, zumal dann, wenn zusätzlich eine praktisch-handelnde Ausein­andersetzung mit dem Gegenstand ermöglicht wird. Der zur Evaluation verwendete curriculare Wissenstest ge­nügt den Kriterien der Unterrichtssensitivität und der konkurrenten Validität. Die Ergebnisse werden abschlie­ßend anhand des kriteriumsorientierten Zensierungs­modells(Klauer, 1987) diskutiert.

Although their theoretical status remains somewhat poor, the use of variables to measure individual performance over time is a necessary and sufficient source of infor­mation on pupils learning performance. The following quasi-experimental didactic study investigates the de­velopment of a group of learning disabled pupils over a school half-year. Results show, for the teaching subject aviation, a linear improvement in performance as a function of time. Pupils whose initial intellectual per­formance was low were found to benefit from a double time exposure to the teaching, particularly if a practi­cally based behavior analysis of the subject was possi­ble. The assessment method used in this study was found to have good concurrent validity and to meet the criteri­on of sensitivity to teaching. Results are discussed in the framework of Klauers(1987) criterion-oriented-grad­ing model.

Einleitung

Die vorliegende didaktische Langzeit­studie dient der Förderung und Verbes­serung des Wissenserwerbs bei 14- bis 16jährigen Schülern im Sachunterricht. Als Wissensgebiet wurde der Lehrziel­bereichLuftfahrt ausgewählt, der sich aus den drei TeillehrzielenGeschichte der Luftfahrt,Luftfahrttechnik und Aerodynamik zusammensetzte.

Das ThemaLuftfahrt, das in den Lehr­plänen der Sonderschulen nicht vorge­sehen ist, übt auf lernbehinderte Schüler eine besondere Faszination aus. Zudem dürfte für die Gruppe der Lernbehinder­ten erwartet werden, daß das Auffassen, Behalten und Erinnern des komplexen Stoffes zum Thema Luftfahrt dann be­

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sonders erfolgreich sein sollte, wenn man den Schülern bei der Darbietung und Vermittlung des Stoffes eine längere Lernzeit zur Verfügung stelt, während der die Schüler sich auch praktisch mit dem Unterrichtsgegenstand auseinander­setzen können. Die reale und praktische Begegnung mit dem Gegenstand kann vor, während aber auch nach der(theore­tischen) Instruktionsphase, ja sogar au­Berhalb des regulären Unterrichts, statt­finden.

* Herm Prof. Dr. Karl Josef Klauer, RWTH Aachen, zum 65. Geburtstag in Dankbarkeit zu­geeignet

Problemhintergrund und Hypothese

Die Bedeutung von Zeitvariablen in der Lehr-Lernforschung

Wissensvermittlung und Wissensförde­rung, zumal bei Lernbehinderten, brau­chen ihre Zeit.

In der Lehr-Lernforschung gelten Zeitva­riablen als notwendige(nicht ersetzba­re) Bedingungen schulischen Lernens, als hinreichende Bedingungen können sie Alternativvariablen sogar vollstän­dig verdrängen, ja ersetzen(Treiber 1982, 32).

Zeitvariablen sind einfach zu erheben, theoretisch sparsam zu begründen und zudem leicht zu beeinflussen. So unter­

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XXI, Heft 3, 1995