Friedrich Masendorf- Wissenserwerb Lernbehinderter im Sachunterricht als Funktion der Zeit
wächse eingestuft, wenn sie über bzw. unter dem Median von Res(z) liegen. Der Median für Res(z) beträgt 0, er fällt also mit dem Mittelwert Res(z)= 0 zusammen. Tabelle 3 enthält als Umordnung von Tabelle 1 die absoluten Häufigkeiten der positiven und negativen Res(z)-Werte(+,-), bezogen auf die drei Gruppen(Zeitvarianten).
Tab. 3: Residuale Lernmuster als Zeilen- und Gruppenzugehörigkeit
Wir vergleichen Gr. II und Gr. I mit Gr. I. Die beobachteten positiven Residualwerte in Tabelle 3 lassen den vermuteten positiven Lerntyp Gr. II|+= 9 erkennen. Ein Diskriminanztypentest nach dem Modell des generalized local contingency testing(vgl. Havränek& Lienert 1984) führt zu Tabelle 4.
Tab. 4: Vierfeldertafel zum Diskriminanztyp(+) der Gr. III(informierender Unterricht plus Praxis bei doppelter Lernzeit)
Der exakte Fischer- Yates-Test ergibt mit Bezug auf Tabelle 4 eine Wahrscheinlichkeit von p< 0,006. Damit diskriminiert(bei einseitiger Fragestellung) ein positiver Res(z)-Wert(+) hochsignifikant zugunsten Gr. II:„doppelter Zeitaufwand“. Der entsprechende Diskriminanztypentest für die Vergleichsgruppe Il-= 10 ergibt eine wahrscheinlichkeit von p<0,001(einseitig). Damit diskriminiert das negative Residualmuster(-) hochsignifikant für die Kontrollgruppe I(kein Zeitaufwand). Die Konfiguraiton Gr. I|- tritt somit als negativer Lerntyp auf. Gr. II(„einfacher Zeitaufwand“) bildet nach entsprechender Prüfung(p< 0,183) weder einen Typ
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noch einen Antityp aus. Dies ist interpretativ von Bedeutung: Nur Gr. II ist gegen Gr. I signifikant(bei R= 3 simultanen Vergleichen und einem vereinbarten adjustierten Alpha von 0,05|3= 0,016). Damit hat nur Gr. II(doppelter Zeitaufwand) für alle lernbehinderten Schüler, bis auf Schüler Nr. 21, einen sichtbaren Wissenszuwachs erbracht. Gr. II bildet somit einen positiven Lern
typ aus.
Diskussion Forschungsmethodische Aspekte
Die vorliegende Untersuchung überprüft unterschiedliche Zeitvarianten in Bezug auf den Wissenszuwachs im Lehrzielbereich„Luftfahrt“ bei 14- bis 16jährigen Schülern einer Sonderschule für Lernbehinderte. Hierbei interessiert der für die lernbehinderten Schüler zusätzliche pädagogische Nutzen des praktisch-technischen Arbeitens bei doppelter Lernzeit im Vergleich zu einem lediglich informierenden Unterricht bei einfacher Lernzeit, beide Zeitvarianten wurden zusätzlich verglichen mit einer Kontrollgruppe„regulärer Unterricht ohne Zeitaufwand für den Unterrichtsgegenstand „Luftfahrt“. Die Wissensleistungen wurden für alle N= 30 Probanden mit einem informellen(curricularen) Test von Gieselmann(1992) prä- und postexperimentell überprüft. Postexperimentell wurde der Test den Schülergruppen je nach Beendigung der 0.g. Zeitvarianten gegeben.
Im Gegensatz zur klassischen Randomisierungsprozedur, bei der man N Individuen zu c Instruktionswirkungen nach Los zuteilt, werden bei Schichtungsplänen wie im vorliegenden Fall 3 Gruppen lernbehinderter Schüler je unterschiedlich lange unterrichtet, wodurch die Treatments mit den Schichtungseffekten (IQ und Vorwissen) konfundiert sind (vgl. die unterschiedlichen IQs und Prätestwerte zwischen den Gruppen). Die „Netto-Wirkungen“(Residualwerte) des vorliegenden quasi-experimentellen Versuchsplanes wurden deswegen mittels
einer zweifachen linearen Regression (mit dem IQ- und Prätest als Prädiktoren und dem Posttest als Kriteriumsvariable) bestimmt und einem varianzanalytischen Trendtest unterzogen. Diesem zufolge hat die Variante„doppelter Zeitaufwand“ in Gr. II zum höchsten Zuwachs in den Wissensleistungen geführt gegenüber dem bloß„informierenden Unterricht bei einfachem Zeitaufwand“ in Gr. I und der Variante regulärer Unterricht ohne Zeitaufwand. Diskriminanzkonfigurale Vergleiche erlauben darüber hinaus, die IQ- und prätestbereinigten Post-testwerte Res(z) als Lerntypen auszuweisen. Solche Lerntypen stellen relevante Untergruppen von Probandenpopulationen dar, die nach pädagogischer Fragestellung und Zielrichtung von Belang sind und diagnostisch noch weiter spezifiziert werden können(vgl. Lienert, Netter& von Eye 1991).
Die Lernzeit als notwendige und hinreichende Bedingung des Wissenszuwachses
Erst doppelter Zeitaufwand hat zu einem positiven Lerntyp geführt. Dieser bedeutet, daß der doppelte Zeitaufwand (mit Praxis) für 90% der Schüler von Nutzen ist. Besonders herausgestellt sei, daß gerade die schwächsten Schüler in dieser Variante— also diejenigen mit der niedrigsten Intelligenz bei geringen Präwerten des curricularen Wissenstest — die höchsten Zuwächse(positive Residualwerte) im Wissenstest erzielten; vgl. hierzu Schüler-Nr. 25, 26, 27, 28, 29 und 30. Doppelter Zeitaufwand scheint gerade diesen Schülern mit den ungünstigen intellektuellen Voraussetzungen eine wirksame Hilfe zu sein. Demgegenüber zeigen die Schüler mit höherem IQ und den besseren Präwertleistungen der Gr. II eher geringere Wissenszuwächse; vgl. Schüler-Nr. 22, 23 und 24; für Pb-Nr. 21 mit einem für Sonderschüler relativ hohem IQ von 90 und einem Präwert von 8 liegt sogar ein relativer„Wissensverlust“ vor.
Gegenüber Gr. II bildet Gr. I(„einfacher Zeitaufwand) keinen positiven
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XXT, Heft 3, 1995