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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Christian Klicpera und Barbara Gasteiger Klicpera- Hilfen fürTäter undOpfer aggressiver Handlungen in der Schule

wirklich zielführend seien, und drei Viertel waren der Ansicht, daß es dafür gezielte Fortbildungsmaßnahmen brau­chen würde.

Pausengestaltung

Da ein Großteil der Auseinandersetzun­gen zwischen den Schülern in der Pause ausgetragen wird, erscheint es nahelie­gend, einen Ansatz für das vorbeugende Verhindern von Aggression in der Pausengestaltung zu suchen. Etwa die Hälfte der Lehrer meint, daß eine besse­re Ausstattung und Gestaltung der Pausenräume aggressive Auseinander­setzungen zwischen den Schülern redu­zieren könnte. Auch ein beträchtlicher Teil der Schüler übt an der Pausenge­staltung Kritik, wobei dies vor allem jene Schüler sind, die unmittelbar von Auseinandersetzungen betroffen sind (Tab. 2). Diese Kritik richtet sich in er­ster Linie gegen mangelnde Betätigungs­möglichkeiten und mangelnde Möglich­keiten, sich auszutoben, wodurch so können wir folgern aggressive Aus­einandersetzungen gefördert werden. Von einem beträchtlichen Teil jener Schüler, die zum Opfer von Aggressio­nen durch Mitschüler werden, wird je­doch auch gefordert, die Lehrer sollten in den Pausen mehr Aufsicht ausüben, um unfaire Auseinandersetzungen zu verhindern.

Hilfen für die Opfer von Aggressionshandlungen Ansichten der Schüler

Um die Vorstellungen der Schüler ken­nenzulernen, wie jenen, die häufiger zum Opfer aggressiver Handlungen werden, am besten geholfen werden kann, wur­den die Schüler auch gefragt, welche Hilfe sie sich in so einem Fall wünschen würden. Es erscheint sinnvoll, sich da­bei vor allem auf die Antworten derOp­fer zu konzentrieren. Eindeutig am häu­figsten wird von diesen gewünscht, daß Klassenkameraden ihnen helfen, daß also andere Schüler für sie Partei ergreifen und das Ärgern und Sekkieren beenden

(Tab. 3). An zweiter Stelle folgt der Wunsch, sich besser wehren zu lernen. Nur zwei andere Dinge werden noch von einer(wenn auch knappen) Mehr­heit als erwünscht bezeichnet: Bestra­fung der Angreifer sowie das Lernen, mit den Angreifern über das Problem, das zu dem Konflikt geführt hat, zu re­den. Die anderen Hilfen werden von der Mehrheit dieser Schüler eher nicht ge­wünscht. Deutlich am unangenehmsten ist ihnen, gemeinsam mit einem Lehrer und den Angreifern über das Problem zu reden.

Die Antworten der Schüler machen deut­lich, daß die Hilfe fürOpfer zu einem guten Teil indirekt vor allem über die Klassenkameraden, aber auch durch Hil­festellungen an die schwächeren Schü­ler außerhalb der unmittelbaren Kon­fliktsituation gegeben werden müssen. Es ist jedoch auch festzuhalten, daß ge­rade in bezug auf jene Schüler, die nur passiv, alsOpfer, in aggressive Ausein­andersetzungen einbezogen sind, dem Lehrer eine wesentliche Bedeutung zu­kommt. Im Unterschied zu den übrigen Schülern erwarten sich diese in einem beträchtlichen Ausmaß eine Art Schutz, aber auch Unterstützung durch die Leh­rer.

Wenn die Aussagen der Schüler, die häu­figer aggressiv gegen Mitschüler waren, ohne selbst die Erfahrung machen zu müssen, von anderen drangsaliert zu werden, zu den erwarteten Hilfen be­

trachtet werden, so zeigt sich sehr deut­lich, daß Hilfen seitens der Lehrer von diesen Schülern mehrheitlich abgelehnt werden. Auch Gelegenheiten zum Re­den mit den Angreifern erschienen ag­gressiven Schülern im Vergleich zu den anderen Gruppen als weniger bedeut­same Hilfe. Diese Schüler setzen einer­seits darauf, daß ihnen Mitschüler hel­fen, andererseits darauf, daß sie sich selbst wehren können.

Welche Erfahrungen haben Lehrer mit Hilfen für einzelne Schüler?

Voraussetzung dafür, daß einem Schü­ler, der schikaniert wird, von den Leh­ren geholfen werden kann, ist zumeist, daß sich dieser Schüler von sich aus an die Lehrer um Hilfe wendet. Die Lehrer unterscheiden sich hier sehr stark in ih­ren Einschätzungen, wieweit dies auch erfolgt. Während etwa ein Viertel der Lehrer meint, daß sich nur ein sehr ge­ringer Teil der Schüler an sie wenden würde, gehen 43% der Lehrer davon aus, daß dies die meisten Schüler tun wür­den. Als häufigste Ursache dafür, daß manche Schüler sich nicht an die Leh­rer wenden, geben diese an, daß die Schüler Angst vor einem verstärkten Schikanieren durch andere Schüler hät­ten. Dies zeigt, daß eine der wesentlich­sten Maßnahmen im Vorfeld konkreter Hilfen für den einzelnen Schüler darin

Tab. 3: Aussagen der Schüler, welche Hilfen sie sich erwarten würden, wenn sie Opfer von Aggres­sionen durch Mitschüler werden(Anteil der Schüler, die die genannten Hilfen als wünschenswert bezeichnet haben): Vergleich von Schülern, die in unterschiedlichem Ausmaß in tätliche Auseinan­dersetzungen verwickelt sind(signifikante Unterschiede:*< 0.05;* p< 0.01;** p< 0.001).

Daß mir Klassenkameraden helfen.* Daß ich lerne, mich besser zu wehren.** Daß ich mit denAngreifern reden kann.**

Daß die Angreifer von einem Lehrer bestraft werden.** 32%

Daß ein Lehrer mit denAngreifern spricht, sie ermahnt

und darauf hinweist, was sie da eigentlich tun.**

Daß ein Lehrer in die Auseinandersetzung eingreift.** Daß das Problem von einem Lehrer vor der ganzen Klasse angesprochen wird.**

Daß ein Lehrer für mich Verständnis hat und ich

mit ihm über die Probleme reden kann.**

Daß ich gemeinsam mit einem Lehrer mit den

Unbelastet Täter Täter+Opfer Opfer 79% 69% 65% 77% 50% 64% 59% 56% 57% 30% 42% 52%

36% 39% 53% 39% 27% 32% 51% 24% 14% 28% 44% 25% 17% 17% 46% 34% 20% 26% 38% 24% 12% 15% 30%

Angreifern über das Problem reden kann.**

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XXI, Heft 3, 1995

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