Friedrich Masendorf- Wissenserwerb Lernbehinderterim Sachunterricht als Funktion der Zeit
scheiden Harnischfeger& Wiley(1976), zitiert bei Treiber(1982, 13), in Erklärungsmodellen schulischer Lernleistungen als abgestufte Elemente die„nominale Unterrichtszeit‘“, die„tatsächliche Unterrichtszeit‘“, die„nutzbare Instruktionszeit“ und die„aktive Lernzeit“. Treiber(1982, 21-22) verweist darauf, daß zwischen Variablen der Lehr-Lernzeit und Indikatoren schulischen Wissenserwerbs unterschiedlich hohe Korrelationen ermittelt wurden. Diese sind am niedrigsten für die nominale Unterrichtszeit und am höchsten für die aktive Lernzeit. Die vorliegende Studie orientiert sich an der tatsächlichen Unterrichtszeit, d.h. an der Anzahl der tatsächlich gehaltenen Fachstunden des hier behandelten Unterrichtsgegenstandes„Luftfahrt“. Für die tatsächliche Unterrichtszeit im Hinblick auf Schülerleistungen wird über Korrelationen in der Größenordnung zwischen.13 und ‚59 berichtet(Treiber 1982, 22). Dies deutet an,„daß sich Lehr-Lern-Zeitvariablen nur unter bestimmten(bislang aber noch ungeklärten) Bedingungen für die Vorhersage schulischer Lernleistungen eignen“(Treiber 1982, 21).
Das Bereitstellen längerer Lernzeiten gehört(neben dem reduziertem Hauptschullehrplan und dem mikrosynthetischen Vorgehen) zum zentralen Bestimmungsstück klassischer Hilfsschulmethodik und-didaktik. Lernbehinderte sollen, bezogen auf ein umschriebenes Lehrziel, länger lernen dürfen.
Lehr-Lernzeit und didaktische Struktur
Die Daumenregel des„Längerlernens“ allein erlaubt jedoch keine praktischen Hinweise darauf, innerhalb welcher Intervalle tatsächlicher Unterrichtszeit der Zeitfaktor„optimal“ genutzt werden kann. In der vorliegenden didaktischen Langzeitstudie, die sich über ein halbes Schuljahr erstreckte, soll die Tauglichkeit und Nutzung einer verdoppelten Lernzeit, bezogen auf den„einfachen Zeitaufwand“(in Schulstunden) evaluiert werden.
Nun determiniert aufgewandte Lernzeit
Nominale Unterrichtszeit
Tatsächliche Unterrichtszeit
Nutzbare Instruktionszeit im Lehrstoffsegment X
Anwesenheit von Schüler Si
Aktive Lernzeit von Schüler Si; im Lehrstoffsegment X
Lehrstoffsegment X von Schüler Si; verstanden
Leistung von Schüler Si; im Lehrstoffsegment X
Abb. 1: Elemente der Lehr-Lern-Zeit in Erklärungsmodellen schulischer Lernleistungen(nach
Treiber 1982, 13)
schulische Lernleistungen erst im Zusammenwirken der Lehrstoffstruktur (Klauer 1974) mit dem Vermittlungsmodus und der didaktischen Struktur des Unterrichtsgegenstandes. Unter„didaktischer Struktur“ sei eine„durch Beispiele und Aufgaben konkretisierte und in eine zeitliche Abfolge transformierte Lehrstoffstruktur“ verstanden(Niggemann& Treiber 1982, 39).
Gerade für Lernbehinderte hat es sich als günstig erwiesen, wenn didaktische Überlegungen zu längerfristigem Gestalten von Lehreinheiten zugleich das Einplanen und Ausführen praktisch-anschaulicher Übungsphasen implizieren. Unterrichtsabfolgen, die handgreifliche Erfahrungen mit dem Gegenstand berücksichtigen und beinhalten, kommen Lernbehinderten sehr entgegen. Praktisch-anschauliche Phasen können— je nach Bedarf— als Rückgriff auf ikonische und enaktive Stufen notwendig sein; andererseits sollen sie, wie im vorliegenden Fall, bereits Gelerntes vertiefen und anwenden.
Hypothese
Zur Effizienz einer verlängerten Lernzeit, dies bezogen auf umschriebene Stoffgebiete im Sachunterricht, liegen
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XXI, Heft 3, 1995
für Lernbehinderte keine kontrollierten Feldstudien vor. So soll die folgende quasi-experimentelle didaktische Untersuchung Erkenntnisse darüber erbringen, in welchem Ausmaß eine doppelte Lernzeit, die zusätzlich durch Praxis ausgefüllt ist, im Vergleich zur„einfachen“ Lernzeit(bei bloß informierenden Unterricht ohne Praxis) zu zielerreichendem Lernen führt. Um diese Fragestellung zu überprüfen, sind auch das intellektuelle Ausgangsniveau und die aufgabenrelevanten Vorkenntnisse(die sog. Wissensbasis) als Ausgangsbedingungen der Schüler in Rechnung zu stellen bzw. zu kontrollieren.
Die vorliegende Aufgabe ist es, die durch verdoppelte Lehr-Lernzeit vermuteten größeren Lerngewinn bei 14- bis 16jährigen lernbehinerten Schülern zu evalujeren. Deshalb wird folgende H,-Hypothese formuliert:
Eine doppelte Stundenzahl von 36-38 Schulstunden(incl. praktischer Auseinandersetzung mit dem Unterrichtsgegenstand) führt bei einem größeren Teil lernbehinderter Schüler zu Lerngewinnen als ein„einfacher“ Zeitaufwand von 18 Stunden(bei informierendem Unterricht ohne Praxis). Die beiden Zeitvariablen beziehen sich auf die Null-Hypo
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