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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Christian Klicpera und Barbara Gasteiger Klicpera- Hilfen fürTäter undOpfer aggressiver Handlungen in der Schule

betreffenden Klassen zur Mitarbeit be­reit.

In Niederösterreich war die Durchfüh­rung der Untersuchung in allen 40 Schu­len möglich, es beteiligten sich insge­samt 857 Schüler, 289 LehrerInnen und 35 DirektorInnen. In Wien konnte aus Zeitgründen(wegen des geringen Ab­stands zum Schulschluß) die Untersu­chung nur in 39 Schulen durchgeführt werden. Hier beteiligten sich 737 Schü­ler, 265 LehrerInnen und 32 Direktor­Innen.

Untersuchungsdurchführung

Den Schülern der ausgewählten Klas­sen wurde gegen Ende des Schuljahres (Mai bzw. Juni 1994) von einem Mitar­beiter des Untersuchungsteams ein Schü­lerfragebogen vorgegeben, dessen Beant­wortung etwa eine Stunde erforderte. Dieser Fragebogen enthielt sowohl Fra­gen zu den Erfahrungen der Schüler mit aggressiven Auseinandersetzungen als auch Fragen zu der persönlichen Ver­wicklung in diese Auseinandersetzun­gen. Zusätzlich wurde die Meinung der Schüler zu den erzieherischen Maßnah­men der Schule, von denen angenom­men werden kann, daß sie für das Ver­hindern von Gewalt bedeutsam sind, er­hoben. Die Schülerbefragung war in al­len außer einer Wiener Schule während der Unterrichtszeit möglich. Zusätzlich wurden alle LehrerInnen der ausgewähl­ten Klassen gebeten, einen Fragebogen zu beantworten, in dem die gleichen Themen aus der Sicht der Lehrer be­leuchtet wurden. In allen Fragebögen wurde ausdrücklich hervorgehoben, daß sich alle Angaben nur auf das zu Ende gehende Schuljahr bezogen. Um eine Vergleichbarkeit der Angaben der ver­schiedenen Gruppen zu erzielen, wur­den die Lehrer gebeten, sich in ihren Angaben nur auf die SchülerInnen der 4. Klasse(= 8. Schulstufe) zu beziehen. Aufgrund der Angaben der Schüler über die Häufigkeit der Beteiligung an tätli­chen Auseinandersetzungen(Prügelei­en) und am Drangsalieren von Mitschü­lern(bzw. der Betroffenheit davon) wur­den 4 Gruppen von Schülern gebildet:

unbelastete Schüler(N= 989, 62,2%); Schüler, die selbst häufiger(d.h. wenig­stens gelegentlich) aktiv alsTäter in diese Auseinandersetzungen involviert waren, Ohne selbst von Mitschülern drangsaliert oder verprügelt zu werden (N=1092, 12,1%); Schüler, die sowohl selbst häufiger andere verprügeln, als auch zum Opfer wurden(Täter+ Op­fer: N= 82, 5,1%) sowie Schüler, die selbst häufig verprügelt und drangsaliert wurden, ohne andere zu verprügeln (Opfer: N= 73, 4,6%). Die Angaben dieser Untergruppen über ihre Sichtweise der schulischen Maßnahmen sowie über mögliche Hilfen wurden dann miteinan­der verglichen(die Ergebnisse der sta­tischen Prüfung mit dem Chiquadrattest sind in den Tabellen dargestellt).

Ergebnisse

Eingreifen der Lehrer in Auseinandersetzungen zwischen Schülern

Mangelndes Eingreifen der Lehrer in un­faire Auseinandersetzungen zwischen Schülern wird als ein Grund für häufi­ges Auftreten von aggressiven Verhal­tensweisen gesehen(Olweus 1993). In den Schulen dieser Stichprobe gaben

zwar sowohl Lehrer wie Schüler an, daß Lehrer relativ oft in Raufereien eingrei­fen, vor allem wenn diese unfair geführt werden, die Wahrscheinlichkeit aber, daß Lehrer eingreifen, wenn ein Schüler von anderen beschimpft oder gekränkt wird, wird von den Schülern als recht gering eingeschätzt. Etwa zwei Drittel sind der Meinung, daß die Lehrer viele Auseinan­dersetzungen nicht mitbekommen. In dieser Einschätzung gibt es kaum Un­terschiede zwischen Schülern, die häu­figer in Auseinandersetzungen verwik­kelt sind, und unbelasteten Schülern. In der Tat geben auch die Lehrer an, daß sie sich vielfach auf die eigenen Beob­achtungen verlassen müssen und daß Schüler nur gelegentlich solche Ausein­andersetzungen berichten. Viele Lehrer stehen den Meldungen der Schüler al­lerdings auch recht zurückhaltend ge­genüber. So meint etwa die Hälfte der Lehrer, daß sie grundsätzlich nichts un­ternehmen, wenn ihnen Schüler von sol­chen Auseinandersetzungen berichten, da sie das Verpetzen von Mitschülern ablehnen.

Einstellungen der Schüler zum Eingrei­fen der Lehrer: Während die überwie­gende Mehrzahl der Schüler(81,4%) es gut findet, wenn Lehrer in Streit und Rau­fereien zwischen Schülern eingreifen,

Tab. 1: Aussagen der Schüler zum Eingreifen der Lehrer in Auseinandersetzungen zwischen Schü­lern(% Zustimmung): Vergleich von Schülern, die in unterschiedlichem Ausmaß in tätliche Ausein­andersetzungen verwickelt sind(signifikante Unterschiede:* p< 0.05;* p< 0.01;** p< 0.001).

Eingreifen von Lehrern ist nicht gut.**

Gründe gegen ein Eingreifen der Lehrer: Auseinandersezungen gehen Lehrer nichts an.** Auseinandersetzungen sind eigenes Problem

der Schüler.**

Auseinandersetzungen gehen nur hinter dem Rücken der Lehrer weiter.**

Gründe für ein Eingreifen der Lehrer:

Damit nichts passiert und niemand verletzt wird.** Damit der Schwächere sieht, daß ihm geholfen wird, und keine Angst haben muß.*

Damit Schüler lernen, Konflikte friedlich zu lösen.** Lehrer greifen nicht ein, weil sie meinen, daß

die Schüler die Sache unter sich ausmachen sollen.* weil sie Angst haben, daß sich die Aggression

dann gegen sie richtet.**

weil sie glauben, daß ihr Eingreifen die

Aggression nur noch verstärken würde.**

Unbelastet Täter Täter+Opfer Opfer 14% 45% 20% 9% 30% 63% 42% 26% 18% 58% 40% 25% 65% 84% 86% 11% 92% 83% 89% 95% 59% 52% 54% 66% 87% 69% 80% 88% 34% 40% 43% 44% 23% 35% 28% 22% 20% 40% 32% 22%

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XXI, Heft 3, 1995

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