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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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war eine kurze Pause von einer halben Minute. Als abhängige Variable wurde die Gesamttrefferrate einer Versuchsper­son bestimmt.

Mehrfach-Wahl-R eaktionszeitaufgabe. Über einen Computer-Monitor wurden der Versuchsperson gleichzeitig zwei Kreise dargeboten, ein innerer Kreis mit einem Durchmesser von 2.3 cm und ein äußerer Kreis, dessen Innenradius 7.8 cm und dessen Außenradius 10.7 cm betrug. Der äußere Kreis war in vier gleich große Sektoren unterteilt, die jeweils eine un­terschiedliche Farbe(rot, grün, margenta und cyan) aufwiesen. Um Lern- bzw. Übungseffekte hinsichtlich der räumli­chen Anordnung der Farbsektoren zu vermeiden, wurde die Position der Farb­sektoren im Außenkreis variiert. Als im­perativer Reiz diente die Farbe des inne­ren Kreises. Jede der vier Farben trat gleich häufig als imperativer Reiz auf. Die Inter-Trial-Zeit varlierte zwischen 1 und 2.5 sec. Die Aufgabe der Versuchs­person bestand darin, den Cursor, der sich im Zentrum des inneren Kreises befindet, durch Betätigen eines Steuer­knüppels(Joysticks) so schnell wie mög­lich in denjenigen Farbsektor des äuße­ren Kreises zu bewegen, der diesselbe Farbe wie der innere Kreis aufwies. Ge­messen wurde die Reaktionszeit vom Beginn der Reizdarbietung bis zur Be­wegung des Steuerknüppels aus seiner Ruheposition sowie die Anzahl falscher Reaktionen bzw. Fehler. Als Fehler wur­de gewertet, wenn der Cursor in einen Farbsektor des Außenkreises bewegt wurde, der eine andere Farbe als der in­nere Kreis aufwies. Eine Testsitzung be­stand aus insgesamt 24 Durchgängen. Um Verfälschungen der Ergebnisse durch Farbfehlsichtigkeit auszuschließen, muß­ten die Versuchspersonen vor dem Ver­suchsbeginn verschiedene, über den Computer-Monitor dargebotene Farben benennen.

Versuchsdurchführung

Der Versuch wurde an zwei aufeinan­derfolgenden Testtagen durchgeführt. Am ersten Testtag wurde in einer halb­

Thomas Rammsayer- Interindividuelle Differenzen der visuellen Informationsverarbeitung

stündigen Sitzung die Intelligenz- und die Syntheseleistung der Versuchsper­son erhoben. Am darauffolgenden Tag folgten das Buchstaben-Nachsprechen, der SoA-Test und die Mehrfach-Wahl­Reaktionszeitaufgabe. Diese zweite Test­phase nahm ebenfalls ungefähr eine hal­be Stunde in Anspruch.

Ergebnisse

In einem ersten Auswertungsschritt wur­de varianzanalytisch geprüft, ob sich si­gnifikante Unterschiede in der Intelli­genz- und Leseleistung sowie in den er­faßten kognitiven Leistungsindikatoren zwischen den Lern- und geistig Behin­derten und den Grundschülern nachwei­sen lassen(siehe Tab. 1). Der mittlere

ist, weist die Gruppe der Grundschüler sowohl in der Kurzzeitgedächtnisspan­ne für verbales Material, der visuellen Wahrnehmungsspanne als auch in der visuellen Mehrfach-Wahl-Reaktionszeit­aufgabe signifikant bessere Leistungen im Vergleich zur Gruppe der Lern- und geistig Behinderten auf. Lediglich bei der Anzahl der Fehler in der Reaktions­zeitaufgabe waren keine Unterschiede zwischen beiden Untersuchungsgruppen nachweisbar.

Da sich die beiden Untersuchungsgrup­pen sowohl in ihrer Leseleistung als auch in den kognitiven Funktionen, die als potentielle Determinanten der Leselei­stung betrachtet werden können, deut­lich unterscheiden, stellt sich die Frage, inwieweit Unterschiede in der Lese bzw. Syntheseleistung auf Unterschiede in den

Tab. 1: Ergebnisse der Varianzanalyse zum Einfluß der Behinderung auf Intelligenz, Leseleistung und potentielle kognitive Determinanten der Leseleistung.(M: Mittelwert, SD: Standardabweichung)

Abhängige Behinderte Variable M+SD Intelligenz[Rohwerte] 29.4+ 69 Leseleistung[Rohwerte] 31.7.4 211 Buchstaben-Nachsprechen*

vorwärts 31 4 10

rückwärts 23 4 13 Reaktionszeit[msec] 1434+ 584 Reaktionszeitfehler 0.7.1 1,0 Wahrnehmungsspanne** 549+% 183

* mittlere Anzahl richtig reproduzierter Buchstaben

** Trefferquote in Prozent

Intelligenz-Rohwert der Gruppe der Lern- und geistig Behinderten betrug 29.4 Punkte und fiel damit signifikant niedrigerer aus als der mittlere Rohwert der Grundschüler mit 34.8 Punkten. Daß die mittleren Intelligenz-Rohwerte der beiden Gruppen nicht weiter ausein­anderlagen, kann über den bereits er­wähnten Vortest zum Buchstaben-Be­nennen erklärt werden, der von allen Versuchspersonen bestanden werden mußte, um in die Untersuchungsstich­probe aufgenommen zu werden. Auch bei der Syntheseleistung als Maß für die Lesefertigkeit waren die behinderten Versuchspersonen mit einem Durch­schnittswert von 31.7 Rohwertpunkten deutlich schlechter als die Grundschüler mit 52.1 Rohwertpunkten.

Wie aus Tabelle 1 weiterhin ersichtlich

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XXT, Heft 3, 1995

Grundschüler F-Wert p-Wert M+SD df(1,74) 34.7+ 3.9 17.66<.001 52.0+ 4.8 35.00<.001 39% 06 18.45<.001 3.4+ 0.6 24.61<.001 975+ 136 23.32<.001 06+ 07<1.00 n.S. 25:97 45.30<.001

einzelnen kognitiven Funktionen zurück­geführt werden können. Darüber hinaus muß berücksichtigt werden, daß auch Intelligenzunterschiede zwischen beiden Gruppen bestehen, die zur Erklärung der unterschiedlichen Leseleistung beitragen können. Um die Frage zu beantworten, wie hoch der Anteil an gemeinsamer Varianz zwischen der intelligenzunab­hängigen Leseleistung und den einzel­nen kognitiven Funktionen ist, wurden schrittweise multiple Regressionsana­lysen durchgeführt. Bei dieser Form der Datenanalyse kann einerseits der Ein­fluß der Intelligenz bestimmt und zu­gleich aber auch rechnerisch kontrol­liert werden, so daß sich prüfen läßt, wie hoch der intelligenzunabhängige Beitrag der untersuchten kognitiven Funktionen an der Varianz der Syn­

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